Im 20. Jahrhundert verschärft sich die Notwendigkeit einer philosophischen Auseinandersetzung mit ethischen Fragen. Die Intensivierung des Kulturkontaktes, der tendenzielle Übergang zur Weltherrschaft, der weltweite Informationstransfer durch die Medien, die rasante gesellschaftliche Entwicklung im Gefolge des technologischen Fortschritts und die Beschleunigung des Kulturwandels bewirken einen gegenüber vergangenen Jahrhunderten vertieften und rascheren Traditionsverlust. Ein eindrückliches Beispiel dieser (technischen) Entwicklung sind die Methoden der logischen Analyse und der Sprachanalyse, die im 20. Jahrhundert entwickelt worden sind.
Ein weltumspannendes Informationsnetz konfrontiert das Individuum mit moralischen Fragen von brisanter Aktualität und historisch bisher kaum gekannter Grundsätzlichkeit. Nach der Meinung der vergleichenden Verhaltensforscher, wie etwa Konrad Lorenz, ist aber das natürliche moralische Empfinden des Menschen nur für den Nahbereich entwickelt. Was weiter entfernt ist, betrifft uns wenig.
Die Entwicklung der Technik hat dazu geführt, dass unsere Möglichkeiten, in der Natur, sowohl unserer Umwelt als auch des Menschen selbst, einzugreifen, derart zugenommen haben, dass die traditionelle Ethik, die hauptsächlich eine Ethik des individuellen Handelns war, nicht mehr ausreicht.
In der Postmoderne (unser Zeitalter) gibt es keine geschlossene Gesamtdeutung des Lebens mehr und keine Ausrichtung auf ein universales, die Menschheit umfassendes Ziel, wie es etwa die Aufklärung beinhaltet. Die philosophische Leitfigur unserer Zeit ist nicht der Metaphysiker, sondern dessen Widerpart, der Skeptiker. Dieser ist sich bewusst, dass es nichts Endgültiges zu wissen gibt, dass alles Wissen fragwürdig und vorläufig ist und das die Wahrheit von heute der Irrtum von morgen sein kann.
Philosophie wird lebendig sein, solange Liberalität, Toleranz, kritisches Über-den-Dingen-Stehen, Offenheit und Redlichkeit gefragt sind; sie unterstützt die demokratischen Prinzipien Recht und Gerechtigkeit, offene Verwaltung und soziale Hilfe, freie Wahlen und Pluralität.
|