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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Denken

Gott



In enger Anlehnung an die stoische Philosophie bezeichnet Seneca den einzigen Urgrund allen Seins, seinen Begriff von Gott (auch die Materie wird von diesem geformt) als Ratio faciens (= schaffende Vernunft).
Dieser Gott ist die Kraft durch die das Chaos, die Materie, die in Unordnug liegt, geordnet wird. Gott ist also das formende Prinzip, der "rerum formator".
Auch wenn Seneca häufig den plural "die" verwendet, meint er damit nicht die Personalisierung, noch weniger will er damit eine Vielzahl von Göttern bezeichnen. Die Vertreter der alten Stoa haben den Polytheismus der Volksreligion mit dem Pantheismus dadurch zu verbinden versucht, indem sie die griechischen Götter als verschiedene Erscheinugswesen der einen und selben Vernunftsgottheit erklärten, die fälschlicherweise als eine Vielzahl von Göttern angesehen würden.
Weiters liege es in der naturbedingten Anlage dieser Gottheit den Menschen Gutes zu tun. Das Wissen um diese Güte muß den Menschen zu einer Einsicht und damit zu einer gewissen Verhaltensform führen. Schicksalschläge sind gottgewollt, aber kein Übel, weil dieses Unglück möglicherweise höheren Zwecken dient, welches der Mensch in der momentanen Situation nicht einsehen kann. Die Gottheit dient den Menschen und nicht umgekehrt, daher sind Kulthandlungen wie Opfer, Tempelbesuche etc. überflüssig. Allerdings hat die Gottheit das Einzelschicksal nach dem Gesetz der Naturnotwendigkeit unabänderlich festgelegt. Die einzige Freiheit des Menschen besteht darin, daß er den Beschlüssen dieser Gottheit aus innerster Überzeugung und ihrer willigen Annahme zustimmt.
Gott ist nicht nur ein außerhalb des Menschen existierendes Prinzip, sondern auch in uns selbst existent. Das verbindende Element zwischen Gott und Mensch ist die "ratio". Sitz der "ratio" ist der "animus".
Gott besitzt die Vernunft in vollendeter Form, im Menschen ist sie zur Vervollkommnung angelegt. Diese vollkommene Vernunft ist Voraussetzung zum vollkommenen Glück. Diese Vollkommenheit beruht bei den Menschen auf einem Prozeß, auf eigener Leistung, den Göttern ist sie von Natur aus. Daher haben die Götter den Menschen nur ihre Unsterblichkeit voraus.

 
 

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