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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die massenproteste:



Nach Arbeitsbeginn und Erscheinen der AZ kam es in vielen der Wiener Großbetriebe zu stürmischen Protestversammlungen. Die sozialdemokratischen Funktionäre setzten aber nicht im Sinne ihrer bisherigen Taktik den Republikanischen Schutzbund zur Ordnung der voraussehbaren Demonstrationszüge ein, denn das hätte der Protest-bewegung den Anschein der Spontaneität genommen.
Als gegen 8 Uhr bereits tausende Demonstranten in das Stadtzentrum marschiert sind ersuchte Deutsch die Polizeidirektion genügend starke Polizeikontingente bereitzustellen, \"um alle Hitzköpfe in Schranken zu halten\", die Polizisten jedoch nicht zu bewaffnen, \"denn das könnte die Demonstranten provozieren\". Deutsch alarmierte auch noch den Schutzbund, doch auch dieser Befehl erreichte nur sehr wenige Schutz-bündler. Noch in der Nacht erfuhr die Polizei sowohl von der sozialdemokratischen Partei als auch vom Schutzbund, daß es zu keiner Demonstration bzw. Protestkund-gebung kommen sollte. Somit wurde ein Teil der Belegschaft nach Hause geschickt. Die Polizei konnte ihre Mannschaften nun nicht mehr in genügender Stärke in den Dienst stellen, und somit gerieten die Polizisten sehr bald in Bedrängnis.

Die Arbeiter strömten nun in losen Gruppen oder geschlossenen Zügen in die Innenstadt, und trugen mit sich Tafeln, auf denen geschrieben war \"Protest dem Schandurteil! Wir greifen zur Selbsthilfe!\".
Bei der Uni kam es dann zu dem ersten \"Wirbel\" des Tages, zwischen Arbeitern, Studenten und einigen wenigen Wachleuten. Schließlich zogen dann gegen 930 die Demonstranten zum Parlament, vor dem einige Polizisten eine spärliche Sperrlinie auszurichten versuchten. Die Protestrufe der Demonstranten wurden lauter, bis Stadthauptmann Albert Tauß gegen die ca. 500 dort versammelten Leute eine Reitattacke unternehmen ließ, um die vor dem Parlament weilenden Polizisten zu entlasten. Die empörten Demonstranten (in ihrem \"roten Wien\" ging die Polizeikavallerie gegen sie los) wichen daraufhin Richtung Schmerlingsplatz (Justizpalast) aus. Es dauerte nicht lange bis den Arbeitern der Zusammenhang zwischen Justizpalast und dem \"Schandurteil\" klar wurde, und somit wählten sie den Justizpalast als neues Angriffsziel. Die Demonstranten wandten sich gegen die dort postierten Wachleuten, die sich vor dem Steinhagel ins Gebäude zurückziehen mußten. Als dann auch noch die ersten Schüsse fielen, bei denen ein Arbeiter lebensgefährlich verletzt wurde, erregte das die Menge nur noch um so mehr. Schließlich kamen die Reiterabteilungen auch nicht mehr durch, da in aller Eile Barrikaden errichtet wurden, und unter anderem auch das Wachzimmer in der Lichtenfelsgasse gestürmt wurde.
Ab 11 Uhr wurde dann die Straße - wenn allerdings auch nur vorübergehend - den Demonstranten überlassen. Die Polizisten beschränkten sich nun auf die Sicherung des Parlamentsgebäudes und die Verteidigung des Haupttores des belagerten Justizpalastes.
Nun erkannte die sozialdemokratischen Partei- und Gewerkschaftsfunktionäre, daß ohne Aufgebot des Republikanischen Schutzbundes die Lage nicht mehr zu retten war. So zog nach 11 Uhr eine Schutzbundabteilung vor dem Haupttor des Justizpalastes auf, um die Demonstranten zurückzuhalten. Doch als auch diese von der Menge angegriffen wurden, zogen sie sich ebenfalls in das Gebäude zurück. Etwa gegen 12 Uhr kamen dann auch schon die ersten Demonstranten durch Fenster und das Haupttor in den Justizpalast. Sie zerschlugen Büroeinrichtungen warfen Akten aus dem Fenster und fingen an Feuer im Inneren des Gebäudes zu legen. Um 1228 Uhr wurde schließlich die Feuerwehr alarmiert.
Um 10 Uhr vormittags wurde Seipel über die Ereignisse rund um das Parlament informiert, der daraufhin eine Niederschlagung der Demonstration forderte. Vizekanzler (auch Innenminister) Hartleb telefonierte mit dem Wiener Polizei-präsidenten Schober, der Militärassistenz forderte, da die Polizei zu schwach sei. Doch Seitz verweigerte dafür seine Zustimmung, woraufhin Schober vom Heeresminister Carl Vaugoin Karabiner, um die Polizei damit auszurüsten, forderte. Gegen 12 Uhr wurden dann die Polizisten mit Waffen des Bundesheeres ausgerüstet. Schober kündigte Seitz an, er würde scharf schießen lassen, wenn die Menge weiterhin die Feuerwehr vom Justizpalast abhalten würde, woraufhin Seitz nun selber versuchte einem Löschzug die Weiterfahrt zu ermöglichen.
Erst nach etwas mehr 2 Stunden, nämlich gegen 1430, gelang es Julius Deutsch und einigen Schutzbündlern, der Feuerwehr einen Weg durch die Menge durchzubahnen. Doch in dem Moment als die Feuerwehr endlich mit den Löscharbeiten beginnen konnte, marschierten 600 mit Karabinern ausgestattete Polizisten auf dem Schmerlingsplatz auf.
Einer Einheit des Republikanischen Schutzbundes und Theodor Körner (technischer Berater der Schutzbund Zentralleitung) gebührt nun der Verdienst, unbeachtet der politischen und sozialen Stellung, die von der Lynchung oder von dem Verbrennungstod Gefährdeten gerettet zu haben, und zwar ohne Gewaltanwendung (Man darf nicht vergessen, daß zum Zeitpunkt des Brandes der Justizpalast voll war mit Richtern, Anwälten sowie Klienten).
Nun war aus einigen Quellen aber auch herauszulesen, daß Schober angeblich, nachdem er noch mit Deutsch und Seitz gesprochen hatte, eine Motorrad-Ordinanz los schickte, um die Polizisten zu stoppen. Deutsch schickte Albrecht Sever (Abgeordneter, früher Landeshauptmann von Niederösterreich) los, um bei dem Demonstranten zu intervenieren. Doch weder Sever noch die Polizeiordinanz kamen durch; die 600, mit Gewehren und Scheibenmunition ausgerüsteten, Polizisten allerdings schon. Nun begannen die verheerenden Schießereien.

 
 

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