Deutsche Parlamentarier aller Parteien fordern eine Ablehnung der Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels. Neue Hürden vor Erweiterung der Europäischen Union
Berlin ng - Dem EU-Vertrag von Nizza droht im Europa-Parlament das Scheitern.
Die einflussreiche Europa-Union Deutschland, der EU- und Bundestagsabgeordnete aus SPD, CDU/CSU, Grünen und FDP angehören, hat das Europa-Parlament aufgefordert, \"sich der Ratifizierung des Vertrages zu widersetzen\". Der Vertreter des EU-Parlaments beim Gipfel in Nizza, der Grieche Professor Dimitrios Tsatsos, betonte gegenüber WELT am SONNTAG: \"Nach der gegenwärtigen Atmosphäre, wie ich sie im Parlament erlebe, und nach Gesprächen, die ich mit führenden Persönlichkeiten dort geführt habe, glaube ich, dass es jetzt eine Mehrheit gegen den Vertrag gibt.\"
Nach bisheriger Planung soll das EU-Parlament im Februar über den Vertrag abstimmen. Am Ergebnis dieses Votums wollen sich die Parlamente von Belgien und Italien ausrichten. Da der Vertrag von Nizza, der für die EU-Erweiterung den Weg ebnen soll, nur in Kraft treten kann, wenn die Parlamente aller 15 Mitgliedstaaten zustimmen, müsste neu verhandelt werden.
Im Beschluss des Präsidiums der Europa-Union, der einstimmig gefasst wurde und WELT am SONNTAG vorliegt, heißt es wörtlich: \"Die Regierungskonferenz von Nizza ist gescheitert. Es ist den Staats- und Regierungschefs nicht gelungen, die Europäsiche Union funktionstüchtig und erweiterungsfähig zu machen. Die Europa-Union Deutschland fordert das Europäische Parlament auf, dem Vertragsentwurf von Nizza nicht zuzustimmen.\"
Alle großen Mitgliedstaaten hätten auf jeweils einem oder mehreren Politikfeldern aus Eigeninteresse den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen verhindert, heißt es in dem Beschluss. In allen wichtigen Bereichen wie Europäische Verteidigung, Handelspolitik, Einwanderungs- und Asylpolitik, Regional- und Strukturpolitik, Steuer- und Sozialpolitik solle es \"entgegen allen Ankündigungen und Versprechungen bei der Einstimmigkeit bleiben\". Schon jetzt sei \"Europa unter diesen Umständen nicht fähig, seine Zukunft in die Hand zu nehmen\". Erst recht gelte das \"unter den Bedingungen der Erweiterung\".
Enttäuschender noch als die Ergebnisse des Gipfels sei die Art und Weise, wie sie zu Stande gekommen seien: \"Die Auseinandersetzungen wurden allein im Namen vermeintlicher nationaler Interessen geführt. Europäische Standpunkte kamen nicht zum Zuge. Die Regierungen und insbesondere die (französische) Präsidentschaft spielten die Großen gegen die Kleinen, die gegenwärtigen Mitglieder gegen die Beitrittskandidaten aus. Gesucht wurde nicht nach Lösungswegen, sondern nach Blockademöglichkeiten. Nationales Prestige ohne Substanz wurde zum Maßstab der Entscheidungen.\" Von dieser Art der Entscheidungsfindung gingen \"fatale Signale\" für die Beitrittskandidaten aus. Sollte die EU sich in diesem Zustand erweitern, \"wäre ihr Scheitern als Integrationsgemeinschaft besiegelt\".
Tsatsos wies ferner darauf hin, wenn das Parlament den Vertrag mit der Begründung ablehne, er mache Europa nicht erweiterungsfähig, könne es nicht später der Erweiterung zustimmen.
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