Wir dürfen annehmen, daß die Ursprünge der Lehns- und Vasalleninstitutionen im fränkischen Reich der Merowingerzeit und ganz besonders in seinem Kerngebiet, den Ländern zwischen Loire und Rhein zu suchen sind. Im 6. und 7. Jahrhundert litt der fränkische Staat sehr häufig an mangelnder Stabilität. Der Brauch, beim Tode des Königs das Land unter seine Söhne aufzuteilen, die Kriege, die sich daraus zwischen den Erben ergaben, die Kämpfe der aristokratischen Geschlechtern Austriens, Neustriens und Burgunds, das alles wurde zu einer Quelle der Unsicherheit. Die öffentliche Gewalt verfügte nur über wenige und wenig zuverlässige Mittel sich durchzusetzen und war unfähig, die Sicherheit der Bewohner zu gewährleisten.
Es gab viele, die Schutz und Hilfe nötig hatten und irgendeinen Mächtigen darum baten. Die Kehrseite solcher Schutzgewährungen ist immer irgendeine Form von Dienstleistungen. Viele Freie stellten sich unter Wahrung ihres Status als Freie in den Schutz und in den Dienst anderer, mächtigerer Freier. Diese werden daher abhängige Freie genannt. Als Beispiel hier ein Text aus dem 8. Jahrhundert:
"Da es allen wohlbekannt ist, daß es mir an Nahrung und an Kleidung fehlt, habe ich beschlossen, mich bittend an Euer Erbarmen gewandt und habe frei beschlossen, mich in Eure Munt zu begeben oder zu kommendieren. Und das habe ich getan; es soll so sein, daß Ihr mir mit Speise und Kleidung helft und mich unterhaltet, und zwar in dem Maße, wie ich Euch dienen und mir damit Eure Hilfe verdienen kann. Bis zu meinem Tode muß ich Euch dienen und gehorchen, so wie ich es als freier Mann vermag, und zeit meines Lebens werde ich mich Eurer Gewalt oder Munt nicht entziehen können, sondern ich werde, solange ich lebe, unter Eurer Gewalt und Eurem Schutz bleiben. Und so kamen wir überein, daß der von uns beiden, der sich diesen Abmachungen entziehen wollte, seinem Vertragspartner soundsoviel Solidi zahlen muß und daß die Vereinbarung selber in Kraft bleibt. Daher schien es angebracht, daß die Parteien zwei Urkunden gleichen Inhalts verfaßten und bestätigten. Und so taten sie."
Eine andere Möglichkeit bestand darin, daß man dem Kommendierenden in einer Zeit, in der Ackerbau die wichtigste wirtschaftliche Tätigkeit war, ein Stück Land zur Sicherung seines Unterhaltes überließ. Anstatt das Land zu verschenken, konnte der Herr es auch an den Kommendierenden verleihen, es ihm also als Lehen unter Auferlegung bestimmter Abgaben geben. Diese Lehen wurden fast immer auf Lebenszeit vergeben. Die Abgaben und Arbeitsleistungen, die dafür verlangt wurden, waren verhältnismäßig hoch und schwer. Aber daneben gab es noch andere Lehen, die sich vor allem dadurch auszeichneten, daß sie für den Beliehenen ausgesprochen vorteilhaft waren: In solchen Fällen wurde überhaupt keine Arbeitsleistung und nur mäßig hoher Zins verlangt. Es kam sogar vor, daß der Beliehene nicht einmal Zins zu zahlen brauchte, wenn der Landgeber ein besonderes Interesse daran hatte, einer bestimmten Person ohne jeder Gegenleistung Land zu leihen. Der mit diesen Leihen verbundene Vorteil rechtfertigt ihre Bezeichnung als Benefizien, als "Wohltat".
Charakteristisch für das Ende des 8. und das 9. Jahrhundert sind nicht allein das zahlenmäßige Anwachsen und die geographische Ausbreitung vasallitischer Bindungen, sondern auch die Hebung des sozialen Niveaus der Vasallenschaft. Dieser Vorgang macht sich übrigens bei den Vasallen des Königs weit mehr als bei allen anderen bemerkbar. Auf Grund der Beziehung zum König, und der Missionen, mit denen sie betraut wurden, genießen die Königsvasallen ein besonderes Ansehen. Das Prestige jener Kronvasallen, die ein Benefizium erhielten, war noch größer als das der anderen. Es ist übrigens wahrscheinlich, daß seit dem Ende der Regierungszeit Karl des Großen ein Königsvasall, der seine Pflichten erfüllt hatte, normalerweise darauf hoffen konnte, im gegebenen Augenblick in irgendeinem Teil des Reiches ein Benefizium zu erhalten. Die Karolinger haben in der Tat die Königsvasallen durch Vergabe von Benefizien in allen Teilen des Reiches angesiedelt. Dadurch schufen sie sich überall im Reich Kolonien, denn diese Männer besaßen jeweils das Vertrauen des Königs, der sich auf ihren Dienst und ihre Unterstützung verlassen konnte. Auch standen im Notfall die Vasallen dieser Leute zur seiner Verfügung. Pippin III. und Karl der Große betrieben diese Politik vor allem in den neu unterworfenen Gebieten wie Aquitanien, Italien und Bayern. Daß die Königsvasallen gegenüber den anderen eine Sonderstellung einnahmen, geht aus dem von Karl dem Großen über die Leistung des Treueids an den König erlassenen Verfügungen hervor: ebenso wie die Bischöfe, Äbte und Grafen mußten die Königsvasallen den Eid in die Hände des Königs leisten, während die Übrigen ihn zusammen mit allen anderen Untertanen des jeweiligen Ranges in die Hände der Grafen leisteten. Die Vasallen von Grafen, Bischöfen und Äbten konnten die verschiedensten sozialen Stellungen einnehmen. Unter Karl dem Großen gab es sogar - wenn auch nur selten - halbfreie Vasallen. Der Rang eines Vasallen maß sich jedoch noch an anderen Faktoren: So erfreuten sich angesehene Männer, die aus irgendeinem Grund in die Vasallität eines Mächtigeren eingetreten waren, auch weiterhin des Ansehens, das sie ihrer persönlichen Autorität oder ihrem Reichtum verdankten. Auf Leute, die Dienste leisteten, die niedriger waren als die eines Kriegers wird die Bezeichnung Vasall nicht mehr angewandt, denn der Vasall - so bescheiden seine Herkunft und seine Stellung auch waren - verfügte über ein Pferd und Waffen, wenn diese Ausrüstung unter Umständen auch seinem Herren gehörte.
Wie wurde man nun Lehnsmann? Der zukünftige Vasall gab seine zusammengelegten Hände in die umschließenden des Herrn. Man nimmt an, daß ohne die zweifache Handgebärde keine Kommendation stattfinden konnte. In der zweiten Hälfte des 8. und im 9. Jahrhundert wurde bei Eintritt in die Vasallität nicht nur die Handgebärde, sondern auch der Treueid geleistet. Als Grund dafür ließe sich sagen, daß der Treueid für den Herrn wahrscheinlich eine zusätzliche Sicherung darstellte und ihm die Gewißheit gab, daß der Vasall seine Pflichten wirklich erfüllen würde, denn ein verletzter Eid war eine Todsünde. Aber auch Vasallen konnten Interesse an einem Treueeid haben. Angehörigen der Aristokratie mußte es darauf ankommen, mögliche Verwechslungen mit den Vasallen niederer Herkunft, die zur Leistung weniger ehrenvoller Dienste bestimmt waren, zu vermeiden. Man mußte unterstreichen, daß man als freier Mann dienen würde, und diese Betonung der eigenen Freiheit war wichtig, da die Handgebärde eine Geste der Selbstübergabe war und als eine Entäußerung der Freiheit aufgefaßt werden konnte. Die notwendige Unterscheidung konnte man auf dem Weg über den Eid erreichen.
War der Vertrag einmal geschlossen, so konnte er nicht einseitig aufgekündigt werden. Karl der Große gab eine begrenzte Zahl von Gründen an, die einen Vasallen berechtigten, seinen Herrn zu verlassen. Dazu gehören Angriff auf Leib und Leben, Stockschläge, Schändung oder Verführung der Frau und Tochter, Einziehung eines Eigengutes, Erniedrigung zum Unfreien, Angriff mit erhobener Waffe und Vernachlässigung der Schutzpflicht. Der Herr konnte dem Vasallen ein Benefizium entziehen, wenn er seinen Pflichten gar nicht oder nur mangelhaft nachkam. Normalerweise erlosch die Vasallenbindung mit dem Tod eines der beiden Vertragspartner. Mit mehreren Herren Vasallenbindungen einzugehen war nicht gestattet, der zusätzliche Besitz von eigenem Grund war aber erlaubt.
Ein Benefizium konnte ein Landgut - manchmal von der Größe eines heutigen Dorfes -, mehrere dieser Landgüter oder nur Teile davon umfassen. Es war nichts ungewöhnliches, wenn Königsvasallen zwei bedeutende Landgüter als Benefizium hatten. Übrigens bestanden die Benefizien nicht notwendigerweise aus Landgütern. Wenn die karolingischen Herrscher einem Laien oder einem Geistlichen die Abtwürde eines Klosters verliehen - und sie haben von dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht -, so wurde dieses Amt ebenfalls häufig als Benefizium vergeben.
Um die Mitte des 9. Jahrhunderts begannen die Karolinger sich in weitem Umfang Kirchengüter anzueignen, um sie als Benefizien an ihre Vasallen auszuteilen, so vor allem in Westfranken, Lothringen und Burgund. Von nun an verteilten die Könige ohne große Umstände Güter aus dem Besitz einer Kirche oder eines Klosters als Benefizien an ihre Vasallen. Noch häufiger geschah es, daß die Könige eine Kirche oder ein Kloster aufforderten, eine bestimmte Anzahl von Leuten in ihre Vasallität aufzunehmen und ihnen Güter aus ihrem Grundbesitz als Benefizien zu verleihen. Diese Kirchenvasallen mußten dem König zur Verfügung gestellt werden, sobald er sie brauchte.
In der Mitte des 9. Jahrhunderts vollzog sich eine tiefe Umwandlung, nämlich in Bezug auf die Erblichkeit des Benefiziums. Aber schon früher muß es Fälle gegeben haben, in denen der Herr die Kommendation des Sohnes seines verstorbenen Vasallen empfing und ihm das im Besitz seines Vaters gewesene Benefizium verlieh. Dieser konnte schon zu Lebzeiten diese Regelung mit dem Herrn verabredet haben, und der Herr konnte dafür hoffen, daß sein Vasall ihm noch eifriger dienen würde. Es ist übrigens auch vorgekommen. daß der Herr bei Verleihung eines Benefiziums an einen Vasallen diesem versicherte, daß nach ihm sein Sohn dasselbe erhalten solle. Schließlich wurde es zur Regel, daß der Sohn, falls er dessen würdig war, das Benefizium seines Vaters erhielt. Während der letzten beiden Drittel des 9. Jahrhunderts, die von Unruhen erfüllt waren, vermochte sich der Herr oft nur dadurch, daß er dem Vasallen Hoffnung auf Erfüllung seiner Wünsche machte, wirklich seiner Treue versichern. Vor allem in Westfranken verbreitete sich der Brauch, Benefizien vom Vater zum Sohn übergehen zu lassen, ebenso in der Königreichen Italien und Burgund. Vor allem die bedeutenden, vom König verliehenen Benefizien wurden praktisch erblich. Den Untervasallen wurde die Erblichkeit des Benefiziums noch eine Zeit lang vorenthalten. Im weniger von Unruhen heimgesuchten Ostfranken, wo die Stellung der Herren weniger geschwächt war, fand die Erblichkeit nicht so schnell die allgemeine Verbreitung.
Im Laufe des 9. Jahrhunderts erfuhr noch ein anderer Aspekt der Vasallenbindung eine Umformung. Die strenge Unterordnung des Vasallen unter den Herrn setzte voraus, daß es nur einen Herren gab. Aus dem Wunsch, die Zahl ihrer Benefizien zu vergrößern, lassen sich die Bemühungen der Vasallen um Zulassung mehrfacher Vasallenbindungen zurückführen. Sie hatten aber erst gegen Ende des 9. Jahrhunderts vollen Erfolg.
Die von den Karolingern verfolgte Politik der Vasallität hat die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Die Verbreitung, ihre Eingliederung in die staatlichen Institutionen und die Verleihung von Benefizien in weitem Umfang haben die Stellung des Königs nicht gestärkt. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Viele Untertanen verweigerten die Heerfolge, indem sie sich darauf beriefen, daß ihr Herr nicht dazu aufgefordert worden sei und daß sie ihn nicht verlassen könnten. Als die Regierungszeit Ludwigs des Frommen das Zeitalter der Teilungen und Aufstände einleitete, kam es noch schlimmer. Eine große Zahl von Vasallen aufständischer Herren hielt sich streng an ihre Vasallenpflicht oder suchte in diesen trügerische Vorwände, um ihre Kräfte im Dienst ihrer Herren gegen den Herrscher zu stellen. Für die Vertreter der königlichen Gewalt, also Markgrafen und Herzöge, stellte die Verleihung von Benefizien eine große Versuchung dar, daß sie für die Erlangung dieser Benefizien geneigt waren, nicht nur ihre Pflichten gegenüber dem Staat, sondern auch die, die ihnen aus ihrer Eigenschaft als Königsvasallen erwuchsen, zu verraten. Dadurch, daß die öffentlichen Ämter den Charakter von erblichen Benefizien annahmen, verlor der König weitgehend die Möglichkeit, auf die Vertreter seiner Gewalt einzuwirken. Auf diese Weise verlor die Vasallenbindung einiges von ihrer Brauchbarkeit als Instrument der Herrschaftsausübung. Rechtlich gesehen wurde ein freier Mann durch den Eintritt in die Vasallität nicht von seinen Pflichten gegenüber dem Staat befreit, etwa vom Kriegsdienst, ebenso blieb er der öffentlichen Gerichtsbarkeit unterstellt. Aber überall trat die Person des Herrn neben seinen Vasallen um ihm zu helfen und zu schützen, sie trat sogar zwischen den Staat und den Vasallen. Um den Vasallen zu erreichen, mußte sich der König an den Herrn wenden, um von seiner Gewalt über diesen Gebrauch zu machen zu können.
Zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert erreichte das Lehnswesen seine klassische Ausprägung. Im Gegensatz zur vorangegangenen Epoche haben die Vasallenbindungen zweifellos an Geltung verloren. Ebenfalls gilt als erwiesen, daß diese Bindungen und die Verleihung von Benefizien oder Lehen - um den von nun an geläufigeren Begriff zu verwenden - im 13. Jahrhundert im gesellschaftlichen Gefüge keine so wesentliche Rolle mehr spielten als früher. Trotzdem darf behauptet werden, daß das Lehnswesen in jener Zeit zur vollen Entfaltung gelangte. Es fand sich aber nicht nur in den Nachfolgestaaten des fränkischen Reiches, sondern auch in England durch die Eroberung 1066 durch den Normannenherzog; in begrenztem Umfang auch in Spanien und durch die Kreuzzüge auch im Königreich Jerusalem. Von Deutschland aus verbreitete es sich in die benachbarten slawischen Länder, wo es stark eigenständige Züge annahm. Während dieser ganzen Zeit gab es auch unbelehnte Vasallen. Sie dienten ihrem Herrn, besaßen aber kein Lehen. Umgekehrt hatte man aber nur Anspruch auf ein Lehen, wenn man bereits Vasall war.
Die Vasallenbindungen wurden wie in der karolingischen Zeit durch einen Vertrag begründet. Der erste Teil war die Mannschaft, bestehend aus der Handgebärde und einer Willenserklärung. Hierauf wurde ein Treueeid geleistet, auf den unter Umständen ein Kuß folgte. Der Kuß wurde fast überall, vorallem aber in Frankreich, vollzogen, ist aber für das Zustandekommen des Vertrags nicht nötig. Es werden damit die festgelegten Verpflichtungen lediglich bekräftigt. Man verwendet ihn übrigens auch zur Bekräftigung anderer Verträge.
Die Herrengewalt entsteht aus der Mannschaft. Ursprünglich war es eine unmittelbare und direkte Gewalt über die Person des Vasallen, die lediglich die Würde als freier Mann nicht verletzen durfte. In der klassischen Zeit des Lehnswesen ist diese Gewalt schon merklich reduziert. Sogar gegenüber den tieferstehenden Vasallen läßt sie sich auch in Ländern und zu Zeiten, in denen die Stellung des Herrn sehr stark war, kaum noch in ihrer strengen Form aufrechterhalten. Allgemein bedeutete die Herrschaft des Herrn über die Person des Vasallen für diesen das Gebot des Gehorsams und der Achtung.
Die Pflichten des Vasallen bestanden im Dienst, hauptsächlich im Kriegsdienst zu Pferd. Während des größten Teils des klassischen Lehnswesen lag der Sinn eines vasallitischen Vertrages für den Herrn hauptsächlich im Waffendienst des Vasallen. Er nimmt Vasallen auf, um sie als Ritter zu seiner Verfügung zu haben. Das Lehnswesen hat also in erster Linie militärischen Charakter. Manche Vasallen waren nur persönlich zum Kriegsdienst verpflichtet, andere dagegen mußten eine bestimmte Anzahl von Rittern mitbringen, die sie im allgemeinen aus der Schar ihrer eigenen Vasallen, also den Untervasallen ihres Herren rekrutierten. Vom 11. Jahrhundert an richtete sich der Waffendienst im allgemeinen nach der Bedeutung des Lehens, das der Vasall jeweils innehatte, ausgenommen England, wo das Königtum gemäß der Struktur seines Heeres die Bedingungen selbst festsetzte. In England, wo das Königtum seine Herrschaft über das Vasallenwesen zu erhalten vermochte, gilt die - übrigens bisweilen durchbrochene Regel -, daß der Herr seine Vasallen nur zum Dienst für den König zu den Waffen rufen darf. Selbst die Art des Waffendienstes konnte variieren. Zum Beispiel unterschied man in Frankreich und England zwischen Heerfahrt und Reiterzug. Ersteres war ein bedeutendes kriegerisches Unternehmen, während das Zweite von kurzer Dauer und gelegentlich sogar nur ein einfacher Geleitdienst war. In Deutschland kam in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Romfahrt dazu, daher der Zug, den der König unternahm, um dort zum Kaiser gekrönt zu werden. Der Vasall ist auch verpflichtet, seine Burg, falls er eine solche besitzt, offenzuhalten und dem Herrn auf Geheiß zur Verfügung zu stellen. Die Vasallen waren bemüht, die Dauer ihrer Leistungen einzuschränken. Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts hat sich allgemein durchgesetzt, daß der Vasall nur eine bestimmte Anzahl von Tagen, oft vierzig, dienen mußte und daß der Herr über diese Frist hinaus nur gegen Zahlung eines Soldes über seinen Dienst verfügen konnte. Es kommt auch vor, daß Dienste völlig anderer Art vorgesehen sind wie etwa die Aufgaben in der Verwaltung des Grundbesitzes, höherer Ämter im Haus des Herrn, Überbringungen von Botschaften, Geleit und andere. Der Waffendienst wurde manchmal durch Zahlung einer Geldsumme, dem Schildgeld ersetzt. Diese Steuer gab dem Königtum die Mittel zur Schaffung eines Söldnerheeres in die Hand, das zu jener Zeit einem Vasallenheer an Beweglichkeit und Zuverlässigkeit überlegen war. Der Vasall war in vier Fällen auch zu finanziellen Leistungen verpflichtet: Zahlung des Lösegeldes für den gefangenen Herrn, Ritterschlag des ältesten Sohnes, Aussteuer der ältesten Tochter und Fahrt des Herrn ins heilige Land. Dem Herrn mit Rat beistehen ist übrigens auch eine Form des Dienstes. Diese Leistung implizierte für den Vasallen die Pflicht, den Herrn auf Geheiß aufzusuchen. Es ist dies die deutsche Hoffahrt.
Der Herr schuldetet seinen Vasallen Schutz und Unterhalt. Dies läuft darauf hinaus, daß der Herr gehalten wart, dem Ruf seines Vasallen Folge zu leisten, falls dieser ungerechtfertigt angegriffen wurde und daß er ihn gegen seine Feinde verteidigen mußte. Unter Umständen mußte er diesen auch vor Gericht verteidigen. Zu den Pflichten des Herrn gehört es ebenfalls, dem Vasall mit seinem Rat beizustehen und ihm zu seinem Recht zu verhelfen. Den Unterhalt, den der Herr leisten mußte, gewährte er dem Vasallen hauptsächlich, um ihn in die Lage zu versetzen, Dienst zu leisten, insbesondere den Waffendienst, den er von ihm erwartete. Dieser Unterhalt konnte wie in früherer Zeit auf zwei verschiedene Arten gewährt werden. Der Herr kann den Vasallen direkt an seinem Hof unterhalten oder, wie dies meistens geschah, ihm ein Lehen gewähren. Ursprünglich schloß die Verleihung eines Benefiziums nicht notwendigerweise andere Formen des Unterhalts aus. Hieran erinnert noch ein Brauch, nach dem die Herren ihren Vasallen jedes Jahr Kleidungsstücke schenken mußten.
Wie bereits erwähnt, hatte der Vasall ursprünglich nicht das Recht, den Vertrag, der ihn an seinen Herrn band, einseitig zu kündigen, außer wenn dieser seine Macht gegen ihn mißbrauchte. Daran hatte sich bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts nichts geändert. Seit dem Ende desselben Jahrhunderts, ganz sicher aber seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts ist es möglich, daß ein Vasall seine Bindung löst, vorausgesetzt, daß er seine Entscheidung unter Beachtung einer bestimmten Form bekanntgibt und auf sein Lehen verzichtet. Sehr häufig wurden Streitigkeiten, die sich aus Vertragsverletzungen entstanden, mit den Waffen entschieden. Die wirksamste Sanktion des Herrn war natürlich die Einziehung des Lehens. Dies war die notwendige Folge der Treueaufsagung, denn die Voraussetzung für die Gewährung von Lehen war ja das Vorhandensein vasallitischer Bindung. Die Treueaufsagung an den Herrn auf Grund einer schweren Vertragsverletzung seinerseits wirkte sich ebenfalls auf das Lehen aus: in einem solchen Fall wurde der Herr des Herrn, dem die Treue aufgesagt worden war, als Geber dieses Lehens angesehen. Gab es keinen Oberlehnsherr, so behielt der Vasall ohne weiteres das Lehen.
War jemand Vasall mehrerer Herren, so mußte er demjenigen am meisten dienen, von dem er das größte Lehen empfangen hatte. Manchmal räumte man dem ersten Herren den Anspruch auf die Dienste des Vasallen ein. In Frankreich setzte sich das System der Ligesse durch. Es kam dort um die Mitte des 11. Jahrhunderts auf, später auch anderswo: Von verschiedenen Herren hatte einer eine Sonderstellung. Diesem mußte der Vasall mit der ganzen Hingabe dienen.
Das Lehen selbst bestand meist aus Ländereien von unterschiedlicher Ausdehnung. Sogar ein Schloß unabhängig von Grund und Boden konnte ein Lehnsobjekt sein. Darüber hinaus konnte eine Würde, ein Amt oder ein Recht Gegenstand der Belehnung sein. Es war durchaus möglich, daß das Lehnsobjekt in einem Recht auf ein Einkommen bestand, auf eine regelmäßig zu zahlende Summe, auf eine Rente, wie man seit dem 13. Jahrhundert sagte. Dies war das sogenannte Kammerlehen. Sehr verbreitet war im 10. und 11. Jahrhundert die Verleihung von Kirchen und Klöstern an weltliche Vasallen, um diese in den Genuß der Einkünfte aus den dazugehörigen Gütern oder direkt aus der Ausübung des Amtes, zu setzen. Einkünfte aus kirchlicher Herkunft gehörten auch zu den begehrtesten Lehnsobjekten. In den Gebieten links und rechts der Rhone begegnet seit dem 12. Jahrhundert ein ganz bestimmter Typ privilegierter Lehen, die Freilehen. Im allgemeinen war der Vasall, der ein Freilehen hatte, zu nichts anderem verpflichtet als seinem Herrn die Treue zu halten und ihm seine Burg, wenn eine solche zum Lehen gehörte, bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. In Deutschland gibt es Lehen, die als Burglehen bezeichnet werden. Sie gehören einem Vasallen, der auf der Burg seines Herrn die Burghut versieht.
Die Investitur: Es war nach den Rechtsvorstellungen des frühen und hohen Mittelalters eine handhafte, beinahe immer versinnbildlichte Handlung erforderlich, um ein Recht zu begründen oder zu übertragen. Im Falle des Lehnswesen war diese symbolische Handlung, durch die die Belehnung vollzogen wurde, die Investitur. Sie bestand in der Übergabe eines sinnbildlichen Gegenstandes durch den Herrn. Solche Symbole waren das Szepter, der Stab, ein goldener Ring, ein Messer, ein Handschuh und so weiter.
Dem Vasallen gehörten ursprünglich nur die Erträge des Lehens. Er durfte es in seiner Substanz nicht verändern, er durfte es weder aufteilen noch seinen Wert auf irgendeine Art und Weise verändern. Abgesehen vom Verbot der Wertverschlechterung, das im allgemeinen seine Gültigkeit behielt, gelang es den Vasallen im Laufe der Zeit, ihr Recht am Lehen von fast allen Beschränkungen zu befreien.
Die Zeit des klassischen Lehnswesen ist nun schon lange vorbei, doch vielleicht lebt auch noch ein gewisses Erbe jener Zeit in uns weiter. Wir sind uns dieses Erbes kaum bewußt und dennoch hat es Realität. Wenn sich jemand verpflichtet, eine Sache mit Rat und Tat zu unterstützen, denkt er dann daran, daß er sich wie ein mittelalterlicher Vasall zu consilium und auxilium verpflichtet? Die Institutionen des Lehnswesen bestehen nicht mehr, wohl aber bestimmte Arten zu leben, zu denken und zu fühlen.
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