Bereits lange vor dem Waffenstillstand vom 30. Mai in London gab es An¬zeichen für einen neuen Zwist auf dem Balkan. Von Beginn des ersten Balkan¬krieges an versuchte Rumänien, das bis jetzt keine Rolle gespielt hatte, eben¬falls von der Niederlage der Türken zu profitieren. Es forderte von Bulgarien als Entschädigung für dessen Eroberungen eine Veränderung der südliche Grenze und insbesondere die Abtretung der Festung Silistra, deren Bevölke¬rung rein bulgarisch war. Im Januar 1913 spielte die rumänische Regierung sogar mit dem Gedanken, die geforderten Gebiete ohne Kriegserklärung mit Gewalt in Besitz zu nehmen. Anfang Mai war die bulgarische Regierung dann auch bereit, Silistra mit einem kleinen Gebietsstreifen abzugeben, aber Rumä¬nien wies dieses Angebot als zu geringfügig zurück.
Noch bedrohlicher erschien der scheinbar kurz bevorstehende Zusam¬menbruch der antitürkische Koalition. Die serbische Regierung fürchtete, dass Bulgarien den Vertrag vom März 1912, den Grundstein der Balkanallianz, nicht anerkennen könne und selbst einen Großteil Makedoniens okkupiere. Ein strit¬tiger Punkt war ferner der Besitz Salonikis. Schon im März und dann wieder im Mai brachen teilweise kurze Feuergefechte zwischen griechischen und bulgari¬schen Soldaten im Strumatal aus.
Zu dieser Situation kam außerdem noch die Tendenz Serbiens und Grie¬chenlands, sich gegen Bulgarien zu verbünden. Im Januar 1913 trafen sich Kronprinz Alexander von Serbien und Prinz Nikolas von Griechenland in Sa¬loniki und verhandelten über eine Allianz, um auf einen möglichen Angriff Bul¬gariens vorbereitet zu sein. Am 1. Juni wurde dieser serbisch - griechische Vertrag unterzeichnet. Darin wurden die Grenzen festgelegt, die Serbien und Griechenland im Falle eines Sieges über Bulgarien fordern würden. Beide Staaten begannen umgehend, die Türkei für ihre Pläne zu gewinnen.
Bulgarien befand sich nun in einer sehr schwierigen Lage. Zum einen war es außenpolitisch isoliert und durch die Feindschaft der Nachbarländer be¬droht. Gleichzeitig forderten aktive makedonische Emigranten in Bulgarien, den serbischen und griechischen Gebietsforderungen bezüglich Makedoniens nicht nachzugeben . Da eine diplomatische Aufteilung des Gebiets aufgrund der "Unersättlichkeit der balkanischen Vertreter" fast unmöglich schien, entschloss sich das bulgarische Hauptquartier, nun in einer militärischen Blitzaktion ein fait accompli zu schaffen. Geplant war die rasche Inbesitznahme Makedoniens mittels eines gleichzeitigen Aufmarsches gegen die Ser¬ben und Grie¬chen. In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni begann der so¬genannte 2. Balkan¬krieg durch einen Über¬ra¬schungsangriff gegen die Ser¬ben .
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