Fragestellung: Ist es für uns möglich, übereinstimmende auditive Beurteilungen einer
Stimmstörung zu treffen?
Um dieses Experiment durchzuführen, mußte gewährleistet sein, daß alles was auditiv beurteilt werden sollte, in ähnlichen Bezug zueinander steht. Folglich mußte ich Sprachsignale auswählen, in denen der gesprochene Text immer der selbe war.
Die im folgenden verwendete Sprachsignale sind in einer Signaldatei im Institut für
Phonetik der Johann Wolfgang Goethe-Universität unter folgenden Kürzel abgespeichert.
Jeder Sprecher spricht den Satz: \"Einst stritten sich Nordwind und Sonne wer von ihnen
beiden wohl der Stärkere wäre.\"
5.1 Sprachsignale
Aufnahme: Sprachsignal: Stimme:
1.) g1w tim (weiblich, ? Jahre) modale Stimme
2.) B3a 15 REC (weiblich, 68 Jahre) Recurrensparese
3.) B3a 31 HYP (männlich, 30 Jahre) Hyperfunktionelle Dysphonie
4.) B3a 32 HYP (weiblich, 20 Jahre) Hyperfunktionelle Dysphonie
5.) B3a 23 REC (männlich, 35 Jahre) Recurrensparese
6.) B2a 32 HYP (weiblich, 62 Jahre) Hyperfunktionelle Dysphonie
7.) g2m tim (männlich, ? Jahre) modale Stimme
8.) g1m tim (männlich, ? Jahre) modale Stimme
9.) B2a 29 REC (weiblich, 54 Jahre) Recurrensparese
10.) B2a 44 HYP (männlich, ? Jahre) Hyperfunktionelle Dysphonie
11.) B2a 3 REC (männlich, 43 Jahre) Recurrensparese
12.) g2w. tim (weiblich, ? Jahre) modale Stimme
5.2 Anleitung und Durchführung
PROTOKOLL FÜR AUDITIVE BEURTEILUNGEN VON STIMMSTÖRUNGEN
Folgendes Protokoll wird an die Seminarteilnehmer mit der Aufforderung ein Kreuz zu
setzen für \"Ja, das trifft zu!\"
Aufnahme Auditive Urteile
modal behaucht knarren rauh weich Tonhalten nasal gepreß hoher
d t Luftverbrauc
stabil h
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Zwölf, den Teilnehmern unbekannte Sprachsignale (siehe 5.1), wurden nacheinander ohne Unterbrechung von einem DAT-Band abgespielt.
Nach einmaligem Hören des kompletten Bandes mit allen zwölf Sprachsignalen wird jedes
Sprachsignal einzeln erneut und in mehrmaliger Wiederholung vorgespielt. Nach jedem Signal
gab es eine Pause, in der die Teilnehmer Zeit hatten um den Protokollbogen auszufüllen.
Nach dem Hören der zwölf Signale und Ausfüllen des Protokollbogens, wurden die
Protokollbögen eingesammelt.
Anschließend wurde das Band erneut abgespielt. Die Teilnehmer bekamen bei den
einzelnen Sprachsignalen mitgeteilt, ob es sich um eine modale Stimme, eine Stimme mit
Recurrensparese oder um eine Stimme mit einer Hyperfunktionellen Dysphonie handelt.
5.3 Ergebnisse
Auswertung der Protokolle:
Zahlen in Tabelle entsprechen: x von 11 Teilnehmern
Aufn. Auditive Urteile
modal behaucht knarrend rauh weich Tonhalten nasal gepreßt hoher
Luftverbrauch Summe
stabil
1. 11 1 0 0 0 9 0 1 2 24
2. 0 10 0 5 4 0 0 8 11 38
3. 9 2 3 3 1 11 1 1 0 31
4. 6 1 1 5 1 6 1 1 1 23
5. 0 7 5 7 2 0 0 5 3 29
6. 2 1 7 5 1 5 2 4 2 29
7. 9 1 0 0 3 10 4 0 1 28
8. 6 3 0 3 3 6 1 1 1 24
9. 0 9 8 4 1 1 0 7 8 38
10. 6 9 8 4 1 1 0 7 8 44
11. 1 6 2 6 3 3 1 4 8 34
12. 10 1 0 1 1 8 0 2 1 24
5 4,25 2,83 3,58 1,75 5 0,83 3,42 3,84
(Mittelwerte in letzter Zeile)
Als eindeutig modal konnten die Teilnehmer die Aufnahme 1 (gesunder Sprecher) erkennen.
Alle 11 Teilnehmer setzten hier ein Kreuz für modal. Die höchsten Mittelwerte der gesetzten Kreuze liegen in den Urteilen modal und Tonhalten stabil.
Bei den Aufnahmen 1,3,7 und 12 ist die Anzahl der gesetzten Kreuze in diesen beiden Beurteilungen hoch. Daraus kann man schließen, daß modal und Tonhalten Stabil am leichten zu erkennen waren. Der Mittelwert lag bei 5.
Besonders schwer waren offensichtlich nasal mit einem Mittelwert von 0,83 sowie weich
mit einem Mittelwert von 1,75 zuzuordnen.
Die Aufnahmen 1, 7 und 12 stammten von von gesunden Sprechern.
Aufnahme 3 dagegen war die Stimme eines an Recurrensparese erkrankten Sprechers.
Ebenso eindeutig wurde die Aufnahme 2 (Recurrensparese, sehr stark) beurteilt.
Für hoher Luftverbrauch und behaucht wurden hier die meisten Kreuze vergeben.
Unklar bzw. nicht eindeutig war der auditive Eindruck für die Aufnahme 10 (Hyperfunktionelle Dysphonie). Die Beurteilungen gehen hier weit auseinander.
An der Tabelle läßt sich auch ein Lernverhalten im Laufe der gehörten Aufnahmen beobachten. Den Teilnehmern fiel es nach eigenen Angaben im Laufe des Experiments immer leichter, eine kranke Stimme von einer gesunden zu unterscheiden. Schwierigkeiten gab es nur noch in den Unterscheidungen der Feinheiten. (z.B. rauh vs. gepreßt ....)
Das Experiment zeigte, daß es offenbar nur eingeschränkt möglich ist, eine Stimmstörung
rein auditiv übereinstimmend zu beurteilen.
Bei den feinen Differenzierungen z.B. rauh vs. gepreßt konnten zwar auch vereinzelt Übereinstimmungen festgestellt werden, die Unterscheidung von kranker und modaler Stimme fällt jedoch am leichtesten.
Interessant wäre ein weiteres Experiment mit der gleichen Fragestellung, aber einem
breiteren Feld der Wahlmöglichkeiten der auditiven Urteile sowie mehr Teilnehmern um
die statistische Repräsentanz zu gewährleisten.
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