Der zweite Weltkrieg war wohl eines der bedeutendsten und schrecklichsten Ereignisse des letzten Jahrhunderts. Durch ihn fanden dann später viele Veränderungen, Wandlungen und Neuerungen statt. Auch in der deutschen Literatur fanden diese Wechsel statt. In diesem Zeitraum schrieb man keine fröhlichen Gedichte mehr, man erzählte auch keine Märchen mehr von der "Guten, heilen Welt". Die Autoren besannen sich darauf, von der Wirklichkeit zu berichten, das Erlebte schriftlich niederzulegen und zu verarbeiten, um klare Gedanken über das Übel der Zeit zu fassen. Das Publikum war jedoch zu jener Zeit nicht unmittelbar bereit, über das Geschehene zu lesen, geschweige denn darüber nachzudenken. Erst nach und nach wurde der Schrei der Verdrängung immer lauter und man begann nun doch die Geschichten und Gedichte der Trümmerliteratur zu lesen, um auf diese Weise aufarbeiten zu können, was einen quälte und bedrückte.
Viele bekannte Autoren, wie Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann und Paul Celan verfassten ab 1945 ihre Gedichte, Kurzgeschichten und Dramen über die Nachkriegszeit. Alle Autoren waren gezeichnet vom Schrecken des Krieges und fühlten sich verpflichtet, der Welt von der Wahrheit über den Krieg, der Heimkehr der verletzten Soldaten und der eventuellen Zukunft, zu berichten. Heinrich Böll bekannte sich 1952 offen zu der Trümmerliteratur in Deutschland und sagte: "Wer Augen hat zu sehen, der Sehe! (...) Das Auge des Schriftstellers sollte menschlich und unbestechlich sein (...)." Es war also von äußerster Priorität den Zurückgebliebenen und Heimkehrern etwas von der sogenannten Jahrhundertkatastrophe zu erzählen und davon zu berichten. Zu jener Zeit bildete sich auch die Gruppe 47, welche die Werke der jeweiligen, sogenannten "Mitglieds"-Autoren las, bewertete, kritisierte und auch prämierte. Diese Vereinigung, von zum Teil ehemaligen Autoren des Zeitschriftenmagazins "Der Ruf", traf sich erstmals 1947 mit der Absicht, die noch jungen Autoren der Nachkriegszeit zu fördern und zu bestärken. Die Gruppe 47 wurde damals auch ziemlich früh schon zum festen Bestandteil des bundesdeutschen Literaturbetriebs. Zum späteren Zerfall dieser wichtig gewordenen Gruppe, kam es allerdings leider schon kurz vor der Studentenrevolte 1968, wo es zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe kam und was dann letztendlich zur Auflösung führte.
Im Folgenden werden nun Kurzgeschichten aus der Sammlung: "Erzählte Zeit - 50 deutsche Kurzgeschichten der Gegenwart" von dem Verlag "Reclam" und verschiedene Gedichte behandelt.
Unter dem Gesichtspunkt "Die Doppelbödigkeit im Krieg: Wirklichkeit im Krieg" erscheinen die Werke "Das Manöver" von Wolfdietrich Schnurre, "Der Tänzer Malige" von Johannes Bobrowski und "Die Schlucht" von Hans Bender. Bei diesen drei Geschichten kommt jeweils ein Soldat, General oder Kämpfer ums Leben. Er stirbt einen Heldentod oder er lässt sein Leben wegen seiner unkontrollierten Wut und/oder Unachtsamkeit. Die Absicht bei diesen drei Texten könnte sein, dass den Zurückgebliebenen nach dem Krieg eine Art Frontbericht geliefert wird, um die ständige Frage "Warum nur?" und "Warum musste gerade er sterben?", zu besänftigen und somit dem Tod der gefallenen, geliebten Personen eine Bedeutung, wenn nicht sogar einen Sinn zu geben. Denn jeder wird sich früher oder später über die Frage des "Seins" und natürlich auch mit der Frage des Sterbens beschäftigen müssen. Spätestens nach solchen grausamen Verlusten, wie man sie oft im Krieg erlebte, kommt man um die existenzielle Frage nicht mehr herum und diese Geschichten bieten auf bestimmte Weise eine Besänftigung. Bei den Geschichten "Nachts schlafen die Ratten doch" von Wolfgang Borchert, "Wanderer kommst du nach Spa" von Heinrich Böll und "Die rote Katze" von Luise Rinser unter der Zuteilung: "Zerstörung und Verstörung: Auswirkungen des Krieges" kann man inhaltlich jeweils von einem bedeutendem Verlust einer engvertrauten Person oder eines Tieres sprechen. Es wird beschrieben wie sich die Ängste des Alleinseins und die des Bedauerns im inneren einer Peson breit machen und zu unvorstellbar, suspekten Handlungen führen. Die Absicht in dieser Kategorie ist wohl, dass die Menschen damals wahrscheinlich mehr Angst davor hatten, jemanden zu verlieren, eine geliebte Person nie wieder sehen zu können, anstatt Angst davor zu haben, durch Bombenanschläge selbst mit in den Tod gerissen zu werden und andere Mitmenschen allein und hilflos zurück zu lassen. Jedoch ist das Ausmaß im Krieg weither unvorstellbarer. Menschen erlebten und überlebten weitaus schlimmere Situationen, als unsere Vorstellungskraft es für möglich hält. Diese Texte sollen nun den Überlebenden wieder Hoffnung spenden und zeigen, dass das wohl schlimmste zu dieser grausamen Zeit überstanden sei und dass man froh über sein eigenes Leben sein sollte. Zur heutigen Zeit erinnert es uns auch daran, was unsere Vorfahren erleben mussten, um uns um diese Erfahrung zu bereichern und die Wertschätzung des Lebens neu erkennen zu lassen. Unter der Überschrift "Anpassung bis zum Untergang: Deutschland im dritten Reich" findet man die Geschichten "Er war ihm zu ähnlich" von Arno Schmidt, "Lipmanns Leib" von Johannes Bobrowski und "Ein Liebesversuch" von Alexander Kluge. In diesen Geschichten werden Juden bis auf das tiefste gedemütigt, misshandelt, geschändet und letztendlich umgebracht. Die Diskriminierung der Juden begann in Deutschland bereits weit vor dem Krieg, jedoch die Angst vor Deportation herrschte während des Krieges vor. Selbst nach dem Krieg, als diese Geschichten spielten, war der Judenhass immer noch präsent und es wurde auch kein Hehl daraus gemacht, sich dazu öffentlich zu bekennen. Das, was die Deutschen sich im Krieg vorzuwerfen hatten, war selbst nach Kriegsende noch nicht zu Ende. Der Hass regierte weiterhin, doch nur wenige Menschen waren zur Vernunft gekommen, kümmerten sich und sorgten für das gehasste und verfolgte "Volk". Diese Geschichten wollten wohl noch mal und erneut auf die Fehler des NS-Regimes und des Volkes im Zeitraum des Krieges aufmerksam machen und daran erinnern, dass eine neue Epoche begonnen hat, ohne Hass, Vorurteilen und falscher Arroganz. Auch in der Lyrik versuchte man den Zeitgeist der Generationen zu erfassen und auszudrücken. Beispielsweise wurde mit dem Gedicht "Todesfuge" von Paul Celan von 1948, deutlich auf die Judenmorde im dritten Reich hingewiesen. Da man zu dieser Zeit einfach nur wegschaute und behauptete, nie etwas von solchem Tun gewusst zu haben, nahm sich Celan dessen an und versuchte so mit seinem Gedicht auf indirektem Wege den Leuten bewusst zu machen, was man ohnehin schon wusste, aber nicht wahr haben wollte. Auch Hans Magnus Enzensberger wies mit seinem Gedicht "Ins Lesebuch der Oberstufe" von 1957, darauf hin, dass den Menschen, in der Zeit des NS-Regimes, auch jegliches Misstrauen fehlte. Alles wurde belanglos hingenommen, zu nichts wurde auch nur der kleinste Widerspruch eingelegt. Enzensberger war es also wichtig, einem begreiflich zu machen, das Misstrauen und das Hinterfragen die beste und einfachste Möglichkeit ist, eine gerechte und ehrliche Gesellschaft zu formen. Der nächste Bereich "Die Blutspur zur Freiheit: Kollaboration und Widerstand" besteht aus den Texten "Arkadien" von Stephan Hermlin und "Orangen vor ihrem Fenster" von Jürg Federspiel. In diesen beiden Geschichten geht es um deutsche Deserteure, die wegen ihrer Untreue gehängt beziehungsweise getötet wurden. Zunächst fällt auf, dass es für die Leute damals, wie eine Selbstverständlichkeit war, die Deserteure zu töten und somit zu bestrafen. Anhörungen und Verhandlung waren in diesem Fall wahrscheinlich ein Fremdwort und dies zeugt von einer totalen Grausamkeit und Ignoranz der verantwortlichen Personen. War oder ist es denn richtig solche "Fahnenüberläufer" so zu bestrafen, wie sie einst selbst jemanden bestraft haben könnten? Jeder Mensch hat ein Recht auf einen fairen Prozess und dies sollte wohl auch mit den Geschichten ausgedrückt werden. Man darf niemals den Tod oder die Tötung eines Mitmenschen ohne Protest hinnehmen. Man sollte alles auf seine Richtigkeit hinterfragen und überprüfen, um somit eine Gerechtigkeit für alle Menschen zu schaffen. Im nächsten Abschnitt "Überdenken und Überleben: In der Kriegsgefangenschaft", befinden sich die beiden Geschichten "Festschrift an Captain Fleischer" von Alfred Anders und "Die Wölfe kommen zurück" von Hans Bender. In diesen Geschichten wird der Aufenthalt zweier Kriegsgefangenen im Lager geschildert. Verwunderlich ist hierbei jedoch, dass die jeweiligen Personen ihren Aufenthalt sehr gelassen schildern und nicht, wie erwartet, voll von Hass erfüllt sind und versuchen von dort zu entkommen. Wahrscheinlich soll dies darauf hindeuten, dass es für die Gefangenen zu diesem Zeitpunkt nichts ausmachte, dass sie nicht zurück nach Hause und zu ihrer Familie konnten. Wichtiger war es ihnen wohl, dass der Krieg vorbei, sie noch am Leben waren und auch wieder einen Sinn in ihrem Leben sahen. Es war nicht wichtig räumlich frei zu sein, sondern vom Krieg befreit worden zu sein. Im folgenden erscheint das Thema "Restauration in Ruinen: Probleme der Nachkriegszeit" mit den Texten "Auf der Flucht" von Wolfdietrich Schnurre, "Die schlesische Gräfin" von Gerd Gaiser und "Der Gleichgültige" von Siegfried Lenz. Es werden die allgemeinen Probleme beschrieben, die sich in der Nachkriegszeit stellten. Für die Menschen war es nicht einfach wieder neu anzufangen und sich alles wieder aufzubauen. Man musste mit dem Wenigsten auskommen und teilweise mit noch weniger. Schwierig war es wohl auch, die eigenen Ansprüche herunterzuschrauben und das Wenige, was man vielleicht gerade besaß, zu teilen. Deutlich wird dies in der Geschichte von Schnurre, wo eine Gräfin ihren übriggebliebenen Schmuck vor der Gefährtin und auch Lebensretterin versteckt, um noch eigenen Besitz und in gewisser Weise auch Privatsphäre zu verspüren. Als das Schwierigste zu dieser Zeit, kann man ansehen, dass man selten oder nie alleine war, keine klaren Gedanken fassen konnte, geschweige denn sie schriftlich zu verarbeiten, da Papier für den Einzelnen viel zu teuer gewesen war. Damals fehlte es deutlich an psychischer Hilfe für die Hinterbliebenen um aufarbeiten zu können, was geschah und was es für den Einzelnen bedeutete. Als weiteren Gesichtspunkt wird "Erreichte Wunder, überdeckte Wunden: Die fünfziger Jahre" mit den Texten "Verjährt" von Gabriele Wohmann, "Während des Films" von Josef Reding und "Das Ende einer Welt" von Wolfgang Hildesheimer, genannt. Die fünfziger Jahre waren eine Zeit der \"Restauration\", der Wiederherstellung und der früheren, bürgerlichen Ordnungen. Man legte Wert auf Anstand und Moral, auf Fleiß und Pünktlichkeit. Es war wohl auch eher so, dass man sich nicht mehr besonders für das Thema des 2.Weltkrieges interessierte und auch lieber die Ereignisse der vergangenen Zeit ignorierte. Man wollte nur noch wegsehen und vergessen was geschehen war und auch das vergessen, was Schande über das deutsche Land gebracht hatte. Es war für diese Generation nicht wichtig, was damals, irgendwann passierte. Die Zukunft und das Wirtschaftswunder war das, worüber man nachdenken wollte und musste. In den Geschichten wird dies sehr deutlich, da sich die Menschen leicht von diesem Thema ablenken ließen oder sich mit neuen Perspektiven Abhilfe schaffen wollten. Ingeborg Bachmann drückt hingegen mit ihrem Gedicht "Reklame" aus, wie die kommerzielle Welt damals mit Werbesprüchen und Plakaten versuchte, es für die Gesellschaft unmöglich zu machen, sich Gedanken über das eigene Dasein, über seine Ängste und Träume zu machen. Es sollte für die Industrie nicht mehr wichtig sein, das Individuum zu befriedigen. Der alleinige Konsum, egal auf welchem Wege, war wichtig. Dann weiter wird das nächste Jahrzehnt mit "Auflösungserscheinungen einer Festveranstaltung: Die sechziger Jahre" beschrieben. Darin enthalten sind die Geschichten "Ländliches Fest" von Gabriele Wohmann, "Der Fernsehkrieg" von Fritz Rudolf Fries und "Uni" von Wolfgang Weyrauch. Deutschland ging es von nun an immer besser. Wirtschaftlicher und technischer Aufschwung begleitete die Leute zu dieser Zeit. Über den Krieg sprach man nicht mehr, Wohlstand und Vorankommen in der Gesellschaft dominierte das Handeln der Menschen. Jeder bekam Arbeit und die Chance, ein geordnetes und gutes Leben führen zu können. Die nun neue, junge Generation war nun auch nicht mehr bereit sich den älteren Menschen, die Deutschland wiederaufgebaut hatten, unterzuordnen. Diese Generation wollte selbst mitbestimmen und an allen Angelegenheiten beteiligt werden. Man versuchte soviel Freiheit wie nur möglich zu erlangen, jedoch sank damit auch der bestehende Respekt vor öffentlichen Autoritäten. Dieses zeitgenössische Denken wird in den oben genannten Geschichten deutlich sichtbar. Das Theaterstück "Die Ermittlung" von Peter Weiss, versuchte dem Publikum 1965 visuell klar zu machen, was geschah und warum die Vergeltung an den Tätern in den Gerichten, so wichtig war. Bedeutend war für ihn auch, dass die Masse verstand, dass Wegschauen keine Lösung war, dass Gerechtigkeit walten muss, egal wann, unter welchen Umständen und in welcher Generation. In der Kategorie "Das Zeitgefühl der Unruhe: Die siebziger Jahre" geht es weiter. In dieser stehen die Texte "Das Zeitgefühl der Rache" von Alexander Kluge, "Du fährst zu oft nach Heidelberg" von Heinrich Böll und "Das Wiedersehen" von Peter Schneider. Auch hier wird die Problematik dieses Jahrzehnts angedeutet und behandelt. Der Drang nach noch mehr Freiheit wird in jenen Tagen immer größer und man versuchte der Gefangenheit durch den Staat und durch das Umfeld zu entfliehen. Man demonstrierte und revoltierte gegen den eigenen Staat. Der Schrei nach Reformen, Arbeit und Gleichberechtigung wurde immer lauter. Zwar werden diese Themen nur indirekt in den Geschichten genannt, doch im Hinblick auf die damalige politische und wirtschaftliche Situation kann man gewisse Parallelen zu den Inhalten der Texte erkennen.
Abschließend kann man erwähnen, dass wohl jeder Autor in seinen Geschichten oder Gedichten, auf seine Weise den Zahn der Zeit getroffen hat und das Publikum mehr oder weniger betroffen und nachdenklich stimmte. Auch heute kann man bestimmte Parallelen zu aktuellen Geschehnissen und Ereignissen ziehen und an ihnen die Gefühlslage und Gedanken der betroffenen Menschen ablesen.
|