Dedekind äußerte sich 1880 über seine Motive und Grundideen. Zum ersten wollte er Grundeigenschaften der als anschaulich gegeben angesehenen natürlichen Zahlenreihe aufsuchen, also solche die sich nicht aus den übrigen ableiten lassen, aus denen aber alle anderen Eigenschaften der Grundzahlenreihe folgen. Zweitens wollte er deren Zusammenhänge noch deutlicher hervorheben lassen, also den strukturellen Aspekt sichtbar machen. Peano verfeinerte Dedekinds Arbeit
(1) 1 ist eine natürliche Zahl ; 1
(2) zu jeder Zahl a gibt es genau einen Nachfolger a
(3) für alle a gilt a ≠ 1
(4) es seien a , b . Aus a b folgt a b
(5) es sei M , 1 M. Aus m M folge m M. Dann gilt M
Alle fünf Axiome sind notwendig und vollständig. Man sagt auch, die natürlichen Zahlen mit den genannten Eigenschaften und Relationen bilden ein Modell des Axiomensystems.
Nun nachdem die natürlichen Zahlen "axiomatisiert" waren, musste man daran gehen eine Konstruktion des Kontinuums zu geben, d.h. des Systems der reellen Zahlen, um zu zeigen, wie es von den natürlichen Zahlen ausgehend aufgebaut werden konnte. Zu diesem Zweck schlugen Dedekind, Weierstraß und Georg Cantor drei verschiedene Methoden vor. Alle drei verwendeten eine unendliche Menge rationaler Zahlen, um eine reelle zahl zu definieren oder zu konstruieren. So führte das Bemühen, die Analysis und Geometrie zurückzuführen, dazu, unendliche Mengen in die Grundlagen der Mathematik einzuführen. Die Mengenlehre war von Cantor als ein selbstständiger Zweig der Mathematik entwickelt worden. Es schien, dass die Idee einer Menge so einfach und fundamental war, dass sie zum Aufbau der ganzen Mathematik dienen konnte. Selbst die Arithmetik konnte über die Mengenlehre erfasst werden, denn Frege zeigte, wie die natürlichen Zahlen aus der leeren menge konstruierbar sind, indem Operationen der Mengenlehre verwendet werden. Anfänglich erschien die Mengenlehre fast ident mit der Logik. Die mengentheoretischen Relationen der Inklusion, A ist eine Teilmenge von B, ist anders geschrieben ja immer die logische Relation der Implikation: "Wenn A, dann B". So schien es also möglich, die Logik der Mengenlehre als Grundlage der gesamten Mathematik zu etablieren. Hier bezieht sich "Logik" auf die fundamentalen Gesetze der Vernunft den Grundlagen unseres Universums. Z.B. das Gesetz des Widerspruchs oder die Regeln der Implikation. Könnte man zeigen, dass die ganze Mathematik nur eine Weiterführung der Gesetze der Logik ist, wäre damit gewissermaßen der Platonismus bestätigt, da dies der übrigen Mathematik die Gewissheit der Logik verleihen müsste. Dies versuchten Alfred North Whitehead (1861-1947) und Bertrand Russell (1872-1970), in ihrem logiszistischen Programm, dargelegt in der berühmten Principia Mathematica ("das beste Beispiel für ein unlesbares Meisterwerk"). Es war jedoch Russel selbst, der entdeckte, dass der scheinbar so transparente Begriff der Menge Fallgruben bereithielt.
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