2.1 Bündische Jugend
/
Die bündische Jugend hatte ihre Wurzeln in der 1899 entstandenen Wandervogelbewegung, deren Gruppierungen 1913 zur "Freideutschen Jugend" zusammengeschlossen wurden. Die Ziele dieser neuen Gruppierung waren vor allem Selbstverantwortlichkeit, Selbsterziehung und Rückkehr zur Natürlichkeit, was zum Beispiel durch Wanderfahrten und das Singen von Volksliedern zum Ausdruck kam. Hier wurden das Gruppengefühl und die Tradition in den Vordergrund gestärkt. Ursprünglich entstand die Wandervogelbewegung als Protest gegen die überkommene Moral und die Selbstgefälligkeit der älteren Generation und 1927 zählte sie rund 55 000 Mitglieder.
2.2 Hitler-Jugend
Die Hitler-Jugend (HJ) wurde 1926, das heißt schon vor der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933, gegründet. Anfangs waren fast nur Jungen Mitglieder, bis 1930 der Bund Deutscher Mädel (BDM) gegründet wurde. Da Hitler durch eine ideologische Erziehung der Jugend hoffte, eine neue nicht-denkende, sondern seinen Befehlen bedingungslos folgende Generation zu erschaffen, machte er sich die Popularität der Jugendorganisation und das Verlangen nach einer Gruppenzugehörigkeit zu Nutze. Als Hitler 1933 und 1934 die bündische Jugend verbot, traten viele der bündischen Jugendlichen in die HJ ein, in dem Glauben dass die Traditionen der Naturverbundenheit in dieser Jugendorganisation fortgeführt würden. In der Hitler-Jugend wurden die Jungen von ihrem Eintritt mit zehn bis zu ihrem Austritt mit neunzehn Jahren strategisch auf den Einsatz im Krieg und eine militärische Laufbahn durch paramilitärische Übungen unter einem meist gleichaltrigen Gruppenleiter vorbereitet und zum strikten, bedingungslosen Gehorsam dem Führer gegenüber gedrillt. Die Erziehung war nun nicht mehr wie bei der bündischen Jugend dem Jugendlichen zum Teil selbst überlassen und durch Gruppendynamik bestimmt, auch wurde den Eltern zumindest teilweise, das heißt, solange sich die Jugendlichen in der Hitler-Jugend befanden, die Erziehungsgewalt entzogen, denn diese lag laut dem Gesetz vom 06.04.1939 über die Hitler-Jugend letztendlich beim Führer:
"Alle Jungen und Mädchen der Hitler-Jugend unterstehen einer öffentlich-rechtlichen Erziehungsgewalt nach Maßgabe der Bestimmungen, die der Führer und Reichskanzler erlässt."1
Am 25.03.1939 wurde die "Jugenddienstpflicht" eingeführt, die besagte, dass alle Jungen und Mädchen im Alter zwischen zehn und achtzehn Jahren zum Eintritt in die Hitler-Jugend beziehungsweise den Bund Deutscher Mädel verpflichtet waren:
§1 Dauer der Dienstpflicht:
(2) Alle Jugendlichen vom 10. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind verpflichtet, in der Hitler-Jugend Dienst zu tun, und zwar:
1. die Jungen im Alter von 10-14 Jahren im "Deutschen Jungvolk" (DJ),
2. die Jungen im Alter von 14-18 Jahren in der "Hitler-Jugend" (HJ),
3. die Mädchen im Alter von 10-14 Jahren im "Jungmädelbund" (JM),
4. die Mädchen im Alter von 14-18 Jahren im "Bund Deutscher Mädel" (BDM).2
Der Dienst in einer nationalsozialistischen Jugendorganisation war somit öffentlich-rechtlich und trat nun gleichgeordnet neben Arbeitsdienst und Wehrpflicht.
Nun stand also das Leben eines jeden Jugendlichen vom Kindesalter an unter der Aufsicht der NSDAP. Denn nicht erst seit Einführung der Jugenddienstpflicht hatten es Jugendliche, die nicht Mitglied der HJ beziehungsweise des BDM waren, in Schule, bei der Lehrstellensuche oder im Beruf sehr schwer. Ziel dieser Erschwerung im öffentlichen Leben war es, die potenziellen Störfaktoren zur Eingliederung in das System zu zwingen.
2.3 Edelweißpiraten
Die Edelweißpiraten sind eine der sogenannten Edelweiß-Gruppen, die im gesamten Bundesgebiet, verstärkt im Rhein-Ruhr-Gebiet, auftraten. Sie waren auch unter Namen wie "Navajos", "Nerother-Wandervogel", "Verlorene Rotte", "Kittelbach-Piraten", "die Zuverlässigen" oder "Club der Edelweißpiraten" bekannt.
Die Edelweißpiraten schlossen sich ursprünglich nicht aufgrund bewussten Widerstandes zusammen, sondern wurden meist von den paramilitärischen Übungen, dem strikten Gehorsam, der Bevormundung und der allgemeinen Gleichschaltung der Hitler-Jugend abgeschreckt. Allerdings ging diese Unlust, sich der straff organisierten Hitler-Jugend einzuordnen, in den Augen der Reichsführung in einen politischen Widerstand über.
Jungen und Mädchen, meist aus der Arbeiterklasse stammend, schlossen sich aus den unterschiedlichsten Gründen zusammen, wie zum Beispiel unpolitische Verweigerung in die Hitler-Jugend einzutreten, der Wunsch nach Selbstbestimmung und Freiheit oder aber auch bewusster antifaschistischer Widerstand gegen den Erziehungsanspruch des Staates.
In ihren Traditionen folgten die Edelweißpiraten der verbotenen bündischen Jugend, die für die Jugendlichen die angestrebte Freiheit und Unabhängigkeit im Gegensatz zum militärischen Zwang der Hitler-Jugend stand. Matthias von Hellfeld beschreibt sie in seinem Buch "Edelweißpiraten in Köln" als Jugendliche, die "Freude an wilder Romantik, Abenteuern, Freiheit und freundschaftlichem Beisammensein" (S.19) haben. Dies wird auch durch die verbotenen Fahrten, die sie ebenfalls von der bündischen Jugend übernahmen, deutlich, auf denen sie abends gemeinsam an einem Lagerfeuer saßen und eigene Lieder sangen, die ein Ausdruck des Wunsches nach einer besseren Weltordnung und dadurch eine krasse Abgrenzung von der faschistischen Hitler-Jugend darstellten. Diese Abgrenzung, die den Edelweißpiraten sehr wichtig war, wurde auch in äußerlichen Erkennungszeichen deutlich. Meist trugen sie die sogenannte "Latscherkluft", die aus bunten Hemden, blauen Kniehosen, bunten Halstüchern und dem Edelweiß als Anstecknadel oder Aufnäher bestand, die von der Reichsführung als "anormale" Kleidung bezeichnet wurde. Eine weitere Anspielung auf die romantische Abenteuerliteratur wie zum Beispiel Karl May sind die Spitznamen der Edelweißpiraten wie "Texas-Jack" oder "Alaska-Bill". Meist kannten sich die Jugendlichen in der Gruppe nicht einmal bei ihrem wahren Vornamen sondern nur bei ihren imaginären Namen.
Ein weiterer Grund, warum sich viele Jugendlich von den Edelweißpiraten angezogen fühlten, war das Zusammensein von Jungen und Mädchen innerhalb einer Gruppe, denn in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen galt eine strikte Geschlechtertrennung. Da sich die betroffenen Jugendlichen meist in der Pubertät befanden, war es sehr reizvoll mit dem anderen Geschlecht in Kontakt treten zu können, was unter der NS-Leitung nicht möglich war.
|