Leonardo da Vinci: Kann man ihn als Universalgenie bezeichnen?
Im Rahmen des Deutschunterrichts haben wir den Auftrag bekommen, eine umfangreiche Facharbeit über eine berühmte Persönlichkeit zu verfassen. Ich wählte Leonardo da Vinci als ideale Figur für diese Aufgabenstellung, da seine Leistungen und Errungenschaften auch nach annähernd 500 Jahren noch nichts von ihrer Aktualität und Tragweite eingebüßt haben.
Im Buch "Leonardo: Forscher- Künstler- Maler" wird berichtet, daß Leonardo da Vinci das größte Universalgenie der Renaissance war. Da stellt sich mir die Frage: Kann man Leonardo wirklich als "Universalgenie" bezeichnen?
Was schuf Leonardo da Vinci auf dem künstlerischen Sektor?
Viele Werke Leonardo da Vincis blieben unvollendet, da eine Arbeit niemals seinen vollen Zuspruch erhielt, er hatte immer etwas daran auszusetzen und fand kleine Mängel, auch wenn das Artefakt als perfekt anzusehen war. "Er war eben ein Perfektionist", sagte ein Zeitgenosse.
Zu seinen unvollendeten Werken gehören "Der heilige Hieronymus mit den Löwen". Leonardo da Vinci kam nie dazu, dieses Bild in Farbe dazustehen, da er einerseits keine Begierde mehr verspürte, es fertigzustellen und andererseits widmete er sich zu dieser Zeit lieber seinen ersten anatomischen Studien. Den Auftrag für dieses Gemälde erhielt er 1479 von den Mönchen von San Donato, nachdem Leonardo den Kirchturm der Kathedrale San Donato restauriert hatte. Sie bereiteten einen Vertrag vor, der beinhaltete, daß Leonardo eine Frist von 30 Monaten hatte, um das Bildnis fertigzustellen.
Doch seine künstlerische Laufbahn begann schon in seiner frühen Jugend. Es existiert eine Anekdote, die besagt, daß ein florentinischer Bauer Leonardos Vater Ser Piero ein Schild gab, um diesen von einem Künstler gestalten zu lassen. Der Vater gab den Schild seinem Sohn, der ihn bemalte. Der junge Leonardo sammelt allerlei Ungetier wie Fledermäuse, Spinnen und ähnliches, deshalb vermutet man, daß er die Tiere als Inspiration für den "Medusenschild" genommen hatte. Es wird erzählt, daß darauf ein Drache zu sehen war, der giftigen Atem spie und damit einen Löwen tötete. Der Vater war so angetan von Leonardos erstem Kunstwerk, daß er den Schild behielt und einen neuen kaufte, den er anschließend mit Herz und Pfeil bemalen ließ. Des weiteren sagt die Geschichte, daß der Schild später an Kaufleute aus Florenz verkauft wurde, die 100 Dukaten dafür geboten hatten.
Mit vierzehn Jahren begann Leonardo eine Berufsausbildung zum Künstler (Maler & Bildhauer). Sein Lehrmeister war Andrea del Verrocchio, der eigentlich Andrea du Michell de Francesco da Cioni hieß. Er war ein sehr angesehener Künstler und Bildhauer im damaligen Florenz.
Zu den bedeutendsten und am meisten bewunderten Bildern Leonardos gehören "Die Taufe Christi", "Die Felsgrottenmadonna" und vor allem aber die "Mona Lisa"; andere berühmte Werke sind der oben genannte "Heilige Hieronymus", das Bildnis "Johannes der Täufer" und ein Porträt einer florentienischen Dame.
Das erste dieser großen Kunstwerke war die "Taufe Christi", die im Zeitraum von 1470-1473 entstand. Es war eigentlich das Werk seines Lehrmeisters Andrea del Verrocchios, doch Leonardo hatte den Auftrag bekommen, einen Engel zu malen. Laut dem Buch "Leonardo da Vinci" von Richard Friedensthal muß diese Arbeit so brillant gewesen sein, daß Verrocchios als Anerkennung seines Schüler nie wieder einen Pinsel in die Hand genommen haben soll, sondern sich nur noch der Bildhauerei gewidmet hat.
"Die Felsgrottenmadonna" entstand 1483 in Zusammenarbeit zweier Mailänder Künstler, den Brüdern Ambrogio und Evangelista de'Predis. Laut Vertrag (abgebildet im Buch "Leonardo da Vinci - Gemälde & Schriften") sollten die drei einen hölzernen Altaraufsatz vollenden, den der Bildhauer Giacomo del Maino im Jahr zuvor errichtet und geliefert hatte. Auch bestimmte der Vertrag, daß die Künstler den Altaraufsatz vergoldeten und drei Gemälde ausführten, die an dafür vorgesehene Stellen des Altaraufsatzes angebracht werden sollten. "Die Felsgrottenmadonna", die im Musée du Louvre in Paris ausgestellt wird, besteht aus drei separaten Tafeln. Die linke Tafel zeigt einen Engel in blauem Gewand, der mit voller Hingabe auf der Geige spielt, die rechte Tafel zeigt einen anderen Engel in rotem Gewand, der die Laute spielt. Dabei schaut dieser in die Mitte der Haupttafel, wo man eine Frau (die Madonna), die mit zwei Babys und einem schon älterem Mädchen inmitten von Felsen sitzt, erkennen kann.
"Das Abendmahl" ist das wohl bekannteste und meist bewunderte Werk neben der "Mona Lisa", die Leonardo da Vinci je geschaffen hat. Es entstand in den Jahren 1495-1497. Dieser lange Zeitraum ist damit zu erklären, daß das Bildnis sehr groß ist (nämlich 4,60 x 8,80 m), und der Meister arbeitete nicht kontinuierlich daran. Matteo Bandello, der ihm oft beim Malen des Abendmahls zugesehen hatte, berichtet, (Quelle: Leonardo da Vinci: Gemälde & Schriften) daß er manchmal morgens kurz nach Sonnenaufgang anfing, am "Abendmahl" zu arbeiten und erst spät, wenn der Abend hereinbrach und das Tageslicht verschwand, aufhörte. Zu anderen Zeiten rührte er das Bild drei oder vier Tage nicht an oder stellte sich stundenlang davor, um seine Figuren anzuschauen; Bandello vermutete, daß er sie im Gedanken kritisierte.
Heute bietet "Das Abendmahl", welches im Reflektorium Santa Maria delle Grazie in Mailand ausgestellt ist, einen verfallenen und blassen Eindruck, der verbirgt, was einst wahrscheinlich ein leuchtendes und detailreiches Gemälde war. Die klaren und lebhaften Farben kommen nicht mehr zur Geltung, das Tischtuch und die acht Wandteppiche zum Beispiel sind zu neutralen Farbtönen verblaßt und haben ihre Ornamentierung schon fast völlig verloren.
Die "Mona Lisa" (Originaltitel: [ital.] La Gioconda) ist das wohl teuerste (geschätzter Wert 1997: 385.000.000,-US$; Quelle: MS Encarta Enzyklopädie 99), am meisten beschriebene und kommentierte Porträt der Kunstgeschichte geworden; man hat Novellen, Romane, Hymnen verfaßt und diese dann als Opernthemen benutzt. Sie war schon zur Zeit ihrer Entstehung sehr berühmt.
Wer war Mona Lisa? War sie eine reelle Figur?
Ist sie vielleicht ein Selbstbildnis Leonardos?
Oder trägt die "Mona Lisa" Leonardo da Vincis Züge?
Die "Mona Lisa" war eine reelle Figur. Sie war eine Mailänderin. Über ihr Leben ist nur sehr wenig bekannt, aber es wurden unzählige Vermutungen, auch über ihre Verbindung mit dem Künstler, aufgestellt. Kunstkenner und Wissenschaftler schätzen, daß sie auf dem Porträt etwa 25 Jahre alt gewesen sein muß. Auch Vasari, ein guter Freund Leonardos, der ihm sehr oft bei seinem Schaffen zugesehen hatte, berichtete, daß Mona Lisa sehr schön war, aber ebenso ungeduldig, wenn es darum ging, stundenlang Modell zu sitzen. Weiter erzählt er, daß Leonardo dann Laute gespielt hat, um sie bei Laune zu halten, damit sie kein trauriges und ermattetes Aussehen bekam.
Ihr atemberaubendes Lächeln wird noch bis heute in unzähliger Literatur beschrieben. Richard Friedenthal beschreibt es als "grausames und unbarmherziges Schmunzeln, daß den Mann unterjocht". Kenneth Clark hingegen empfindet ihr Lächeln als "strahlende Lieblichkeit oder die moderne Seele mit all ihren Krankheitszügen".
Ähnlich wie beim "Abendmahl" ist nur zu erahnen, mit welcher Leichtigkeit Leonardo bei diesem Meisterwerk den Pinsel geschwungen hat, da "Die Gioconda" ihre Farbenpracht unter einer dicken Staubschicht verbirgt. Man traut sich einfach nicht, daß Bildnis zu reinigen, da die Angst zu groß ist, es könnte dabei beschädigt oder gar zerstört werden. Doch seit kurzem ist es möglich, mit Hilfe von Infrarot- Kameras durch den Staubmantel zu sehen und so die wahre Schönheit zu entdecken.
Damit ist meine Frage, ob die "Mona Lisa" ein Selbstbildnis Leonardos ist, auch weitläufig beantwortet. Doch viele Kunstkenner der vergangenen vier Jahrhunderte behaupten, daß ihr Lächeln, dem des jungen Leonardos sehr ähnlich sei: eigentlich kein richtiges Lächeln, sondern eher ein Gefühl oder eine Stimmung, die den ganzen Lebensstil Leonardo da Vincis wiedergibt.
Zuletzt möchte ich noch ein paar Zeilen über eine andere, nicht besonders beachtete, aber nicht minder bedeutsame Illustration des Künstlers niederlegen. "Johannes der Täufer" ist ein sehr spätes Werk da Vincis gewesen, er fertigte es erst in den Jahren 1517- 1519 an und vollendete es erst kurz vor seinem Tod (2.5.1519).
Auf dem Bild ist der junge Johannes zu sehen, der splitternackt im Halbdunkel steht. Er hebt bedrohlich den Finger. Auf seinen Lippen liegt ein für Kunstforscher außergewöhnlich mehrdeutiges Lächeln, daß nur schwer zu interpretieren scheint. Pablo Picasso sagte einst über dieses Werk, daß es "eine neue Art Leonardos spirituellem Schaffens", außerdem äußerte er noch, daß die Anatomie des Bildes sehr schlecht getroffen sei, da einerseits die Proportionen der Figur nicht stimmen und andererseits die Perspektive völlig falsch gewählt sei. Letzteres ist aber nicht als Leonardos alleinige Schuld angesehen, da sich außer ihm noch zahlreiche Restaurateure und nach seinem Tod einer seiner Schüler daran zu schaffen gemacht hatten.
Welche Erfindungen und Entdeckungen machte Leonardo da Vinci zu Lebzeiten?
Leonardo da Vinci erfand zahllose Dinge, die meisten davon sind erst in diesem Jahrhundert realisiert worden, da den Menschen vor 500 Jahren das technische "Know-how" noch nicht zur Verfügung stand. Zu diesen Innovationen zählen unter anderem der Helikopter, der Fallschirm, das Fahrrad, der Panzerwagen, das Schwingenflugzeug, die Brücke, sowie zahlreiche Aufzeichnungen von neuartigen Uhren.
Andere Erfindungen entstanden nur aus übereifrigem Interesse. Tatsächlich konnten nicht all seine Einfälle realisiert werden, da sie entweder jeglichen Naturgesetzen trotzen bzw. der technische Standard der heutigen Zeit da Vincis Überlegungen noch nicht gerecht werden kann.
Noch bis 1968 konnte Leonardos bewundernswerter kleiner Entwurf für einen Helikopter, nach dem er (laut dem Buch: Leonardo - Der Erfinder) auch ein funktionsfähiges Modell gebaut zu haben scheint, als der älteste Helikopter der Geschichte gelten. Inzwischen weiß man aber, daß schon vor Leonardos Luftschraube der Mechanismus des Helikopters bekannt war und erfolgreich angewandt wurde und zwar in Form eines Spielzeuges, dessen Antriebssystem dem der Windmühlenflügel entlehnt war. Ein solches Helikopter-Modell ließ sich mittels einer Leine, die kräftig zu ziehen und fest um den Wellbaum gewunden war, in die Luft schrauben. Das älteste bekannte Spielzeug dieser Art stammt aus der Zeit zwischen 1320- 1325.
Leonardos Flugmaschine trug das Antriebssystem an Bord, hatte jedoch statt der rotierenden Flügel die unbefriedigende Form einer spiralförmigen Luftschraube. Dieser Entwurf, wie das meiste von Leonardo da Vincis Werk, wurde erst bekannt, als sich der mit verschiedenen Antriebssystemen ausgestattete Hubschrauber bereits in der Luftfahrt durchgesetzt hatte. Wenn jedoch die folgende Geschichte stimmt, - und es gibt keinen vernünftigen Grund, sie anzuzweifeln - dann hatte Leonardo indirekt entscheidenden Anteil an der Entwicklung des modernen Hubschraubers. Es heißt, Igor Sikorsky habe eine Abbildung dieses Modells von seiner Mutter gezeigt bekommen und dieses Bild habe ihn später veranlaßt, sich dem Studium des Helikopters zu widmen, in dessen Erforschung er führend werden sollte.
Der Entwurf für einen Fallschirm ist der am besten realisierbare Vorschlag, den Leonardo auf dem Gebiet des Luftwesens damals anfertigen konnte. Diese Konstruktion entstand laut Historiker um 1485 in Florenz. Neben der Zeichnung des pyramidenförmigen Fallschirms vermerkte er: "Wenn ein Mensch ein Zeltdach aus abgedichteter Leinwand, welches 12 Ellen breit und 12 Ellen hoch sein soll, über sich hat, so wird er aus jeder noch so großen Höhe herabstürzen können, ohne Schaden zu nehmen...". Ein interessantes Detail dieses Entwurfs ist die von der Spitze des Fallschirmes herabführende Stange: Leonardo wollte seiner ganzen Konstruktion Festigkeit geben, zu diesem Zweck sind die Fangleinen am Ende der Stange vertäut. Da der Flieger direkt unterhalb der Verbindungsstelle an den Armen hängt, wäre er den bei dieser Fallschirmform auftretenden Schwingungen nicht so stark ausgesetzt.
Ob Leonardo neben der allgemeinen Vorstellung, die er beschrieb, auch bereits den Absprung aus dem Flugzeug erwog, wäre interessant zu wissen und auch, warum er statt der Zeltform nicht mit einer Schirmvariante arbeitete. Da Leonardos Skizze erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt wurde, hatte sein Modell keinen Einfluß auf die Entwicklung moderner Fallschirme, die in ihrer Form alle auf den Schirm zurückgehen. Der erste Fallschirmabsprung aus der Luft wurde 1797 von Garnerin unternommen. Trotzdem besitzt Leonardos Entwurf auffallende Ähnlichkeit mit modernen Fallschirmformen.
Die Zeichnung eines Fahrrades, in der Form den Fahrrädern um die Jahrhundertwende nicht unähnlich, ist, was die Umstände ihrer Entdeckung betrifft, ein Geheimnis und eine Offenbarung zugleich. Sie kam zum Vorschein, als man den "Codex Atlanticus" (Leonardo da Vinci betitelte all seine Aufzeichnungen und ordnete sie kategorisch in einen sogenannten Codex) vor einigen Jahren restaurierte und von einzelnen Blättern die Rückseite ablöste, die seit dem 16. Jahrhundert niemand mehr gesehen hatte. Auf der Rückseite von Folio 133 (Lexikon: Folio: (veraltet) Buchformat in der Größe eines halben Bogens; gewöhnlich größer als 35 cm) entdeckt man verschiedene "Kritzeleien", - unter anderem diese Zeichnung eines Fahrrades - die anscheinend von Schülern Leonardos stammen, welche in den 90er Jahren des 15. Jahrhunderts in seiner Werkstatt arbeiteten. In dieser Zeichnung wird nicht nur vorausgesetzt, daß der Mensch auf zwei Rädern das Gleichgewicht zu halten vermag, sondern sie zeigt auch einen Kettenantrieb, der mit dem gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgekommen nahezu identisch ist. Die Lenkstange sieht ziemlich unpraktisch aus, die Zeichnung stammt aber auch nicht von Leonardo, sondern von jemanden, der nicht sein zeichnerisches Talent besaß. Was immer er in einer der Werkstätten Leonardos sah, dürfte dem modernen Fahrrad ähnlicher gewesen sein.
Die Zeichnung ist nicht nur ein Hinweis auf Leonardos visionäre Begabung als Ingenieur, sie läßt auch ahnen, was verloren ist. Wahrscheinlich ist der größte Teil seiner Maschinenbau-Entwürfe für immer abhanden gekommen und unter diesen unersetzlichen Kostbarkeiten könnte sich eine besser durchgestaltete Zeichnung des Fahrrades, womöglich sogar mit Erläuterungen befunden haben.
Zur Zeit Leonardos und auch schon früher war der gedeckte Kampfwagen in militärischen Aufzeichnungen ein geläufiges Forschungsobjekt. Valturio und Guido da Vigevano hatten bereits im 15. Jahrhundert "Panzer" mit Flügelantrieb gezeichnet, und es ist wirklich erstaunlich, daß die Welt noch weitere 400 Jahre bis zu Churchills (siehe Lexikon: Sir Winston Churchill *1874- 1965) Panzer des Ersten Weltkriegs warten mußte.
Leonardos Entwurf besaß schuppenartig übereinanderliegende Metallplatten für Scharfschützen. Doch das eigentlich Neue seines Panzerwagens, verglichen mit denen seiner Vorgänger, war seine Mobilität. Er war mit Kurbelantrieb ausgestattet, der von Menschen zu bedienen war, ohne Pferdeantrieb vorgesehen; ersteres war vorzuziehen, da Tiere in dem beengten, lärmerfüllten Raum leicht in Panik geraten konnten. Die Kurbeln waren mit horizontalen Rollenrädern verbunden, die ihrerseits die Getriebe mit den vier Laufrädern in Gang setzten. Die Funktionsmechanismen veranschaulichten Leonardos Zeichnung des Fahrwerkes (siehe Anlage), bei der der obere Teil abgenommen ist. Es existieren ältere Entwürfe, doch weder nach diesen noch nach Leonardos eigenen Plänen ist je ein Panzer gebaut worden. Es ist auch fraglich, ob Leonardo seine Konstruktion überhaupt funktionsfähig gestalten wollte, denn so, wie die Kurbel gezeichnet ist, hätte sie Vorder- und Hinterräder in entgegengesetzter Richtung angetrieben. Man wird nie erfahren, ob Leonardo aus Gewissensgründen diesen Fehler absichtlich machte, oder ob er verhindern wollt, daß der Gegner sich das Projekt zunutze machte.
Leonardo legte viele verschiedenartige Typen von Schwingenflugzeugen in seinen Aufzeichnungen nieder. Zu den populärsten gehört das Schwingenflugzeug, bei dem der Flieger auf dem Bauch liegt (um 1487), das Schwingenflugzeug mit vier Flügeln (um 1490) und das Schwingenflugzeug mit stehendem Flieger (um 1504).
Leonardos Untersuchungen der Flugmöglichkeiten basierten leider größtenteils auf der irrigen Vorstellung, die Muskelkraft des Menschen reichte aus, die Vögel nachzuahmen. Auch seine Annahme, der Vogel fliege durch Schlagen der Flügel nach unten und hinten, war falsch; tatsächlich drehen sich die Schungfedern beim Senken des Flügels und geben, winzigen Propellern gleich, Stoßkraft, während der innere Teil des Flügels den Auftrieb bewirkt. Infolgedessen unternahm Leonardo immer wieder Versuche mit einer nicht zu realisierenden Idee: ein Schwingenflugzeug mit beweglichen Flügeln (Ornithopter). Erst im Alter fand er einen gangbaren Weg: eine Konstruktion mit starren Flügeln.
Leonardo da Vinci hatte sich zum Ziel gesetzt, eine riesige Brücke zu bauen. Er wagte sich mit diesem Konzept in noch nie dagewesene, technische Dimensionen, da diese Brückenkonstruktion etwa 355 Meter lang sein sollte und etwa 75 Meter über dem Wasser errichtet werden sollte. In einem Brief an den Sultan Bajazid II. (Herrscher des damaligen osmanischen Reiches) verzeichnete er, daß "die Brücke sich so hoch über dem Wasser wölben würde, daß ein Segelschiff darunter hindurch fahren könne." Diese Brücke sollte die Pontonbrücke über das Goldene Horn als "dauerhafte" Konstruktion ersetzen.
Abschließend zu dieser Passage meines Referates werde ich noch einen kurzen Einblick über Leonardos Vorstellungen zukünftiger Uhren anfertigen.
Leonardo da Vinci war sehr interessiert an allem, was mit der Zeitmessung in Verbindung stand. Dieses Interesse wird hinreichend durch die zahlreichen über seine Manuskripte verstreuten Skizzen belegt, in denen er sich mit mechanischen Uhren und anderen Instrumenten zur Zeitberechnung befaßte.
Im "Codex Atlanticus" befinden sich einige Studien zu einer komplizierten Wasseruhr: Ein Schwimmer bewegt sich entlang einer schraubenähnlichen Führung auf und ab; er soll einen Zapfen öffnen und schließen und dadurch das Wasser auf eine Reihe von Behältern verteilen. Die Uhr war sogar mit einem Schlagmechanismus versehen.
Leonardo war auch an mechanischen Uhren fasziniert, wie dies zahlreiche Skizzen im "Codex Atlanticus" beweisen, in denen die verschiedenen Bestandteile von Uhren dargestellt sind. Jetzt, nach dem Studium der Madrider Codicies, weiß man weit mehr über Leonardo da Vincis Interesse an der Uhrmacherkunst und seine Beschäftigung mit diesem Bereich. Insbesondere können wir jetzt die Pendel, die in den von ihm entworfenen Geräten vorkommen, in neuem Licht betrachten, da bisher nicht bekannt war, ob sie mit der Zeitmessung in Zusammenhang standen.
Bereits aus der Zeit vor Leonardo gab es sehr viele Beispiele für die Zeitmessung mit Hilfe von Wasser-, Quecksilber- und Sonnenuhren sowie mit Sandgläsern. Die mechanische Uhr für den "Hausgebrauch" ist in Europa seit Anfang des 14. Jahrhunderts bekannt. Die erste genau datierte Installation einer Uhr, war die Kirchturmuhr des Mailänder Doms am 11. April 1321.
Was erbrachte Leonardo im Rahmen der Anatomie?
Leonardo agierte in seinem eifrigem Tatendrang auch als Anatom. Zu seinen bedeutendsten Aufzeichnung gehören die Studie der menschlichen Proportionen, der Embryo im Mutterleib sowie diverse Schädel- und Muskelstudien.
Es ist genau so außergewöhnlich wie bewundernswert, daß Leonardo bereits zur damaligen Zeit anatomische Studien an menschlichen Leichen vornahm, zumal die Fachmediziner noch fast ausschließlich am Buchwissen "klebten" und das Öffnen einer Leiche als gesetzwidrig galt, weil der Mensch als göttliches Geschöpf anzusehen war und nicht von "irdischer Hand" verunreinigt werden durfte.
Er hat mit feinen Sägen, die er sich eigens herstellen ließ, die Leiche eines alten Mannes geöffnet, die er sich sorgfältig ausgesucht hatte, "weil sie frei von Fett und Säften, die das Erkennen der verschiedenen Organe verhindern" und an ihr als erster die Erscheinungen der Arteriosklerose beobachtet: "kastaniengroße Versteinerungen in den Adern, von der Farbe von Trüffeln."
Seine anatomischen Skizzen des menschlichen Organismus sind bis zum heutigen Tage sehr oft kopiert worden, aber in Qualität und Detailreichtum unerreicht.
Die Zeichnung der menschlichen Proportionen (korrekter Titel: "Der Vitruvsche Kanon menschlicher Proportionen") illustriert einen Abschnitt in dem berühmten Werk des römischen Architekten Vitruv: "Der Nabel ist natürlicherweise der Mittelpunkt des Körpers. Liegt der Mensch mit gespreizten Armen und Beinen auf dem Rücken und setzt man die Zirkelspitze an der Stelle des Nabels ein und schlägt einen Kreis, so werden die Fingerspitzen beider Hände, sowie die Zehenspitzen vom Kreis berührt. Ebenso wie der menschliche Körper durch einen Kreis umschrieben werden kann, läßt sich auch ein Quadrat um ihn ziehen. Nimmt man nämlich von den Fußsohlen bis zum Scheitel Maß und wendet dieses Maß auf die ausgestreckten Hände an, so wird sich die gleiche Breite und Höhe ergeben, wie bei Flächen, die nach dem Winkelmaß quadratisch angelegt sind."
(Quelle: Leonardo da Vinci -Gemälde & Schriften)
Man weiß, daß Leonardo die anatomische Nachbildung eines männlichen Körpers plante und vermutlich auch ausgeführt hat, die er im Zusammenhang mit seinen Zeichnungen und Bildhauerarbeiten benutzt hat und welche ihm vielleicht zur Unterweisung seiner Schüler diente.
Diese Studie der menschlichen Proportionen wird auch noch heute in vielerlei Hinsicht verwandt, zum Beispiel auf den Krankenversicherungsausweisen der Barmer- Ersatzkasse.
In der großen Zeichnung "Der Embryo im Mutterleib" ist ein voll entwickelter Fötus in einer menschlichen Gebärmutter, doch mit der Plazenta von einer Kuh dargestellt. Die vier Zeichnungen rechts oben sind vergrößerte Darstellungen der Plazentazotten eines Huftieres (Leonardo wußte anscheinend nichts von der scheibenförmigen menschlichen Plazenta). Darunter, Mitte rechts, eine außerhalb des Zusammenhangs stehende Zeichnung einer exzentrisch belasteten Kugel auf einer Neigungsebene. Darunter erscheint links die winzige Skizze einer Gebärmutter mit Andeutung der Plazentazotten und rechts die flüchtige Skizze eines Fötus in der Gebärmutter, von mehreren schützenden Häutchen umgeben. Als nächstes, nebeneinander dargestellt, die Gebärmutter aufgeklappt, um Membranen und Plazenta zu zeigen und rechts ineinandergreifende Plazentazotten. Weiter unten erscheinen drei Skizzen der auseinandergeklappten Gebärmutter- und Fötusmembranen; bei der obersten Zeichnung ist auch der Embryo in seinem Amnion dargestellt. Schließlich, ohne jeden Bezug, ein Diagramm binokularen Sehens.
(Siehe Anlage: Kopie der Skizze "Embryo im Mutterleib")
Was fand Leonardo in der Tierbeobachtung und Botanik heraus?
Leonardo muß sehr tierlieb gewesen sein, da sämtlichen Biographien die überlieferte Geschichte erwähnen, wonach Leonardo da Vinci auf dem Marktplatz von Mailand den Händlern Vögel abkaufte, nur um ihnen anschließend die Freiheit wiederzugeben. Anderen Zeitgenossen war seine große Liebe zu Tieren auch hinreichend bekannt, so schrieb zum Beispiel Andrea Corsali an Giuliano de' Medici: "Er ernährte sich mit nichts, was Blut enthält und erlaubt auch nicht, daß jemand irgendein lebendes Wesen verletzt oder tötet." Demnach war Leonardo also Veganer oder zumindest Vegetarier.
Er skizzierte zahlreiche Tierarten, wie Katzen, Hunden oder Pferden. Diese verwand er später zu künstlerischen Zwecken; seine zahllosen Katzenstudien brachte er in sein Bildnis "Die Madonna mit der Katze" ein. Dieses eher unbekannte Werk Leonardos zeigt eine Frau, die eine Katze im Arm wiegt, dabei ist es verblüffend, wie realistisch die Katze dargestellt ist, denn Leonardo porträtierte etwa drei Jahre vor der "Madonna mit der Katze" schon eine Frau mit einem Kind im Arm. Doch die Proportionen des besagten Kindes entsprechen keineswegs denen der Realität, Leonardo da Vinci stellt das Kind wie einen kleinen Erwachsenen dar; der Kopf ist verhältnismäßig klein und die Gliedmaßen sind viel zu lang, außerdem sind die Gesichtszüge des Babys zu sehr ausgeprägt um ein Kleinkind darzustellen. Diese Ungenauigkeit ist jedoch auch bei andern Künstlern dieser Zeit zu erkennen.
Seine Untersuchungen an Pferden verwertete Leonardo später bei zahlreichen Reiterstandbildern. Die wohl berühmteste dieser Staturen ist wohl die Bronzefigur des Francesco Sforza; eine über sieben Meter hohe Gestalt auf einem Pferd zu der etwa 200000 mailändische Pfund Bronze (ein Mailänder Pfund des 16. Jahrhunderts entspricht etwa einem Drittel eines Kilogramms) notwendig gewesen wären.
Leonardo da Vinci dachte sich auch eine Vielfalt an "Fabelwesen" aus. Er setzte aus reellen Tieren Phantasiewesen zusammen, vergleichbar mit Einhörnern.
Im Mittelalter und in der Renaissance war es allgemein üblich Fabelwesen zu erfinden. Leonardos erste solche Figur war der bereits erwähnte Drache, der auf dem "Medusenschild" dargestellt ist. Diesen kann man als Kreation der von anderen Menschen abgelehnten Eigenschaften der Haustiere Leonardos (Spinnen, Eidechsen, etc.) bezeichnen; heutzutage nennen wir solche Wesen schlicht Monster.
Einhörner galten in der Renaissancezeit als Allheilmittel, sie konnten jegliche Krankheiten heilen, wie etwa die Pest, sie konnten alles verschmutzte reinigen, und es wurde den Einhörnern nachgesagt, daß sie eine von Gott gesandte Figur seien, die sogar den Teufel höchst persönlich vertreiben können. Auch Leonardo stellte mehrmals diese göttlichen Geschöpfe dar. Auf einem dieser Entwürfe ist auf spektakuläre Weise ein Einhorn dargestellt, welches Wasser aus einem verschmutzten Teich trinkt und ihn anschließend unter Mithilfe seines Horn wieder kristallklar und rein hinterläßt.
Da Vinci agierte auch ab und an in der Botanik. Er zeichnete Blätter und Pflanzen. Er beobachtete den Baumwuchs und die Stellung der Blätter an den Zweigen. Seine Pflanzenzeichnungen spiegeln diese Forschungen wieder: es sind keine gepreßten Herbariumsblätter, sondern Lebewesen, die sich dehnen. Neben seinen anatomischen Darstellungen sind sie das schönste Zeugnis für seine unvergleichbare Gabe, wissenschaftliche Genauigkeit mit künstlerischer Gestaltung überzeugend in einem Werk darzustellen.
Seine Gesundheit begann nun zu schwanken, zum ersten Mal in seinem Leben wurde er krank. Seine Helfer und Diener vernachlässigten ihn; in seinen Tagebüchern werden immer wieder heftige Klagen beschrieben. Er begann Tiere aus Wachs darzustellen und füllte Hammeldärme mit Hilfe eines Blasebalgs mit Luft, bis sie das ganze Zimmer ausfüllten. So erschreckte und verprellte er die wenigen Besucher, die aus Ekel in die Ecken des Zimmers flüchten. Meiner Meinung nach vereinsamte er und wurde auch nach und nach leicht senil.
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