2.1 Arbeitende Gäste?
Die Situation in Deutschland wird im Hinblick auf die
ausländische Bevölkerung im wesentlichen von folgenden
Fakten geprägt, aus denen sich auch bestimmte
Entwicklungen ergeben:
a) Trotz anhaltend hoher Arbeitslosigkeit ist ein Teil der
ausländischen Arbeitnehmer infolge des strukturellen
Ungleichgewichts auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht
entbehrlich.
b) Dies bedeutet, daß - in Verbindung mit der bereits heute
erreichten hohen Verweildauer der Mehrheit der auslän-
dischen Bevölkerung - die Daueranwesenheit eines Teiles
der ehemaligen \"Gäste\" in der Ausländerpolitik wird
anerkannt werden müssen.
2.2 Integrationsbemühungen
Die Eingliederung des arbeitenden Teiles der ausländischen
Bevölkerung in das Arbeits- und Berufsleben kann als weit-
gehend gelungen bezeichnet werden. Die in der Ausländer-
politik angestrebte Integration wird daher konzentriert auf :
a) Die weitere Eingliederung der arbeitswilligen Ausländer in
das Beschäftigungssystem. Hierzu zählen insbesondere
Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Schul- und Aus-
bildungssituation der ausländischen Kinder und Jugend-
lichen;
b) die Eingliederung des bleibwilligen Teils der ausländischen
Bevölkerung in die deutsche Gesellschaftsordnung. Als Vor-
aussetzung dafür wird der weitere Zuzug von Ausländern in
sozial verantwortlicher Weise gesteuert werden (Beibehal-
tung des Anwerbestopps, strenge Prüfung von Asylanträgen
und das Vorgehen gegen Illegale), um Aufnahmebereitschaft
und -fähigkeit der deutschen Bevölkerung zu stärken und die
erkennbaren ethnischen Gruppenkonflikte nicht zu verschärfen.
2.3 Rückkehrbereitschaft
Die Rückkehrbereitschaft des rückkehrwilligen Teils der aus-
ländischen Bevölkerung hängt wesentlich von der wirtschaftlichen
Entwicklung in ihren Herkunftsländern ab. Eine aktive Entwick-
Lungshilfepolitik für die Herkunftsländer wird daher auf Dauer
unverzichtbar. Diese kann aber erst langfristig Wirkung zeigen;
mittelfristig werden Arbeitsaufnahme und Aufenthalt in Deutsch-
land eine attraktive Alternative bleiben.
2.4 Selektion
Deutschland wird auch in Zukunft einem starken Wanderungs-
druck aus wirtschaftlich unterentwickelten Regionen der Dritten
Welt unterliegen. Angesichts dieser größeren Migration verspricht
eine Ausländerpolitik auf nationaler Ebene keine durchgreifende
Wirkung. Es ist dringend erforderlich, die Ausländerpolitik inner-
halb der Europäischen Gemeinschaft zu harmonisieren und sie
an die Außengrenzen der EG zu verlegen. Das setzt eine Verein-
heitlichung von Visaabstimmungen und Kontrollverfahren voraus.
2.5 Integrationspolitik
Die Integrationspolitik wird infolge der zahlenmäßigen Dominanz
türkischer Staatsangehöriger weiterhin besonders auf diese
Personnengruppe gerichtet sein müssen. Die Deutschen müssen
sich darauf einrichten, daß unter ihnen eine abgegrenzte,
religiös-nationale Gruppe lebt, die sich der Übernahme der
deutschen Kultur nachhaltig wiedersetzt. Zur Bewahrung ihrer
Identität und durch den Rückzug in den Islam versuchen besonders
türkische Staatsangehörige jene Selbstachtung und Selbstverwirk-
lichung zu finden und seelenlos empfundene Umwelt vielfach
versagt wird. Teile der ausländischen Bevölkerung werden so
auch weiterhin im Spannungsfeld von Integration und Rückkehr-
absichten bleiben und die Angebote zur Integration im Sinne
einer Assimilation ausschlagen.
2.6 Staatsangehörigkeit
Das Angebot zur Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit
stößt auch unter den Bleibewilligen auf eine geringe Resonanz
aus Angst, mit dem Wechsel der Staatsangehörigkeit die eigene
nationale und kulturelle Identität zu verlieren. Die Einbürgerung
vermag die Probleme des Zusammenlebens von Deutschen und
Ausländern fremdländischer Herkunft auch nur partiell und lang-
fristig zu lösen.
2.7 Altersgefälle
Weiterhin besondere Aufmerksamkeit verdient die hier heran-
wachsende, zahlenmäßig starke zweite und dritte Ausländer-
generation mit ihren noch vorhandenen Bildungs- und Soziali-
sierungsproblemen. Denn diese Kinder und Jugendlichen wachsen
zwischen den Nationen auf. Wenn ihre Eingliederung in das
deutsche Bildungs- und Beschäftigungssystem nicht gelingt, fehlt
ihnen eine tragfähige Lebensperspektive. Die ausländische Bevöl-
kerung wird älter. Es kann angenommen werden, daß von den
ausländischen Älteren mit langer Aufenthaltsdauer in Deutschland
ein großer Teil hier bleiben wird. Über die Lebenssituation älterer
Ausländer in Deutschland ist wenig bekannt, und sie wird sich
auch sehr differenziert darstellen. In Einrichtungen und Verbänden
der Altenhilfe gibt es kaum Erfahrungen mit diesen Bevölkerungs-
gruppen. Die Altenhilfe wird sich hier auf eine neue Aufgabe ein-
zustellen haben.
2.8 Ausblick
Die deutsche Asylpraxis ist zu einem de-facto-Einwanderungs-
recht geworden. Asyl in Deutschland kann nur den wirklich
politisch Verfolgten vorbehalten bleiben. Gegenüber denjenigen
Ausländern, die auf Dauer in Deutschland bleiben wollen, soll
nach Auffassung aller gesellschaftlich relevanter Gruppen in
Deutschland eine aktive Integrationspolitik betrieben werden.
Ziel der Integrationspolitik soll sein, das Hineinwachsen der
Ausländer und ihrer Familien in die gesellschaftlichen und kultu-
rellen Gegebenheiten unseres Landes zu erreichen. Wie weit
diese Eingliederung geht und wie groß die Aufgabe der eigenen
kulturellen Identität sein soll, darüber gehen die Meinungen aus-
einander. Erkennbar ist, daß eine staatliche Integrationspolitik
außer Arbeitsmarktpolitik auch Bereiche der Familien-, Sozial-,
Wohnungsbau-, Jugend-, Bildungs- und Kulturpolitik wird ent-
halten müssen.
|