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geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Tornados

Systemtransformation



In Kapitel 3.1 soll der Begriff Systemtransformation definiert und die verschiedene Varianten exemplarisch dargestellt werden. Weiter sollen die Bedingungen für eine erfolgreiche Systemtransformation sowie der Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion dargestellt werden.

3.1.1 Definition und Varianten
Ein System ist eine "Menge von geordneten Elementen mit Eigenschaften, die durch Relationen verknüpft sind. Die Menge der Relationen zwischen den Elementen eines Systems ist seine Struktur. Unter Element versteht man einen Bestandteil eines Systems, der innerhalb dieser Gesamtheit nicht weiter zerlegt werden kann. Die Ordnung bzw, die Struktur der Elemente eines Systems ist im Sinne der Systemtheorie seine Organisation. Die Begriffe der Organisation und der Struktur sind also identisch."
Transformation bedeutet Überleiten von einem ursprünglichen in einen neuen Zustand.
Systemtransformation bedeutet, daß die Eigenschaften aller Elemente im System und ihre Relationen zueinander verändert werden. Das Ergebnis dieser Veränderung ist dann eine neue Ordnung.
Wenn diese theoretische Definition auf Rußland angewendet wird, bedeutet Systemtransformation konkret, daß in Rußland ein Prozeß im Gange ist, in dem alle Elemente des System, also die Unternehmen, Institutionen, Ordnungsrahmen sowie die Bürger selber, sich verändern, auflösen oder neu entstehen und ihre Verhältnisse zueinander, also informelle, funktionelle, eventuell persönliche, neu ordnen, verändern, auflösen oder neu knüpfen.

Das Ergenbis dieses Prozesses kann niemand voraussehen. Fest steht nur, daß der monentane Prozeß eine "richtige" Systemtransformation ist, die "neben marktwirtschaftlichen Reformen und demokratischen Veränderungen in der Staatsordnung auch die die Transformation des Rechts, der Außen- und Innenpolitik, der Streitkräfte, der Kultur, der Medien, der Ausbildung usw. einschließt."
Im Zuge des Systemtransformationsprozesses werden viele verschiedene Varianten diskutiert, die alle eine andere Zielrichtung aufweisen. Eine Entwicklung hin zur Marktwirtschaft ist dabei nicht selbstverständlich. Es können aber drei Varianten genannt werden, die sich hauptsächlich in der Diskussion befinden.

1. Der frühere Wirtschaftsminister Lobow und der Vize-Ministerpräsident Soskowez setzen sich für eine wirtschaftliche Stabilisierung und Wiederbelebung durch die Wiederherstellung der staatlichen Lenkung ein. Sie denken dabei an einen staatsmonopolistischen Kapitalismus, der sich durch die Bildung von "Techno-industriellen Komplexen" oder "technischen Kooperationen" auszeichnet. In diesem Modell werden kleine und mittlere Betriebe der Bedingungen der Marktwirtschaft ausgesetzt und große Unternehmen in Konzernen zusammengefaßt. Diese Konzerne wären formell selbständig, unterstehen aber einer starken staatlichen Wirtschaftslenkung.
2. Der ehmalige Ministerpräsident Gaidar neigt hingegen zu einem amerikanischen Modell des Markts, in dem der Markt alle Regulierungen vornimmt.
3. Der derzeitige Ministerpräsident Cernomyrdin strebt ein Modell der sozialen Marktwirtschaft nach westeuropäischen (sogar: deutschen) Vorbild an. Cernomyrdin muß dabei aber gegen den Widerstand der Industrie-Direktoren, die die Selbstverantwortung scheuen, und deren Vertreter Lobow und Soskowez ankämpfen.

Welche Variante sich in Zukunft durchsetzten kann und welche für die russischen Betriebe am besten geeignet ist, kann heute sicher noch nicht gesagt werden.

3.1.2 Bedingungen für Systemtransformation, Konversion, Privatisierung und ausländische Investitionen
Die Bedingung für die Schaffung einer günstigen Lage für Systemtransformation, Konversion, Privatisierung und ausländischen Investitionen sind nach Höhmann und Meier die Lösung von fünf komplexen Aufgaben.

Diese Aufgaben sind:
1. Die makroökonomische Stabilisierung als Notwendigkeit für eine positive Entwicklung der Gesamtwirtschaft. Dazu gehört auch die Stärkung der Binnennachfrage, denn ein großes Problem der russichen Wirtschaft ist die Geringschätzung des eigenen Binnenmarkts
2. Der Aufbau eines marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens, der privaten Investoren Sicherheit gibt und die Verhältnisse zwischen Staat und Privatwirtschaft regelt.
3. Ein wirtschaftlicher Strukturwandel, der die vorhandenen Ressourcen zugungsten einer zukunftsorientierten und zivilen Produktion verteilt und auch Anreize für eine Investition im Standort Rußland liefert.
4. Eine soziale Flankierung der Folgen von Systemwechsel und Strukturwandel, die den Beschäftigten die Angst vor Veränderung und Selbstverantwortung nimmt.
5. Eine Neuordnung der Außenwirtschaft, die die russische Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten stärkt. Die Wettbewerbsfähigkeit sollte sich vor allem auf den zivilen Sektor verbessern.

Neben dem "Aufgaben-Modell" von Höhman/ Meier gibt es einen Ansatz von Ulrich Albrecht, der "systemische Erfordernisse" angibt. Albrecht schreibt, daß im in einem erfolgreichen Transformationsprozeß folgende Erfordernisse erfüllt werden müssen:


Es geht um Fragen nach:

1. Restriktionen der Transformations- und Konversionsvorgänge: Wenn unterstellt wird, daß Marktwirtschaften das Vorbild für den Transformationsprozeß sind, so sind die Budgetristriktionen das ausschlaggebende Moment der Entscheidungen der öknomischen Akteure, den Abrüstung und Konversion verursachen Kosten. Also hängen die Erfolge der Konversion und der Transformation von den finanziellen Möglichkeiten ab, die in Rußland beschränkt sind. Um die finanziellen Möglichkeiten zu verbessern, ist Rußland auf private ausländische Investitionen angewiesen bzw. auf Hilfen aus dem Ausland. Ein Beispiel für Hilfe aus dem Ausland ist das "Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States"-Programm (TACIS) der Europäischen Union (vgl. Abb.: 3-1 TACIS Budget...). "Die Hauptursache für die ungünstige Lage für westliche Investoren sind politische und wirtschaftliche Instabilität, sowie das Fehlen stabiler Gesetze und Verordnungen, also stabile Regeln des Wirtschaftens." Erst wen diese Forderungen erfüllt sind, werden (können) ausländische Investitionen im stärkeren Umfang erfolgen.


2. Bedingungen der Kohärenz dieser Vorgänge: Kohärenz meint, daß alle am Transformationsprozeß beteiligten und die Prozesse selber untereinander und in sich stimmig sein müssen. Albrecht meint damit, daß zur Aufrechterhaltung der Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft alle Beteiligten "an einem Strang" ziehen müssen. Der Transformationsprozeß kann keinen Erfolg haben, wenn jeder seinen "eigenen Weg" geht.



3. Interferenzen der am Transformationsprozeß beteiligten Elemente: Die Frage lautet: "Wie beeinflussen sich die Elemente gegenseitig?" und "was sind die 'systemfremden Komponenten', die zu Störungen der Systemlogig führen?" (z.B. Ausnahme der Rüstungsindustrie aus dem Privatisierungsprozeß).


4. Regulationsformen: Damit das "System", das das Ergebnis des Transformationsprozesses sein wird, stabil bleibt, müssen neue soziale Institutionen und Organisationen dafür sorgen, daß die Akteure die neuen "systemischen Anforderungen" auch einhalten.

Abb. 3-1: TACIS-Budget: Darstellung nach Sektoren, 1991 - 1993



Millionen ECU


1: Nukleare Sicherheit
2: Neustrukturierung von staatlichen Unternehmen und Privatsektor-Entwicklung
3: Verwaltungsreform, Sozialwesen-Ausbildung
4: Landwirtschaft

5: Energie
6: Transportwesen

7: politische Beratung
8: Telekommunikation

9: andere Sektoren
10: Residuum
Quelle: Frank Borstelmann, "Multilateral and bilateral economics promotion programs for the CIS"

BICC Report 3, Bonn April 1995, Seite 82, eigene Darstellung


Beide o.g. Ansätze stellen eine Reihe von Anforderungen an den Transformationsprozeß. In den ersten zwei, drei Jahren nach der Auflösung der UdSSR konnte noch nicht gesagt werden, ob die Aufgaben und Anforderungen überhaupt bzw. in welchen Umfang erfüllt werden können.
Egal wie ein Transformationsansatz auch formuliert wird, eine große Aufgabe bzw. Herausforderung muß immer genannt werden. Diese Herausforderung ist die hochmilitarisierte Wirtschaft Rußlands in eine zivile zu transformieren, also Konversion zu verwirklichen. "Ein Mißlingen der Rüstungskonversion im Osten würde die Dynamik des gesamten Transformationsprozesses abbremsen." Deshalb ist es wichtig den elementaren Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion zu erkennen.

3.1.3 Zusammenhang zwischen Systemtransformation und Konversion
Der Konversionsprozeß in Rußland weist zwar in mancher Hinsicht die gleiche Struktur wie Konversionsprozesse in westlichen Staaten auf. Gemeinsamkeiten zwischen Konversion in Rußland und in westlichen Staaten gibt es beim Rückgang der militärischen Beschaffung sowie der Reaktionen der Rüstungsunternehmen. Er hat aber durch die gleichzeitig stattfindene Systemtransformation, deren Ergebnis heute noch nicht absehbar ist, eine andere Qualität. Hinzu kommt, daß das Ausmaß der Rüstungsproduktion in der UdSSR viel höher war als anderswo.

Deswegen ist dem Gelingen der Konversion in Rußland eine viel höhere Bedeutung zuzumessen. "Konversion und Transformation haben die gleiche Aufgabe zu lösen: die strukturellen Defizite und Deformationen der Wirtschaft sowjetischer Prägung zu beseitigen sowie die dafür notwendigen marktkonformen ökonomischen Mechanismen und Organisations- und Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Insofern sind sie hinsichtlich ihres Erfolgs unmittelbar miteinander verknüpft."

 
 

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