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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Schulische erziehung


1. Drama
2. Liebe

Vor einem Jahrhundert kam der Schule eine andere Erziehungsfunktion zu. Zucht und Ordnung mit diversen Strafen (physisch wie psychisch) waren Mittel, um die nötige Disziplin im Sinne der beiden Erziehungsnormen durchzusetzen. Durch diesen Drill, der in den Schulen herrschte, wurden die Schüler in ihrem Charakter stark geprägt. Stefan Zweig erinnert sich an seine Schulzeit:
"Fünf Jahre Volksschule und acht Jahre Gymnasium mussten auf hölzerner Bank durchgesessen werden, täglich fünf bis sechs Stunden, und in der freien Zeit die Schulaufgaben bewältigt und überdies noch, was die ,allgemeine' Bildung forderte neben der Schule, Französisch, Englisch, Italienisch, die ,lebendigen' Sprachen neben den klassischen Griechisch und Latein - also fünf Sprachen zu Geometrie und Physik und den übrigen Schulgegenständen. Es war mehr als zuviel und ließ für die körperliche Entwicklung, für Sport und Spaziergänge fast keinen Raum und vor allem nicht für Frohsinn und Vergnügen."

In seinen "Schulgesetzen" schrieb der Pädagoge Heiligbrunner die wichtigsten der Regeln für einen reibungslosen Schulbetrieb nieder. Neben Tugenden wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnung, Höflichkeit, Aufmerksamkeit, Frömmigkeit, Gehorsam und Wahrheitsliebe heißt es: "Wenn ein Schüler gestraft wird, so widersetze er sich der Strafe nicht, sondern
bedenke, dass Strafen zur Aufrechterhaltung der Schulordnung und zur Besserung des Fehlenden notwendig sind [...]. Nach geendigter Schule sollen sich alle Schüler ruhig und eingezogen nach Hause begeben [...]. Kein Schulkind darf bei einer öffentlichen Tanzbelustigung erscheinen. Es soll, sobald die Abendglocke geläutet wird, zu Hause sein und nachher nicht mehr aus dem Haus gehen."

Hierin wird die Erziehungsfunktion der Schule und ihr gesellschaftlicher Einfluss schon deutlich. Bei Missachtung der Regeln drohen minutiös gestaltete Strafen :
Beachtenswert in den "Regierungsmaßregeln für Lehrer und Schüler" von T. Ziller aus dem Jahre 1886 ist der § 47, der besagt, dass "körperliche Züchtigung [...] nicht erlaubt ist und deshalb stets entschuldigt werden [muss], wenn sie doch im Affekt stattgefunden haben sollte." In dieser Formulierung steckt einerseits das Verbot der körperlichen Züchtigung, andererseits aber deren deutliche Tolerierung, woraus man schließen kann, dass sie durchaus auch noch nach 1886 stattgefunden hat. Die Lehrkraft fungierte als Stellvertreter einer gottgegebenen und staatstragenden Autorität, wobei von den Schülern erwartet wird, dass sie diese nicht nur anerkennen, sondern lieben.
"Den Lehrern, welche Stellvertreter der Väter, und nächst Gott die größten Wohltäter sind, sollen die Schüler Liebe und Hochachtung bezeigen und ihnen mit kindlicher Anhänglichkeit und Offenheit begegnen."

Schon dieser knappe Auszug aus einer Schrift zum "Verhältnis der Anstaltszöglinge zu ihren Lehrern" macht deutlich, dass die Schüler den Lehrern untertänigst zu begegnen und ihren eigenen Willen ganz dem der Autorität zu beugen hatten. An seine Lehrer, die er als "unnahbare Ölgötzen" karikiert, erinnert sich Stefan Zweig:
"Sie saßen oben auf dem Katheder und wir unten, sie fragten, und wir mußten antworten, sonst gab es zwischen uns keinen Zusammenhang. Denn zwischen Lehrer und Schüler, zwischen Katheder und Schulbank, dem sichtbaren Oben und sichtbaren Unten stand sie unsichtbare Barriere der ,Autorität', die jeden Kontakt verhinderte."

Diese hier aufscheinende Distanz in der Beziehung zwischen Schülern und Lehrern, sowie das unpersönliche Vermitteln eines vom Lehrplan vorgeschriebenen Pensums, dem jeglicher Bezug zum Leben fehlte, war nicht etwa eine unüberlegte "Nachlässigkeit der staatlichen Instanzen [...], sondern [...] eine bestimmte, allerdings sorgfältig geheimgehaltene Absicht." Die Autorität begegnete der Jugend misstrauisch und glaubte, sie würde durch ihre eingangs beschriebene Impulsivität und ihren Drang zur Veränderung eine Gefahr für die gesellschaftliche Ordnungs- und Traditionsliebe darstellen, weshalb sie "möglichst lange ausgeschaltet oder niedergehalten werden" müsse.
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Unzulänglichkeiten der einzig weiterführenden Schule, dem humanistischen Gymnasium Humboldt'scher Prägung, hinsichtlich der Anforderungen des Arbeitsmarktes immer mehr zum Vorschein kamen, wurden neue Schulformen entwickelt, die dem abhelfen sollten. Doch damit stieg der Leistungsdruck auf die Schüler des etablierten Gymnasiums, das nun im Konkurrenzkampf zwischen den Schultypen bestehen musste. "Die Schule eröffnete mit der Vergabe von Qualifikationen den Zugang zu den begehrten Berufen, sie vergab somit Lebenschancen." "Die schlimmste Drohung", erinnert sich Stefan Zweig, "die es in der bürgerlichen Welt gab, [war] der Rückfall ins Proletariat" . Und den galt es um alles in der Welt zu verhindern.

 
 

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