Gentechnik Der Mensch betreibt seit Jahrtausenden eine züchterische Veränderung von Lebewesen. So sind aus heute zum Teil gar nicht mehr bekannten Wildformen unsere Kulturpflanzen wie Weizen, Mais, Kartoffel usw. entstanden. Im konventionellen Züchtungsverfahren werden die kompletten Erbsätze von Elternorganismen neu gemischt, mit entsprechend großer Vielfalt der Eigenschaften der nächsten Generation.
Nur die Organismen mit einer optimalen Merkmalskombination werden für die Weiterzucht zugelassen. Bei der zu Beginn der 70er Jahre entwickelten Gentechnik handelt es sich um eine neue molekularbiologische Methode der gewünschten Veränderung des Erbguts. Dabei können einzelne Gene für bekannte und erwünschte Eigenschaften über die biologische Artgrenze hinweg von einem Organismus auf einen anderen übertragen werden; mit herkömmlichen Züchtungsverfahren ist dies nicht möglich.
So kann beispielsweise das Gen für menschliches Insulin auf Bakterien übertragen werden, die dann in Kultur Humaninsulin produzieren; 500.000 Zuckerkranke in Deutschland sind täglich darauf angewiesen. Im Grunde genommen wird also mit der Gentechnik lediglich das Spektrum der Züchtungstechniken erweitert. Dabei hat die Gentechnik zwei große Vorteile: Die genetische Neukombination beschränkt sich auf das erwünschte Gen, das Ergebnis ist vorhersagbar.
Es entstehen keine unerwünschten Genkombinationen, die im traditionellen Züchtungsverfahren erst wieder durch langwierige Kreuzungen weggezüchtet werden müssen. Gentechnik führt also sehr viel schneller und mit vorhersagbarem Ergebnis zum Züchtungser- erfolg. Neben der gezielten Veränderung von Erbanlagen ermöglicht die Gentechnik auch die Analyse des Erbguts. Anwendungsgebiete sind die Feststellung erblich bedingter Prädispositionen für bestimmte Krankheiten, die Klärung der Abstammung bei Vaterschaftsnachweisen und die Identifizierung von Tätern in Strafverfahren. Zur Gentechnik zählen dagegen nicht: Klassische Züchtungsverfahren, moderne Fortpflanzungstechniken wie extrakorporale Befruchtung oder - in der Tierzucht - Übertragung von Embryonen auf Leihmütter, zellbiologische Verfahren wie die Herstellung tierischer Hybride (\"Schiege\" aus Schaf und Ziege) und von Pflanzenhybriden (z.B. Nektarine), die Klonierung von Organismen (z.B. Stecklinge, Ableger) sowie Embryoteilung und Embryotransfer bei Nutztieren. Allgemeine Einsatzmöglichkeiten Anwendungen in der Medizin Der Einsatz der Gentechnik in der Medizin ist von enormer Bedeutung, da vielen Krankheiten, z.b. Krebs, Schizophrenie, Alzheimer und Erbkrankheiten wie Mukoviszidose oder der Bluterkrankheit, genetische Defekte zugrunde liegen. Arzneimittelherstellung Bei der Herstellung von Impfstoffen bietet die Gentechnik einen großen Vorteil. Beim klassischen Verfahren ist ein Umgang mit den abgeschwächten Erregern nötig, so dass ein Restrisiko für die Geimpften bleibt sich zu infizieren. Durch die Anwendung gentechnischer Methoden wird das Impfmaterial völlig ungefährlich. Dies wird erreicht indem nur die Gene, die für die Immunität verantwortlich sind übertragen werden. Das erste gentechnisch hergestellte Arzneimittel war das 1982 in den USA zugelassene menschliche Humaninsulin. Allein in Deutschland brauchen 500 000 Diabetiker täglich Insulin zum Überleben. Dieses wurde bisher aus Schweinen gewonnen, da Schweine-Insulin sich nur um eine Aminosäure von dem menschlichen unterscheidet. Durch die Gentechnik war es möglich das Insulin-Gen in Mikroorganismen zu überführen, welche das Insulin in ausreichenden Mengen produzieren. Diagnostik Im Bereich der Diagnostik ist die Gentechnik aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit bei der Herstellung reiner Proteine gefragt. Viele Diagnoseverfahren beruhen auf der Wechselwirkung von Proteinen miteinander (z.B. Antigen - Antikörper). Im Fall einer Infektion bildet der Kranke Antikörper gegen das infektiöse Antigen. Das Vorhandensein dieser Antikörper im Blut ist daher Indiz für das Vorliegen einer bestimmten Infektion. Mit gentechnisch gewonnenen Antigenen können solche Antikörper nachgewiesen werden. Bekannte Beispiele sind Diagnostika auf Hepatitis oder AIDS. Moderne Methoden gestatten es, ein Gen direkt zu untersuchen. So können Gene von gesunden und kranken Menschen miteinander verglichen werden. Mit diesem Wissen um die Beschaffenheit der Gene werden sehr genaue Diagnosen möglich. Auch für die Blutzuckerbestimmung werden gentechnisch hergestellte Enzyme benötigt. Sehr einfache Verfahren ermöglichen es den Zuckerkranken den Glucosegehalt ihres Blutes jederzeit selbst zu überprüfen. Gentherapie Große Hoffnungen seitens der Ärzte und Patienten werden auf die Gentherapie gesetzt. Hier werden bestimmte Gene direkt in den Körper übertragen, mit dem Ziel schwere Krankheiten zu behandeln. Selbst bei Erbkrankheiten wie Mukoviszidose und der Bluterkrankheit lässt die Gentherapie hoffen. Im Fall von Mukoviszidose wird das defekte Gen per Nasenspray verabreicht. Es sind zwar Erfolge zu verzeichnen, die Wirksamkeit schwankt jedoch stark von Patient zu Patient, zudem hält die Wirkung nur etwa eine Woche an. Anwendungen in der Chemie Auch im Bereich der chemischen Industrie kommt die Gentechnik zum Einsatz. Hier werden als nachwachsende Rohstoffe Pflanzen mit modifizierten oder neuen Inhaltsstoffen verwendet. Bei der Herstellung von Ethanol (Alkohol) beispielsweise, werden gentechnisch veränderte Hefen eingesetzt, durch welche die Ausbeute der Vergärung erhöht wird. Auch aus Pflanzen gewonnene Fette und Öle stellen einen großen Markt dar. Forschungsziel sind transgene Pflanzen, die bestimmte maßgeschneiderte Fette und Öle herstellen. Anwendungen in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion Durch den Einsatz von Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sollen Pflanzen und Tiere optimiert werden. Tierzüchtung Durch Einsetzen fremder Wachstumsgene in Tiere, z.B. Lachse oder Rinder, wird erreicht, dass diese schneller wachsen bzw. mehr Milch geben. So können Landwirte Fleisch und Milch billiger produzieren. Transgene Tiere können ebenfalls zur Herstellung von Medikamenten genutzt werden. Hierbei wird einer befruchteten Eizelle beispielsweise eines Schafs ein Gen für die Bildung eines bestimmten Proteins eingesetzt. So entstehen transgene Nachkommen, deren Milch das betreffende Protein enthält. Dieses kann zur Arzneimittelherstellung genutzt werden. Pflanzenzüchtung Es lassen sich drei verschiedenen Ansätze für den Gentransfer unterscheiden:1. Mittels eines Plasmids (kleiner DNA Ring) werden neue Gene in höhere Pflanze eingeschleust. 2. Beschuss mit DNA: Kleine Gold- oder Wolframkügelchen (Durchmesser ca. 1 bis 3 nm) werden mit DNA beschickt und in intaktes Gewebe geschossen. Die DNA wird abge- geben und in die Chromosomen eingebaut. 3. Protoplasten-Transformation: In Gegenwart bestimmter Chemikalien haben Protoplasten (künstlich erzeugte, wandlose Zellen) die Eigenschaft DNA aufzunehmen, welche anschließend in die Chromosomen der Zelle eingebaut werden. Ein weiteres Beispiel für die Anwendung von Gentechnik ist die Anti-Matsch-Tomate. Anfang 1994 wurde die gentechnisch veränderte Tomate nach Sicherheitsüberprüfungen von der zu- ständigen US-Behörde zur Vermarktung freigegeben. Normale Tomaten enthalten ein Gen für die Bildung von Polygalacturonase, ein Enzym welches für das Matschigwerden reifer Tomaten verantwortlich ist. Normale Tomaten werden daher grün geerntet, transportiert und erst am Zielort durch Begasung (mit Ethen) zum "Er- röten" gebracht. Bei dieser künstlichen Nachreife der isolierten Tomaten entsteht aber nicht das typische Tomatenaroma. Die gentechnisch veränderte Tomate zeichnet sich durch bessere Haltbarkeit und aromatischen Geschmack aus. Diese Qualitätsverbesserung ist durch das Ein- schleusen eines bestimmten Gens erreicht worden, welches die Bildung von Polygalacturonase verhindert. Die transgene Tomate kann also an der Pflanze reifen, bildet dabei die charakter- istischen Geschmacksstoffe und wird erst im gereiften Zustand geerntet und transportiert. Anwendungen zum Umweltschutz In der Umwelt kommt die Gentechnik in den Bereichen Abwasser- und Abluftreinigung sowie der Entsorgung von organischen Abfällen zum Einsatz. Bei der Abwasserreinigung werden durch technische Verfahren die Selbstreinigungs- und Abbauprozesse von Gewässern konzentriert und kompakt gestaltet. Die Gentechnik liefert hier besonders leistungsfähige Bakterien. Eine weitere Anwendung biotechnischer Prinzipien im Umweltbereich stellen Überwachungssysteme für Wasser, Abwasser und Boden dar. Kläranlagen betreibende Unternehmen haben Frühwarnsysteme, um Unfälle zu vermeiden. Sie verwenden dafür ein gentechnisch hergestelltes Leuchtbakterium. Pro und Contra der Technologie PRO · Die intensiven Bemühungen der Pflanzenzüchtung in den letzten 50 Jahren haben bei vielen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erhebliche Ertragssteigerungen gebracht. Dennoch hat der Mensch nach immer neuen Strategien gesucht, um einige Hürden, die die konventionelle Pflanzenzüchtung nicht überwinden kann, zu umgehen. Eine der Hürden stellt die natürlich gegebene Barriere des Genautauschs zwischen Arten dar, auch wenn vereinzelt Artkreuzungen wie Triticale, eine Kreuzung zwischen Weizen und Roggen, gelungen sind · Gentechnische Methoden können diese Artgrenzen überwinden, indem gezielt Gene, die aus verschiedeneren Organismen wie Viren, Bakterien, Pilzen, Pflanzen und Tieren isoliert wurden und für bestimmte Eigenschaften stehen, in fremde Organismen (Viren, Bakterien, Hefen, Pflanzen, Tiere) übertragen werden können, die sie unter natürlichen Bedingungen nie erhalten würden. Darin liegt die Chance der Gentechnik. · Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen reicht von der Landwirtschaft und der · Lebensmittelindustrie über die Medizin bis hin zur pharmazeutischen Industrie. Als gentechnisch zu verändernde Organismen stehen heute praktisch alle bekannten Organismen zur Verfügung. Die Palette reicht von den Viren und Bakterien, die hauptsächlich wie die pilzlichen Hefen bevorzugt in der Lebensmittelindustrie als sog. Starterkulturen für biotechnologische Umsetzungen oder als Lieferant verschiedener Zusätze zu unseren Nahrungsmittel dienen. · Höhere Organismen wie Pflanzen oder Tiere sind für landwirtschaftliche Anwendungen gedacht, finden aber teilweise immer mehr Anwendung als \"Biofabriken\", in denen eine Vielzahl fremder pharmazeutisch oder medizinisch nutzbarer Substanzen produziert werden kann. · Mit Hilfe der Gentechnik ist also vieles, was den Menschen nützlich sein kann möglich. Contra · Viele Kritiker sehen eine besondere Problematik darin, dass durch die Genmanipulation mögliche Nebeneffekte auftreten könnten: z.B. eine Auswirkung auf den sekundären Stoffwechsel der Pflanzen. Dies könnte eine Auswirkung auf die Produktion möglicher allergener Substanzen haben. Durch die Produktion von neuen Eiweißen nehmen Allergien in erschreckendem Ausmaß zu. · Bereits betroffene Allergiker könnten dadurch Probleme bekommen, dass bestimmte Eiweiße aus speziellen Pflanzen, gegen die sie allergisch reagieren, sich in anderen Nahrungsmitteln wiederfinden. Wer vemutet tierische Eiweiße in Kartoffeln oder in Tomaten Erdnussproteine? · In diesem Zusammenhang hat ein Beispiel besonders in den USA die Diskussion neu entfacht. Die Sojabohne wurde mit einem Protein aus der Paranuss versehen, um einen höheren Nährwert zu erreichen. Gerade dieses eine Protein aus einem Spektrum von mehr als 1000 Proteinen der Paranuss hat sich als ein Auslöser von Allergien entpuppt. Daraufhin wurde ein Antrag auf Marktzulassung zurückgezogen. Bakterien als Genfähren! Während der 70er-80er Jahre entwickelte Jozef Schell mit seinem Team eine entscheidende Methode, um Pflanzen gentechnisch verändern zu können. Das Team schleuste mit Hilfe des Bakterium Agrobacterium t. fremde Gene in Pflanzen ein. Sie konnten das nur tun, weil die Natur eine solche Genfähre schon vor Jahrmillionen selbst entwickelt hatte. Sie hatten nicht nach einer solchen Fähre gesucht, sondern sie haben sie einfach entdeckt. Beim eingehenden Studium des Bakteriums entdeckte man, das die Bakterien bestimmte Gene auf die Pflanzen übertragen. So Kamen sie auf den Gedanken, dass Agrobacterium eine nützliche Genfähre sein könnte. Die Übertragung von Genen des Agrobacteriums auf die Pflanze erfolgt in der Form, dass eine Kopie eines bestimmten Fragments eines Plasmids übertragen wird. Dieses Plasmid haben wir Ti-Plasmid genannt und das Fragment das übertragen wird, T - DNA . Man brauchte das neue Gen einfach nur in die T - DNA einzuschleusen - in einen gewissen Teil des Plasmids - damit es automatisch auf Pflanzen übertragen wird. Plasmide sind ringförmige DNA - Moleküle, die Bakterien zusätzlich zur DNA ihrer Chromosomen besitzen. Ein solches Plasmid spielt also bei der Übertragung von Genen durch die Genfähre Agrobacterium die entscheidene Rolle. Inzwischen lassen sich viele Pflanzen mit Agrobacterium gentechnisch verändern. Gentechnische Veränderung von Pflanzen ist des halb so wichtig, weil (Zitat Jozef Schell):" Weil man auf diese Art und Weise molekulare Züchtung betreiben kann, d.h. dass man Eigenschaften auf Pflanzen Übertragen kann, die in Pflanzen aufgrund der Evolution normalerweise nicht vorhanden sind. Das Besondere ist also, dass man fremde Informationen zur Züchtung von Pflanzen einbringen kann. Das Agrobacterium eignet sich hervorragend zur genetischen Veränderung der meisten Pflanzen mit 2 Keimblättern. Unsere wichtigsten Nahrungspflanzen, die Getreide, haben aber nur 1 Keimblatt. Einkeimblättrige Pflanzen ließen sich bislang nur schwer mit Agrobacterium genetisch verändern. Um solche Pflanzen zu verändern, kommt häufig Genkanone zum Einsatz. Als Kugeln verwendet diese Kanone feine Goldpartikel mit einer Hülle der fremden DNA. Sie werden mit hoher Geschwindigkeit auf das Pflanzengewebe abgeschossen, wobei sie das Gewebe zum größten Teil zerfetzen. Einzelne Zellen bleiben jedoch intakt. In wiederum einzelnen dieser Zellen gelangt die fremde DNA in den Zellkern und wird in das Erbgut der Pflanze eingebaut. Beim Agrobacterium handelt es sich um ein natürliches Bakterium, d.h., es kommt auch im Boden vor. In Wissenschaftskreisen gelten der Gebrauch des Bakteriums und der Einsatz der Gentechnik für die Pflanzenzüchtung als ungefährlich. Man muss auch erwähnen, dass man mit Sicherheit sagen kann, dass diese Methode weniger Gefahren birgt, als traditionelle Kreuzungsmethoden. Denn es wird viel weniger fremde Information übertragen.
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