"Sichtvermerke und Zwangsumtausch, Gesichts- und Gepäckkontrolle, Beschlagnahmungen von Zeitschriften und peinliche Befragung nach Ziel oder Zweck der Reise vermittelten den Einreisenden aus dem Westen regelmäßig das Gefühl, rechtlose Bittsteller, ertappte Halbkriminelle oder unerwünschte Eindringlinge zu sein."
Dieses Zitat von Prof. Dr. Münz aus dem Jahre 1999 zeigt meiner Meinung nach sehr gut die soziale Abgrenzung von Westeuropäern und Osteuropäern. In Osteuropa wurde der Westen als Feindesbild den Menschen vorgetragen, im Westen ebenfalls. Und am Grenzübergang wurde dieses Gefühl der Menschen nur noch verstärkt; die Menschen kamen sich bei einer derartig gründlichen Durchsuchung nach westeuropäischen, kapitalistischen Gütern und Ideengut durchaus als Feinde des Kommunismus vor.
In der Sowjetunion wurde der Bevölkerung das kapitalistische, westliche System ständig als Falsch eingepredigt, so versuchte man durch die Errichtung des "antifaschischtischen Schutzwalles" den Kontakt der eigenen Bevölkerung mit Westeuropäern zu verhindern, denn deren Lebensstandard und Lebensart widersprach allen Hinweisen auf Dauerkrise, Entfremdung und Elend in der kapitalistischen Marktwirtschaft. Doch die Selbstschussanlagen dieses Schutzwalles zeigten ins Innere des Landes, bei Fluchtversuchen wurde sofort das Feuer eröffnet, und der Eiserne Vorhang entwickelte sich zum Symbol der unüberwindbaren Grenze für Osteuropäer, statt für Westeuropäer.
Die sozialen Unterschiede der beiden Systeme zeigt auch dieses Zitat von Prof. Dr. Münz : "An die Stelle eigener Erfahrungen und Erkundungen im westlichen Ausland aber traten Fernsehbilder. Die Bewohner des Ostens drehten einfach ihre TV-Antennen Richtung Westen. Nicht ohne Folgen: die Tristesse des östlichen Alltags wurde plötzlich an der Hochglanz-Welt westlicher TV-Werbung gemessen. Zugleich aber öffnete das Westfernsehen die Chance zur kleinen Flucht via Bildschirm über die Grenze. Wer es sich aussuchen konnte, zog daher in den Einzugsbereich westlicher Fernsehsender oder baute sich zumindest ein Wochenendhäuschen in entsprechender Grenzlage."
Hierbei wird die Sehnsucht der osteuropäischen Bevölkerung nach einem westlichen Leben gezeigt, welche auch die Errichtung des Eisernen Vorhangs und die Propaganda der Sowjetunion nicht eindämmen konnte.
Durch seine Errichtung wurde zum Einen den Westeuropäern eine Einreise erschwert oder davor abgeschreckt, zum Anderen wurde die eigene Bevölkerung nicht nur an einer Massenflucht in den Westen gehindert, sondern auch am Reisen. "Im eigenen Land eingesperrt zu sein, deprimierte viele Bewohner, nährte die Unzufriedenheit und kränkte das kollektive Selbstbewusstsein"
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