Heraklit wurde in Ephesos an der Küste Kleinasiens geboren und leitete dort eine Blütezeit der Philosophie ein. Von seinen Zeitgenossen und den Philosophen, auf die er nachhaltig wirkte, wird er jedoch eher als "dunkle" Person beschrieben, die vermutlich aus Arroganz heraus - er selbst war Aristokrat - Abstand von vielen seiner Mitmenschen hielt. Jedoch brachte er mit seinen Betrachtungen über die Welt, das Leben und das Schicksal die vorsokratische Philosophie entscheidend voran. Sein Leitmotiv war dabei die Erkenntnis, daß alles fließe. Die Welt, so wie wir sie sehen, befindet sich in einem ewigen Fluß. Alles Seiende ist in ständiger Bewegung, und genau das ist, was es auch ausmacht. Das Sein ist im Werden zu finden. Für Heraklit war das Arche also übertragen auf die Weltanschauung der ionischen Naturphilosophen die Veränderung, das Werden. In diesem Zusammenhang ist auch folgender Ausspruch von ihm zu verstehen: "Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen." Denn als Verkörperung seiner Theorie unterliegt der Fluß wie alles andere Seiende auch ständiger Veränderung, und deshalb ist es uns unmöglich, ihn zweimal im selben Zustand vorzufinden, zumal wir und unsere Wahrnehmung ja zwangsläufig auch im Werdenprozeß integriert sind und selbst keinen (offensichtlichen) Unterschied als Wandel aufgrund unseres Wandels interpretieren würden.
Aber wieso muß sich alles Seiende einem ewigen Wandel unterwerfen? Alles Seiende, was sich uns als Einheit präsentiert, ist nach Heraklit nichts anderes als eine Fülle von gegensätzlichen Eigenschaften, die sich in ihrer Gesamtheit gesehen in einem Gleichgewicht befinden. Dieses Gleichgewicht ist jedoch nicht statisch, sondern kann durch das störende Element des Feuers sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht beeinflußt werden. Und da das Feuer allgegenwärtig ist, findet im Seienden wie im Universum jedoch im Kleinen ein Kampf der Prinzipien statt, die uns jedoch in unserer eingeschränkten Wahrnehmung in ihrer Größe verschlossen bleibt und nur in einer geringfügigen Strukturänderung des Seienden im Laufe der Zeit offenbart wird. Dieses von Gegensätzen geformte Innenleben des Seienden, das ja zuvor schon von Thales in ähnlicher Weise angesprochen wurde, regelt also das Werden und die Wiederkunft der Dinge und offenbart uns so eine für das Seiende charakteristische Einheit, die uns unsere Welt so sehen läßt, wie wir sie sehen. Dieses Prinzip tituliert Heraklit mit dem Begriff des Logos. Logos ist also die Einheit in der Verschiedenheit, die voller Leben steckt und so das Werden voran bringt. Für Heraklit ging mit dieser Erkenntnis nur konsequenterweise eine Absage an den Mythos einher. Logos bedeutet Gott, denn das Feuer kontrolliert das Sein durch das Werden. Heraklit selbst soll auch mal gesagt haben: "Es ist immer ein und dasselbe, Lebendiges und Totes, das Wache und das Schlafende, Jung und Alt. Wenn es umschlägt, ist es jenes, und jenes wieder, wenn es umschlägt, dieses." Jede Eigenschaft und ihr Gegenteil sind nach Heraklit also miteinander identisch und nur der Inbegriff von Harmonie.
Mit seinen Theorien stieß Heraklit aber auch auf viel Kritik. So soll Aristoteles einmal behauptet haben, daß es nach Heraklit keine Wahrheit und somit auch kein Wissen, keine Wissenschaft, ja keine Philosophie geben könne, denn jeder Versuch, bleibende, wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen, ist im Fluß der Realität zum Scheitern verurteilt und schon in der nächsten Sekunde ad absurdum geführt. Daß Heraklit selbst aber trotzdem kein Nominalist war, erkennt man schon daran, daß er hinter allem immer eine harmonische Ordnung sah. Diese übergeordnete Einheit, den Logos, läßt, so wie wir das Seiende wahrnehmen, das Anlegen von Schemen und wissenschaftliche Betrachtungen schon zu.
Aber was läßt uns eigentlich das Seiende in so vollendeter Harmonie erscheinen? Damit beschäftigen sich die Eleaten Xenophanes, Parmenides und Zenon, die mitunter eine derart extreme Gegenposition zu Heraklit einnehmen, wie sie unterschiedlicher schon nicht mehr sein kann.
|