Dieser Roman ist ein Juwel an preziösem Stil und äußerer Spannung, aber heraus kommt ein hundsgemeiner Götze. Das ist wörtlich zu verstehen. Zuerst die Hundsgemeinheit: Zur Zeit Louis\' XIV. wächst im stinkendem Paris ein Mensch auf, der bei übrigens normaler Intelligenz die Welt ausschließlich durch den Geruchssinn wahrnimmt.
Eines Tages wittert er von weitem einen unglaublich verlockenden Duft, und in einem Hinterhof findet er ein Mädchen, das er erwürgt. Dann beschnuppert er sie am ganzen Leib und saugt ihren überirdischen Duft so lange ein, bis er sie \"welkgerochen\" hat. Ein Pafümfabrikant wird reich durch diesen genialen Burschen, der ihm die unglaublichsten Parfüms destilliert.
Als der Junge erfährt, dass in Grasse bei Nizza die geheimnisvoll Methode der Enfleurage gehütet werde, macht sich auf ten Weg. Froh, den Pariser Geruchsbeleidigungen zu entkommen, wo \"Kinder fad riechen, Männer urinös, Frauen nach ranzigem Fett und verderbendem Fisch\", umgeht er das \"olfaktorische Gravitationsfeld Orléans\" und gelangt im Zentralmassiv auf einen hohen Berg. \"Mit der menschenleeren Welt ließ sich leben.\"
Das also ist der anfangs angekündigte Götze. Als er entdeckt, dass er selbst gar keinen Geruch ausströmt, beschließt er, in Grasse die Herstellung erlesenen Menschenparfüms zu erlernen. Geselle in einem kleinen Betrieb, ermordet er in Grasse Dutzende junger Mädchen und füllt ihren Duft per Enfleurage in Flacons ab. Die dummen Augenmenschen faseln von Schönheit und ahnen nicht, dass sie durch Gerüche betört werden.
Als ihm der äußerste Wurt gelingt, weiß er, er wird die Menschen zwingen, ihn zu lieben. Doch da wird er verhaftet und soll hingerichtet werden. Als sich zehntausend Menschen auf dem Richtplatz versammeln, steht er da, mit einem einzigen Tropfen jenes Parfüms gesalbt, und macht sie alle rasend vor Glück. Es entsteht ein wüstes Bacchanal, er wird vergöttert und freigelassen.
Aber: Sie alle lieben ihn, und er? Er verachtet und haßt sie. Über sein eigenes Gemüt hat das Parfüm keine Macht. Das hat er nicht erwartet. Er geht kurzentschlossen nach Paris, um zu sterben. Mitten in der Nacht tritt er ans Lagerfeuer eines Lumpenpacks und gießt sich den besten Flacon ganz über. Die Lumpenkerle werden von der gewaltigen Duftmenge derart hingerissen, dass sie ihn anfallen und auffressen müssen, ob sie wollen oder nicht. Dann hocken sie wieder ums Feuer und lächeln selig und stolz. \"Sie hatten zum erstenmal etwas aus Liebe getan.\" Ende.
Und wo ist der Witz des Ganzen? Die neue Mythe eines olfaktorischen Vampirs? Zu spät für neue Mythen! Das ergibt höchstens morbides Amüsement und Stoff für Horrorfilme. Was also? Sollen wir, seit wir des neuen Sterns Süskind \"anrüchig\" wurden, ihm die Apotheose zubilligen oder die Apokolyntosis, die Verkürbissung, wie sie dem Kaiser Claudius nachgerufen wurde? Dann doch wohl letzteres, o du mein Sokrates!
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