Worin besteht nun die Sichtweise, die Buddha während seiner Erleuchtung erlangte?
Seine Einsicht selbst wird \"Dharma\" genannt. Im Sanskrit bedeutet dieses Wort in etwa \"die Wahrheit, die Buddha zuteil wurde\". Eigentlich ist das Wort jedoch unübersetzbar, denn Dharma ist nicht allein mit dem Verstand zu erfassen. \"Dharma ist das \'Weltgesetz\' im umfassenden Sinn . . . Der Begriff bezeichnet also nicht nur die kosmische, sondern gleichermassen die moralische Ordnung. Ausserdem werden die grundlegenden, unteilbaren Bestandteile, aus deren geordnetem Zusammenwirken sich die Gesamtheit des bewegten Universums ergibt, als Dharmas bezeichnet.\" Dharmas sind zum Beispiel die Bestandteile des Universums, Farben, Töne, Willensregunen, Bewusstsein, Nichtwissen, Schönheit, Krankheit, Hunger, Werden, Altern, Sterben. Der ganze Mensch ist davon betroffen, und das heisst letztendlich, dass Dharma nur erlebt werden kann.
Nach buddhistischer Auffassung ist die Wurzel des Leides die Unwissenheit und das daraus erwachsende Begehren. Unwissenheit aber muss, so Buddha, durch die differenzierende Macht der Weisheit überwunden werden. Hören, Meditieren und Nachdenken sind es, die den buddhistischen Jünger Zeit seines Lebens beschäftigen, um zur \"rechten Erkenntnis\" zu gelangen.
Nach Buddhas Ansicht ist das Leben ein unaufhörlicher Wirbel von Bewegungen, Kämpfen und ausufernden Prozessen. Nirgends ist Ruhe, nirgendwo herrscht Frieden - ein ständiges Werden und Vergehen. Auf nichts ist wirklich Verlass, denn alles, was uns beständig erscheint, ist in Wahrheit vergänglich - ein furchterregender Zustand für uns Menschen.
In dieser rastlosen Unbeständigkeit erkannte Buddha den Grund des leidvollen Kreislaufes allen Erdenlebens von Vergänglichkeit und Werden, den es zu durchbrechen galt. Wenn sich alles wandelt, dann kann es sich immer auch zum Besseren wenden, allerdings nie beständig. Der Mensch bewegt sich also ähnlich der Strömung von Ebbe und Flut vom Schlechten zum Guten hin und umgekehrt. Sein Leben gleicht einem Kreis, in dem sich die Gegensätze aufheben - ein unerbittlich gleichmässiger Zyklus von Leben und Sterben, in dem Entwicklung im Grunde nicht möglich ist, ein perpetuum mobile von mechanischer Präzision, das die Entwicklung des in seiner materiellen Hülle gefangenen menschlichen Geistes verhindert.
Vor diesem Hintergrund muss man auch die buddhistische Ueberzeugung sehen, dass der Mensch auf seinen Wanderungen durch unendlich viele Wiedergeburten nie ein echtes Selbst besitzt. Bei jedem neuen Erdenleben verbrennt das jeweils angesammelte negative Karma (Schuld) aus dem vorangegangenen Dasein. Die menschliche Existenz ist folglich - wie sehr wir uns subjektiv auch als Individuen erleben mögen - nur der auflodernde Verbrennungsprozess des Karmas, sozusagen das Abarbeiten einer in vorangegangenen Leben erworbenen Schuld. Das restlose Erlöschen dieser Flamme ist das Ziel des Buddhismus und wird Nirwana genannt.
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