2.1 Die Anfänge des britischen Weltreichs
Am Anfang des 19. Jahrhunderts war Grossbritannien die einzige Macht, die ein Kolonialreich besass. Die alten Kolonialmächte Spanien, Portugal und die Niederlande hielten nur noch bescheidene Überbleibsel. Die Siege Grossbritanniens zur See über Napoleon I. hatten das französische Kolonialreich vollständig zertrümmert und der britischen Flotte die uneingeschränkte Herrschaft über die Weltmeere gebracht.
Die Briten nutzten ihre unangefochtene Stellung dazu in Kanada, Südafrika, Australien und Neuseeland die Einheimischen zu verdrängen und das Land zu erschliessen, besiedeln und eine Verwaltung aufzubauen. Sie dehnten ausserdem ihr Einflussgebiet in Indien, Birma und Malaysia aus. 1877 nimmt die englische Königin den Titel "Empress of India" an. Den Seeweg von Europa zu den Kolonien sicherten die Briten mit zahlreichen Stützpunkten.
2.2 Frankreich: die Wiederentstehung der "Grande Nation"
Für Frankreich war der Verlust der Kolonien ein herber Rückschlag. Eine Reihe von Wirtschaftszweigen erlitten Einbussen. Noch bedeutender jedoch war der Niedergang von Grösse und Macht. Die Nation, die sich unter Napoleon der Weltherrschaft nahe gewähnt hatte, empfand es als bedrückend, sich auf das begrenzte Land zwischen Ärmelkanal und Mittelmeer, zwischen Atlantik und Rhein beschränkt zu sehen.
Die französischen Herrscher versuchten darum, Frankreich wieder in altem Glanze erstehen zu lassen. Bezeichnenderweise erfolgten die wichtigsten Erwerbungen in Zeiten innenpolitischer Krisen.
. 1830 (Julirevolution) besetzen französische Truppen Algier, 1847 nach Kämpfen Unterwerfung von ganz Algerien
. weitere Stützpunkte in Westafrika, südliche Fortsetzung des Mutterlandes im nordwestlichen Drittel Afrikas
. Bau des Suezkanals in den Jahren 1959-69 unter Napoleon III. Der Kanal führte auf ägyptischem Gebiet vom Mittelmeer zum Roten Meer und verkürzte den Seeweg von Europa nach Asien. Der Kanal führte zu neuer Macht und Prestige und die Mittelmeerhäfen wurden wieder an den Haupthandelsweg angeschlossen.
. 1867 setzen sie sich auch in Indochina fest zu einer Zeit, wo Napoleons Regime schon beträchtlich wankte und dringend aussenpolitische Erfolge brauchte
Bis anhin waren die Franzosen den britischen Kolonialinteressen nicht in die Quere gekommen, dies änderte sich aber mit Ägypten. Es war für den Seeweg nach Indien strategisch wichtig. Mit dem Erwerb der Mehrheit der Suezkanal-Aktien durch Benjamin Disraeli im Jahre 1875 konnte GB aber den Einfluss in Ägypten entscheiden stärken.
2.3 Russland: Der Drang zum warmen Meer
Die Ausdehnung Russlands spielte sich gleich wie in Amerika ausschliesslich auf dem Landweg ab. Das Reich, das so zwischen 1550 und 1850 wuchs, umfasste fast die gesamte Landmasse des nördlichen Asiens. Es hatte jedoch nur an ganz wenigen Stellen Zugang zu einem Meer, das ganzjährig eisfrei blieb. Sie waren dann auch Binnenmeere, die leicht von feindlichen Grossmächten für russische Schiffe abgesperrt werden konnten. Sichere Häfen an den offenen Weltmeeren erschienen dem Zaren deshalb Voraussetzung dafür, in der grossen Weltpolitik mitspielen zu können.
. Bis zum ersten Weltkrieg unterwarf das Zarenreich die Länder südlich des Kaukasus und Innerasiens. Eine Vielzahl von Völkern kam unter russische Herrschaft.
. Der Durchbruch zum Indischen Ozean gelang ihnen jedoch nicht, weil sie da auf britische Interessen stiessen. So wurde der britisch-russische Interessengegensatz im Orient und in Asien im 19. Jahrhundert zu einer Konstanten der Weltpolitik.
. Mehr Erfolg hatten sie beim Vorstoss zum Japanischen Meer. Der russische Zar zwang China zur Abtretung des Gebietes am Unterlauf des Amur sowie des Küstenabschnitts von der Armurmündung bis zur Grenze Koreas.
2.4 Deutschland: der Einstieg in die Kolonialpolitik unter Bismarck
Der Erwerb von Kolonialreich lag für Deutschland für lange Zeit ausserhalb des Denkbaren. Diese Ausgangslage änderte sich nach der Reichsgründung nur langsam. Als das Reich aber gefestigt war begann es begleitend zur wirtschaftlichen Expansion im Zeichen des Freihandels den deutschen Handel in Übersee zu unterstützen.
Ein wichtiges Hindernis für die eigentliche Kolonialherrschaft war der Reichskanzler Bismarck selbst. Er wollte vermeiden, dass sich Deutschland wegen kolonialer Interessengegensätze die Feindschaft anderer europäischer Grossmächte einhandelte. Ausserdem betrachtete er Kolonien als unnötigen Luxus.
Diese Politik wurde jedoch 1884/85 aufgegeben. In kürzester Zeit sicherte sich Deutschland eine Reihe sogenannter Schutzgebiete in Afrika sowie einige Inseln im Pazifik. Dazu gehörten die heutigen Länder Kamerun, Namibia, Tansania und Togo. Es gab drei wichtige Gründe für den Richtungswechsel:
. Das deutsche Reich befand sich in einer aussenpolitisch günstigen Lage. Alle Grossmächte ausser Frankreich suchten die Freundschaft Deutschlands.
. Der Druck der deutschen Öffentlichkeit zugunsten einer imperialistischen Politik wuchs.
. Allmählich schlossen sich dir Tore für den Freihandel, denn die noch nicht kolonisierten Gebiete wurden besetzt.
Das neue deutsche Kolonialreich nahm sich im Vergleich zum britischen oder auch zum französischen Imperium bescheiden aus.
In den neunziger Jahren wurde die imperialistische Politik Deutschlands von Willheil II geführt (wilhelminische Weltpolitik). Es gab kaum Landgewinn doch trug sie entscheidend zur Verschärfung der kolonialen Gegensätze zwischen den Grossmächten bei.
2.5 Japan: Politik nach westlichem Muster
In der Zeit der grossen Entdeckungen war Japan eine Feudalgesellschaft unter der formellen Herrschaft der Kaiser und der tatsächlichen Herrschaft der Schogune. Aus Furcht vor fremden Einflüssen schlossen diese das Inselreich gegen aussen ab, bis es 1854 zur Öffnung für ausländische Handelinteressen gezwungen wurde. Dabei drohte Japan kolonisiert zu werden. Das Land erneuerte sich jedoch mit den Meiji-Reformen nach westlichem Vorbild und industrialisierte sich aus eigener Kraft.
Folgende wichtige Voraussetzungen bildeten die Grundlage für diese erstaunliche Entwicklung:
. Die gute Erschliessbarkeit des Inselreiches auf dem Seeweg
. Eine ertragreiche Landwirtschaft und Fischerei als sichere wirtschaftliche Grundlage der japanischen Gesellschaft
. Ein seit Jahrhunderten überliefertes, hoch stehendes Handwerk
. Ein guter Bildungsstand der Bevölkerung, vor allem verbreitete technische Fähigkeiten sowie ein geringes Analphabetentum
Die für die Industrie benötigten Rohstoffe wie Kohle versuchte sich Japan durch den Erwerb von Kolonien in Ostasien zu sichern. Damit wurde es zur einzigen Kolonialmacht ausserhalb des europäischen Kulturkreises.
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