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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die fernhändler



Die Kaufleute waren genossenschaftlich organisiert, d.h. im Wik in der Gilde, auf der Fahrt in der Hanse zusammengeschlossen. Die mittelalterlichen Kaufleute schlossen sich nicht nach dem Gegenstand ihres Handels, sondern nach dem Zielort zu Hansen zusammen. Den Vorstand der Gilde bildeten die gewählten A(e)ldermannen oder Seniores. In ihren Händen lag auch das Gildengericht, das sich im wesentlichen auf eine Sühnegerichtsbarkeit für die genossenschaftlichen Pflichten ihrer Mitglieder beschränkte.. Die Gildengenossen schuldeten einander Hilfe bei allen Gefahren der Reise, bei Schiffbruch, Krankheit, Gefangenschaft, bei finanzieller Not und um die Versorgung der Hinterbliebenen. Diese Schwurverbände waren somit auch Kampfverbände, die von ihrem Recht des Waffentragens häufig Gebrauch machen mussten. Die Gilde verfolgte auch politische Ziele, zum einen sorgten sie für die politische Sonderstellung der Stadt, zum anderen wollten sie Kosten einsparen. So bezahlten die Gilden viel Geld an den König oder den lokalen Machthaber, um bestimmte Gesetze und Privilegien zu erhalten (siehe Gesetze). Als einer der größten Erfolge der Fernhändlergilden, galt das sog. Kaufmannsrecht, welches besagte, dass ein Angeklagter Händler vor Gericht nur einen Eid ableisten musste, um freigesprochen zu werden. Denn davor war es üblich, dass der Richter, wenn Kaufvertrag und Zeugen kein Urteil zuließen, er den Schiedsspruch einer höheren Instanz überließ, und das war kein anderer als Gott. Das hieß dann, dass sich Kläger und Beklagter ein Duell auf Leben oder Tod liefern mussten. Da aber die Händler oft angeklagt wurden, mussten sie viel Geld für Bestechungen, Schlichtungen oder Stellvertreter bezahlen, die einen Händler ruinieren konnten. Kosten wurden eingespart, da eine Karawane aus Frachtwagen auch aus Gründen der Sicherheit günstiger war, als ein einzelner. Ein Frachtwagen konnte 2t laden und benötigte 2 Personen zur Führung. Bei "normalen" Straßenverhältnissen und gutem Wetter konnte ein Frachtwagen an einem Tag 40 km zurücklegen. Die Beförderung von 1t also ½ Last Ware kostete 11g Silber je km. Eine Kogge konnte 150-200t also 75-100 Last Ware transportieren, sie benötigte 25 Mann Besatzung und konnte bei guten Witterungsverhältnissen 120 km am Tag zurücklegen, doch war bei Untergang oder Piraterie der Schaden um so größer. Auf einer Kogge kostete ½ Last Ware 1g Silber je km, wenn die Kogge auf dem Fluß fuhr und "nur" 1g Silber je km kosteten 2 ½ Last Waren auf dem Seeweg. Die Beförderung über See war also deutlich günstiger, aber auch gefährlicher, außerdem war es schwer, den Lastraum der Kogge voll auszunützen, da ein Kaufmann häufig nur das Kapital hatte, um 9 Sack (1 ½ t = ¾ Last) einer begehrten Ware zu kaufen. Dies wird an dem Wollhandel mit England deutlich. Englische Wolle galt als besonders fein und war deshalb sehr teuer. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts betrug die Exportmenge von englischer Wolle 750 Sack. Ein Händler konnte sich 9 Sack, einige wenige Großhändler 91 Sack leisten. 1 Sack Wolle kostete ca. 1,7 kg (!) Silber, also 0, 17 kg Gold. Im 14. Jahrhundert wurden schon 30000 Sack Wolle exportiert, das waren 1/12 des Schiffsraums, der der Hanse zur Verfügung stand. Der gestiegene Bedarf an Weideflächen führte dazu, dass England Getreide importieren mußte, da nicht mehr genug Ackerfläche vorhanden war; also ein doppeltes Geschäft für die Fernhandelskaufleute. Bei den damaligen Preisen ist schnell verständlich, dass die Händler sich in Gilden zusammenschließen mußten, um das Risiko und den Frachtraum zu teilen. Krieg und Überfälle waren für die Kaufleute eine Existenzbedrohung, so dass sie diplomatische Beziehungen zu anderen Königen und Landesfürsten pflegten und Expeditionen ausrüsteten, um Piraten oder Räuber zu jagen. Besonders mit dem Mittel des Handelsboykott stärkten sie ihre Macht, da die Städte zunehmend immer abhängiger von den Fernhandelskaufleuten wurden.
Die reichen und erfolgreichen Händler wurden zu den Gildenvertretern gewählt, heirateten sich oft in die Familien der Ministerialen und Stadträte ein und bildeten so die Schicht des an Macht und Einfluss gewinnenden Patriziats. Die Patrizierfamilien, deren Anzahl Größe und Reichtum der Stadt bezeugten, hatten auch bedeutenden Grundbesitz in der Stadt und der Umgebung. Nur die reichen Geschlechter der Stadt hatten im Stadtrat Macht und Stimme. Die Patrizier verfügten über ihren Grundbesitz oft über feste Verkaufsstände, Mühlen, Back-, Brau- und Schlachthäuser. Auch vermischten sie sich gern mit dem verarmenden Landadel, um mehr Einfluss auf das politische Geschehen nehmen zu können.
Im 14. Jahrhundert änderte sich der Beruf des Händlers. Die reichen Patrizier fuhren nun nicht mehr bei Wind und Wetter durch Europa, sondern leiteten ihr Geschäft von der Schreibstube aus und es wurde unüblich höhere Beträge bar zu bezahlen, bzw. in Gold und Silber, sondern in Wechseln. Außerdem entwickelte sich der Beruf des Lastfuhrwerkunternehmers, der einen Lastkarren besaß und ihn nicht mehr mit eigenen Waren füllte, sondern ihn nach Auftrag belud und zu einem bestimmten Ziel brachte, ohne am Gewinn beteiligt zu sein. Dies erforderte für die deutschen Kaufleute den Aufbau sog. Kontore. Das Kontor, welches nicht nur in dem hanseatischen Einflußbereich gebaut wurde, sondern auch in Italien, war ein großes Handelshaus für deutsche Kaufleute. Im Kontor wurden Waren gelagert, Geldgeschäfte getätigt und es war Herberge für die Kaufleute oder deren Angestellte, die dort wichtige Informationen austauschten. Reiche Geschäftsleute konnten es sich leisten einen Lageristen in einem Kontor zu beherbergen, der sie dann in ihrer Heimatstadt über seine Lagerbestände und die Preise informierte.

Leute auf dem Markt:

Die Krämer:
Hatten die Fernkaufleute auch einen gewichtigen Anteil an der Entwicklung der frühen Stadt, so darf man keineswegs die Krämer übersehen, die Kleinhändler, die zwischen dem Fernhändler oder dem Erzeuger und dem Verbraucher standen und denen die unmittelbare Versorgung der Stadt oblag. Mit der Ausdehnung und dem Wachsen der Stadt wuchs auch ihre Bedeutung. Etwa seit dem 12. Jahrhundert setzte sich auch unter den Krämern eine genossenschaftliche Ordnung durch. Ähnlich wie die Fernkaufleute schlossen sie sich in Gilden zusammen, und oft genug durften nur die Mitglieder dieser Krämergilden den Kleinhandel in einer Stadt ausüben. Aber die Konkurrenz der Bauern und Handwerker, die nebenberuflich ihre Erzeugnisse absetzten, war nicht zu verachten. In kleinen Städten verkauften die Krämer im bunten Durcheinander alles, wonach Bedarf herrschte. Je größer die Stadt, um so differenzierter die Krämerbetriebe. So gab es unter anderem folgende Spezialhändler: Brüchler, Butterleute, Bettlakenkrämer, Eiermannen, Eisenkrämer, Eppelmannen, Essigmannen, Federkrämer, Fischmenger, Fleischmenger, Fütterer, Ganser, Glaskrämer, Habermannen, Häutekäufer, Heringer, Käskrämer, Kohlenmesser, Kornmannen, Krämper, Kräutermannen, Lakenkrämer, Ledermannen, Leinwandkrämer, Lichtemannen, Marktender, Mehlmannen, Ofentürer, Obster, Pfeifenkrämer, Salzer, Seidenkrämer, Stahlmenger, Pfändler, Tuchgewänder, Vogler, Weinhändler, Weinkäufer, Würzkrämer.
Zu den ansässigen Krämern und Handwerkern gesellten sich dann noch die Kleinsthändler, bescheidene Leute (meist Neubürger), bei denen der Umsatz kaum für das tägliche Brot reichte, vergleichbar den Hausierern, die heute gelegentlich von Haus zu Haus ziehen. Es waren die Höker, Merzler, Pfragner, Tratschler, Gängler, Hucker, Hadeler, Kremper oder Wannenkrämer . Letztere hatten ihren Namen, wegen der flachen Wannen, die sie wie Bauchläden umgehängt trugen und auf denen sie ihre Waren ausbreiteten.

Die Bauern:
Obwohl die mittelalterliche Gesellschaft ohne Zweifel eine Bauernkultur war, gibt die Frage nach dem Bauern im Mittelalter einige Probleme auf. "Bauer" ist zunächst natürlich ein übergreifender Begriff, der sich nicht auf die Grundherrschaft beschränkt. Der Bauer übt eine bestimmte wirtschaftliche Funktion aus: Er betreibt Ackerbau und Viehzucht; er bewirtschaftet einen selbständigen Hof und hebt sich so von Knechten und Kärtnern ab; er benutzt den Pflug und unterscheidet sich so vom Gärtner (in der Stadt), und er bestellt seinen Boden eigenhändig und grenzt sich dadurch vom Gutsherrn ab. "Bauer" ist primär also ein wirtschaftlicher Begriff, der durch diese Abgrenzung von anderen Gruppen auch einen soziologischen Aspekt erhält: Die Bauern bilden eine abgrenzbare Gruppe in einer arbeitsteiligen Gesellschaft.

(Aus Hans-Werner Goetz´s Leben im Mittelalter. Seite 137)


Zu Beginn des Mittelalters stieg die Bevölkerung langsam wieder an, das war aufgrund der sich beruhigenden politischen Verhältnisse möglich, aber vor allen Dingen durch die im folgenden beschriebenen verbesserten Anbaumethoden.
Bis zum 8. Jahrhundert herrschte die Feldgraswirtschaft, dann fand die Dreifelderwirtschaft Verbreitung, das hieß, dass auf einem Feld abwechselnd Winterfrucht, dann Sommerfrucht angebaut wurde, worauf der Acker ein Jahr lang ruhte; doch blieb es in manchen Gegenden noch lange bei der Feldgraswirtschaft.
Einige Zeit vor dem 10. Jahrhundert wurde das Kummet, ein gepolsterter Bügel, der auf den Schultern des Pferdes ruhte, wahrscheinlich aus Asien kommend, eingeführt. So konnten auch Pferde vor Pflüge und Fuhrwerke gespannt werden, sie verdrängten die Ochsen allerdings keineswegs. Körperlich war das Pferd in Stärke und Schnelligkeit dem Ochsen eindeutig überlegen. Aber es war teuer in der Ausrüstung, in der Aufzucht und im Futter (schließlich brauchte es Getreide). Es wurde errechnet, dass ein Pferd etwa so viel Arbeit leisten könne, wie drei oder vier Ochsen, aber der Unterhalt auch 3-4 mal höher lag als ein Ochse. Mit den Entdeckungen von immer besseren Eisenerzen wurden auch bessere Sicheln und Sensen hergestellt. Die Egge zum Aufpflügen wurde mit Eisenteilen bestückt und damit effektiver und langlebiger. Auch hatte man den Wert der Düngung erkannt und brachte nun den Mist, aber auch Kreide, Kalk oder Torf auf das Feld. Aber auch durch Zuchterfolge in der Vieh- und Ackerwirtschaft und importierten Feldfrüchten, wie z.B. Roggen, kam es zu Ertragssteigerungen. Diese Ertragssteigerungen führten dazu, dass der Bauer neben seinem Eigenbedarf und den Abgaben, die er an den Herrn geben mußte, einen Überschuss erwirtschaften konnte. Aber auch durch Rodungen und Besiedlung des Ostens und des sich im 14. Jahrhundert auflösenden Fronhofverbandes und die damit verbundenen Spezialisierungen der einzelnen Bauern führten dazu, dass immer mehr Stadtbewohner ernährt werden konnten. Diesen Überschuss versuchte der Bauer schnellstmöglich auf dem nächsten Markt zu verkaufen, da die Vorräte nicht lange hielten. Große Städte hatten eine Bannmeile, die die Bauern dazu verpflichteten, wenn sie in dieser Zone geerntet hatten, es auf dem Markt der Stadt zu verkaufen, d.h., dass die Bauern ihre Waren nicht zu besten Konditionen verkaufen konnten. Doch die Städte brauchten das agrarische Hinterland, da die Bauern die innerhalb der Stadtmauern lebten, die Versorgung der gesamten Stadtbevölkerung nicht mehr gewährleisten konnten. Die Bauern, die in einer städtischen Bannmeile lebten, spezialisierten sich meist, so bauten sie Rohprodukte für das städtische Handwerk an, wie z.B. Hanf, Hopfen, Waid, etc. oder errichteten Obst- und Gemüseplantagen.
So gingen die Bauern mit ihren spärlichen Überschüssen zu dem nächsten Marktort, auf dem sie verkaufen mussten und boten ihre Ware feil. Die Jahrmärkte, die meist nach der Ernte stattfanden, dienten zum Verkauf der noch frischen Ware, damit sich die Stadtbevölkerung verproviantieren konnte. Auf den Wochenmärkten verkauften die Bauern meist nur Eier, Milch und Milchprodukte, Obst und Gemüse, Schlachtreifes Vieh und in Heimarbeit hergestellte Waren. Oft verkauften die Frauen und Kinder auf dem Markt. Nachdem die Bauern ihre Waren verkauft hatten, konnten sie Salz, welches für die Einlagerung von Fleisch notwendig war, und andere wichtige Güter kaufen. Luxusgüter konnten die Bauern sich freilich nicht kaufen.
Die Schicht der Bauern war nur klein und erst durch die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land ist es sinnvoll, vom Bauern statt von der ländlichen Bevölkerung zu sprechen, da es vielmehr die niederen Knechte und Hörigen gab. In der Mitte des 11. Jahrhunderts gehörten 75%-80% der Gesamtbevölkerung der ländlichen Bevölkerung an. Der freie Bauer lebte vornehmlich in Tirol, Westfalen und in den Kolonisationsgebieten im Osten oder in den Bannmeilen der freien "Großstädte" .
Viele aus der armen Landbevölkerung suchten den sozialen Aufstieg in der Stadt, denn der Bauer blieb immer arm, der Handwerker aber konnte zu gewissen Wohlstand kommen. Es kam zu einer Landflucht, da nach dem Gesetz "Stadtluft macht frei, nach Jahr und Tag" der Flüchtling in die Stadtgemeinschaft aufgenommen wurde. Dieses Gesetz war für das Wachstum der Städte sehr wichtig, Der Grundherr konnte gegen diese Landflucht nur schwer etwas tun und musste, wenn er nicht alle Hintersassen verlieren wollte, seinen Hörigen mehr Freiheiten gewähren und so kam es im 12. aber vor allen Dingen im 13. Jahrhundert zur Lockerung der Villikationsverfassung, welche die Frondienste festlegte.


Die Handwerker:
Handwerker und deren Zünfte spielten in der mittelalterlichen Stadt eine gewichtige Rolle, eine fast ebenso bedeutsame wie die Kaufleute; denn ohne sie wären die Städte kaum zu ihrem oft beachtlichen Wohlstand gelangt.
Keineswegs aber entstand das Handwerk erst im Gefüge der Stadt. Es war weit älter, und hatte seinen Ursprung bei den abgabepflichtigen Bauern, die für ihre Grundherrschaft arbeiteten. Diese Bauern mußten oft genug handwerkliche Erzeugnisse wie Tuche oder Geräte als Abgaben an den Herrn liefern oder aber beim Bauen oder der Zimmermannsarbeit helfen. Andere freie Bauern wieder übernahmen die handwerklichen Arbeiten für die Dorfgemeinschaft und wurden dafür mit Naturalien versorgt. Es gab auch umherziehende meist unfreie Nachkommen von Fronhofsleuten, die in den Siedlungen und an den Höfen für die Bauern arbeiteten. Sie waren alle eng eingespannt in die alte bäuerliche Gemeinschaftsordnung. Meist bestand ihr Lohn nur in lebensnotwendigen Naturalien; gegen Geld arbeitete selten einer.
Diese Jahrhunderte alte Ordnung änderte sich mit dem Aufblühen der Städte. Wo gebaut wurde, brauchte man auch Handwerker. Die Märkte lockten, weil sich da ihre Erzeugnisse wohlfeil absetzen ließen und nicht mehr gegen leicht verderbliche Naturalien eingetauscht werden mußten. Schon das waren Gründe genug, die zu einer Ansiedlung in den jungen Städten lockten. Dazu kam noch ein sehr gewichtiger: "Stadtluft macht frei!". Viele bäuerliche Handwerker waren unfrei und so war es für sie natürlich eine Verlockung, neben der guten Verdienstmöglichkeit auch noch die persönliche Freiheit zu erlangen.
Die Städte unterstützten den Zuzug der Handwerker wohlwollend, sorgten aber dafür, dass er sich in Grenzen hielt.
Die Betriebsgröße von Handwerksbetrieben und ihre Zahl regelten die Zünfte und der Rat der Stadt, welche versuchten, die Nachfragen nicht ganz zu befriedigen, um den Preis nicht zu verderben. Die Zünfte waren ein kartellähnlicher Zusammenschluss selbständiger Meister des gleichen Berufes, die eine strikte Kontrolle über den Arbeitsmarkt, der Warenproduktion und der Qualität ausübten. Ihr Ziel war es, den Handwerkern eine sichere Existenz zu gewährleisten, dafür mussten sie für Zunftzwang und Zulassungsbeschränkungen sorgen. Der Monopolcharakter der Zünfte nützte zwar den Herstellern, ging aber zu Lasten des Verbrauchers. Es fehlte ein freier Markt und innerstädtische Konkurrenz. Als Organisationsformen leisteten die Zünfte zur militärischen Sicherung der Stadt notwendige Dienste und erfüllten in der Ausbildung des Nachwuchses wie auch in der Wahrnehmung sozialer Aufgaben eine wichtige Funktion. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass sich in den Zünften seit dem 16. Jahrhundert eine Fortschrittsfeindlichkeit breit machte, die zur Erstarrung führte. Diese Aspekte sollen nicht unbeachtet bleiben, wenn man an die aus den Zünften Ausgeschlossenen denkt, die in eine unterständische Schicht absinken mußten. (Siehe die Fahrenden).
Bis zum Ende des 12. Jahrhundert hatte sich die Idee der Zünfte von Worms, Trier und Würzburg aus in allen deutschen Städten verbreitet. Zunft kam von dem Wort "ziemen" und bedeutete zu anfangs "was sich schickt", später hatte es die Bedeutung "Ordnung, nach der eine Gesellschaft lebt". Es war tatsächlich eine strenge Ordnung, der sich die Handwerker unterwarfen. Sie beeinflußte ihr Leben, da der Knabe bei einem Meister seine Lehre antrat, bis zu seinem Tode. Sie legte ihnen in der Ausübung ihrer Tätigkeit strenge Fesseln an, sie griff in ihr Familienleben ein. Aber diese Ordnung half den Handwerkern auch, sich einen gewichtigen Platz im Leben der Stadt zu erkämpfen und sich neben den übrigen Ständen, neben den alten Geschlechtern, den Kaufherrn und der Geistlichkeit zu behaupten. Der Rat der Stadt regelte nicht nur Zuzug und Unterbringung der Handwerker, sondern wies ihnen auch ganz bestimmte Aufgaben zu, um die Versorgung der Bürger mit lebensnotwendigen Gütern auch in Notzeiten zu sichern. Eigene Ämter hatten die Tätigkeit der Handwerker zu überwachen und zu kontrollieren, damit es nicht etwa bei einem unerwarteten Engpass in der Lieferung der Rohprodukte zu einem Produktionsstillstand kam. Als die Zünfte aufzublühen begannen, engagierten sich die Handwerksmeister für den Rat. Sie garantierten die Versorgung der Bürgerschaft und übernahmen auch eine Art gewerbepolizeilicher Aufsicht. Der Rat seinerseits verpflichtete sich, nur solchen die Ausübung des Handwerks des Gewerbes zu gestatten, die Mitglieder der Zunft waren. Der Rat der Stadt konnte das Zunftrecht jederzeit entziehen oder fremde Handwerker auf den Markt lassen, um die Zunftvorsteher unter Druck zu setzen. So geschah es 1264 in Erfurt, als den Bäckern und Fleischern das Zunftrecht entzogen wurde.
Innerhalb der Zünfte selbst herrschte ein strenges Regiment. Sorgfältig wachten die Mitglieder darüber, dass keiner aus ihren Reihen den anderen überflügelte. Von möglichst gleicher Größe sollten die Betriebe sein. Erkrankte ein Meister, so vermittelte die Zunft ihm den nächsten vorbeikommenden Wandergesellen, keinesfalls aber durfte er einen Handwerker abwerben.
Ähnlich verhielt es sich mit günstigen Einkaufs- oder Verkaufsmöglichkeiten. Auch hier standen die Interessen der Gemeinschaft über den des Einzelnen. Entdeckte ein Meister eine günstige Einkaufsquelle, musste er es in der Zunft bekanntgeben, damit sich auch die anderen daran beteiligen konnten. Wer zu einem auswärtigen Markt oder einer Messe fuhr, hatte den anderen die Möglichkeit zu bieten, sich mit ihren Erzeugnissen an dem Verkauf zu beteiligen. Auch verkaufsfördernde Maßnahmen, wie Werbung, waren meist verboten. So mussten die Hutmacher von Köln eine Mark Strafe in die Zunftkasse zahlen, wenn sie ihre Erzeugnisse außerhalb der Halle vor ihrer Tür aufhängten. Fünf Mark mussten die Maler bezahlen, wenn sie einem Zunftgenossen die Kunden abspenstig machten.
Die Spezialisierung der einzelnen Handwerksberufe war sehr groß, so gab es, in größeren Städten, allein im metallverarbeiteten Gewerbe über 50 verschiedene Berufe (Grobschmied, Pflugschmied, Schiffsschmied, Hufschmied, Neberschmied, Dengler, Pfannenschmied, Scheibenmacher, Glockengießer, Ofentürer, Armbruster, Erzgießer, Blechschmied, Pfeilschäfter, Gelbgießer, Kesselschmied, Büchsenschmied, Flaschner, Kesselflicker, Sporenmacher, Klempner, Kupferschmied, Schmelzer, Geschmeidemacher, Waffenschmied, Nagelschmied, Goldschmied, Harnischmacher, Drahtzieher, Goldschläger, Panzerschmied, Kettenmacher, Rauchfässerer, Helmschmied, Nadelmacher, Heftelmacher, Halsberger, Feilenhauer, Schellenmacher, Beingewänder, Dreher, Rohrgießer, Schwertmann, Beckenschläger, Münzer, Schwertfeger, Messingschläger, Zinngießer, Klingenschmied, Kannengießer, Seigerschmied).
In den meisten Städten gab es natürlich nicht so viele verschiedene Berufe in einer Sparte, doch gab es nur einen Meister in der Stadt, der sich beispielsweise Glockengießer nannte, so durfte ihm kein anderer Handwerker "in das Handwerk pfuschen", d.h. die anderen Schmiede mußten sich ebenfalls spezialisieren.



Die Fahrenden:
Die mittelalterliche Gesellschaft war eine kooperative Gesellschaft, die keinen Individualismus kannte. Der Mensch wurde in einen bestimmten Geburtsstand hineingeboren und lebten in diesem genossenschaftlichen Verband sein Leben lang.
Daneben gab es jedoch auch Randgruppen, wie z.B. die Stadtbewohner, die unehrbare Berufe ausübten (Henker, Abdecker, Totengräber, Türmer, Bader, Müller, etc.). Dazu gehörten natürlich auch die Verfemten, Ketzer und unheilbar Kranken.
Die größte Gruppe waren aber die sog. Fahrenden oder fahrenden Leute. Sie waren heimatlos und nicht sesshaft. Letzteres war ihr größtes Manko, da nach dem traditionellen Rechtverständnisses das Haus Frieden und Schutz bot. Wer keine Wohnung hatte, war ohne Recht vor dem Gesetz, und auch die Kirche versagte ihnen die Fürsorge. Die Fahrenden wurden so auf die Stufe mit den kriminellen und halbkriminellen, wie Dieben, Dirnen, Bettlern und Landstreichern, gestellt.
Zu den Fahrenden gehörten Spielleute, Vaganten, Wanderprediger und Wanderärzte.
Die Spielleute zogen von Fest zu Fest und waren auf den Burgen der Adligen genauso willkommen geheißen, wie auf Jahrmärkten und Hochzeiten. Sie waren die Unterhalter, Musikanten und Schauspieler, die zum Tanz aufspielten und für Kurzweil sorgten. Für die Dauer des Festes waren sie gern gesehen, man gab ihnen Speis und Trank, Unterkunft, (getragene) Kleider und Geld. Danach zogen die Bänkelsänger, Gaukler und Wahrsager weiter und irrten ohne Versorgung und Einkünfte durch die Gegend, bis sie ihr nächstes Engagement hatten. Bei wirtschaftlichen Krisen, bei Alter oder Krankheit waren sie die Ersten, die davon existentiell betroffen waren, da sie keine Unterstützung von der Kirche bekamen oder in Gilden (siehe Kaufleute) organisiert waren. Die fahrenden Leute waren von der Wohltätigkeit der Sesshaften angewiesen. Bekamen sie nichts, mussten sie verhungern. Befreiung aus dieser Lage war so gut wie unmöglich, da die Kinder von unehrbaren Leuten, nur unehrbare Berufe ergreifen konnten und die Leute, die wegen eines Vergehens ihre Stadt verlassen mussten, die Gruppe der Unehrbaren vergrößerten. Da aber die Städte daran interessiert waren, dass das Volk amüsiert war, stellten sie auch einige Musiker und Artisten fest an und erließen Gesetze, die z.B. regelten, wie viele Musiker auf einer Hochzeit mindestens zu spielen hatten. Jahrmarkt, Messe, Kirchenweihfest und ähnliche Gründe zum Feiern boten für die Bevölkerung eine willkommende Unterbrechung ihres oft schweren Alltags, der langen Arbeitstage, Gelegenheit zum Essen, Trinken, Tanzen und vor allem zum Schauen, Hören, Lustigsein, zur Befriedigung der Neugier, der Sucht nach dem Aufregenden, dem Besonderen, Unerhörtem, noch nie Gesehenem. Kurz, alles das, was heute Rundfunk, Telefon und vor allen Dingen das Fernsehen abdecken. Deshalb brauchten die Leute auch überall Schausteller, ob in den Burgen oder den kleinen Dörfern, die den Bewohnern aus der gewohnten Monotonie halfen. Zu den Unterhaltungskünstlern zählten die Musiker, Possenreißer, Zwerge, Pfeifer, Trompeter, welche alle häufig feste Anstellung am Hof oder der Stadt fanden und auch die Fahrenden " jene bunte Gesellschaft von Gauklern, Tierbändigern, Taschenspielern, Seiltänzern und Akrobaten, Sängern und Musikanten, die ihr Gewerbe im Herumziehen von Ort zu Ort betrieben."
Von einem Auftritt der Fahrenden berichtet folgende Quelle:
Da erschienen sie mit tanzenden Bären, Hunden und Ziegen, Affen und Murmeltieren, liefen auf dem Seil, schlugen Purzelbäume nach vorwärts und rückwärts, warfen Schwerter und Messer und stürzten sich unverletzt auf deren Spitzen und Schneiden, verschlangen Feuer und zerkauten Steine, übten Taschenspielerkünste unter Hut und Mantel, mit Zauberbechern und Ketten, ließen Puppen miteinander fechten, schmetterten wie die Nachtigall, schrien wie der Pfau, pfiffen wie das Reh, rangen und tanzten bei dem Klang der Doppelflöte, hüpften in grotesken Tiermasken umher, führten rohe, theatralische Szenen auf, zankten sich in komischen Streitgesprächen, parodierten weltliche und geistliche Stände und trieben alle jene tollen und derben Possen, an denen sich einst der kranke liebe Gott in Arras gesund gelacht hat. Dazu erscholl allerart Musik, das Lied des Sängers und das Gekreisch des Marktschreiers....

Aus Lebendiges Mittelalter/F. Irsigler und A. Lassota Gaukler und Spielleute Seite 198

Obwohl man den Fremden und unehrbaren Leuten misstraute, so hatten sie auch den Reiz des Anrüchigen. Jedenfalls kamen die Leute zusammen, sobald sich die Kunde verbreitete, dass ein neuer Schausteller seine Künste auf dem Markte darbiete. 1343 lockte z.B. ein kunstfertiger Krüppel aus dem Oberland viel Publikum zum Rathaus von Köln. Unter den Gaddemen, bei den Tuchverkaufsständen, verblüffte er seine Zuschauer:
Er war gelähmt an beiden Händen und entwickelte mit den Füßen eine Geschicklichkeit, die mancher andere seinen Fingern wünschen mochte. Mit den Zehen spielte er Schach; er nahm einen kleinen Löffel zwischen die Zehen und warf aus einer bestimmten Entfernung jede Figur vom Schachbrett, welche man wünschen mochte; mit einem scharfen Messer traf er jedes Mal einen bestimmten Punkt in einem Brett, welches einen oder mehrere Schritte vor ihm stand. Auf seinem Kopf setzte er einen Humpen, und ohne einen Tropfen zu vergießen, schenkte er denselben mit seinem Fuße voll Wein, und mit bewundernswerter Fertigkeit fädelte er einen Faden in eine Nadel, machte den nötigen Knoten und fertigte irgend eine beliebige Naht.
Die Quelle macht deutlich, dass bei solchen Attraktionen die Leute auf den Markt kamen und ,vielleicht noch ganz angeregt von der Darbietung, zum Kauf verführt wurden.
Gebildete, die kein Amt und keine Stellung bekommen hatten oder nicht im Schoß der Kirche Aufnahme finden konnten, wurde fahrende Scholare oder Vaganten. Vaganten waren lateinisch schreibende Dichter, die sich freilich für etwas besseres als die Schauspieltruppen hielten, da sie nur für den kleinen Kreis der Gebildeten schrieben. Doch hatten auch sie keinen festen Wohnsitz und mußten oft, um nicht zu verhungern, auf den Geschmack und die Sprache des Volkes eingehen. Die Vaganten erzählten auch Märchen und Geschichten und lasen die Anschläge am Rathaus oder der Kirche vor. Auch fertigten sie kunstvolle Briefe an und verkauften selbstkopierte Bücher.

Mochten die Fahrenden das Leben auch von einer freieren Seite her kennenlernen und vielleicht sogar genießen, mochten sie ungebunden sein und die Enge verlassen haben, in der so viele Stadtmenschen ihr Leben lang verharrten, der Preis, den sie für diese Freiheit zahlten, war eine Existenz, die gekennzeichnet war von Unstetigkeit der Verhältnisse und beträchtlicher Gefährdung.
Die Fahrenden sorgten für die Unterhaltung und die Verbreitung von Neuigkeiten und da sie die engen Stadtmauern oder das einfache Leben des Bauern verließen, sorgten sie bei diesen Sesshaften für eine gewisse Faszination, wegen ihres "freien" Lebens.

 
 

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