Die meisten der oben genannten Werkstätten gab es auch an jeder \"normalen\" Kunstgewerbeschule, während die Einrichtung einer Bühnenklasse keine Vorbilder hatte. Obwohl im ursprünglichen Lehrplan keine Bühne vorgesehen war, berief der Meisterrat den expressionistischen Maler und Bühnenkünstler Lothar Schreyer Ende 1921. Schreyer gehörte wie Johannes Itten, Georg Muche und Paul Klee zum Kreis der \"Sturm\"-Künstler, hatte sich aber auch mit Bühnenfragen auseinandergesetzt.
Er beabsichtigte ein kultisches Gesamtkunstwerk, bei dem die Bühne zu einer Stätte der Reinigung und der Erlösung des Menschen werden sollte. Die Spieler agierten mit symbolbeladenen Bewegungen und Klängen, oft in überlebensgroßen Ganzmasken. Dies war eine Deutung des Theaters, welcher die Mehrheit der Bauhäusler nicht zustimmen konnte. Bei einer Probeaufführung des \"Mondspiels\" kam es 1923 zum Eklat, der Schreyer veranlaßte, die Leitung der Bühnenwerkstatt niederzulegen und das Bauhaus zu verlassen.
Oskar Schlemmer, der nach ihm die Bauhausbühne übernahm, hatte sich bereits Jahre zuvor mit Fragen des modernen Tanztheaters befaßt und zwischen 1916 bis 1922 das \"Triadische Ballett\" entwickelt. Es war kein Ballett im herkömmlichen Sinne, sondern eine Kombination aus Tanz, Musik, Kostüme und Musik, wobei die Tänzer als Figurinen verkleidet waren. Die Kostüme waren so beherrschend, daß der Tänzer stark in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt war.
In der Bauhausbühne unter Schlemmer wurden Masken, Kostüme und Requisiten angefertigt, theoretische Studien über die Bedingungen der Bühnenarbeit angestellt, Bewegung studiert und nicht zuletzt fanden Aufführungen statt, die sowohl im Bauhaus selbst als auch auf Gastspielreisen stattfanden und dem Bauhaus damit viel Resonanz verschafften.
Wichtigster Schauplatz der Bauhausbühne war die Aula des Bauhausgebäudes in Dessau. Dort wurden Schlemmers \"Bauhaustänze\" aufgeführt, aber auch Kandinskys \"Bilder einer Ausstellung\" nach der Musik von Modest Mussorgsky. Bei den legendären Festen wurde regelmäßig die Bühne einbezogen, wobei die Bauhauskapelle eine große Rolle spielte. In der Ära Hannes Meyer und nach dem Ausscheiden Schlemmers 1929 wurde die Bauhausbühne auch zum Schauplatz eines politisch-agitatorischen Theaters.
Die Bühne war Begegnungsstätte des Lebens und Arbeitens am Bauhaus, das zeigt sich allein schon daran, daß die Bühne des Dessauer Bauhauses den Werkstättentrakt mit dem Studentenwohnheim verband.
|