Zuerst war es ein Tag wie jeder Andere: Karl Müller, seit 30 Jahren Fliesenleger, war auf dem Weg zur Arbeit. Heute kam er auf die neue Baustelle am Friesenplatz, wo der Rohbau jetzt soweit fertig war, das er damit beginnen konnte, die Sanitärräume zu verfliesen. Als er die große Sandfläche betrat, die das Betonskellet des in den Himmel ragenden Turms umsäumte, sah er, wie der graue Transporter der Baufirma durch das große Tor rollte. Im Transporter sah er den ganzen Bautrupp sitzen, am Steuer sein alter Arbeitskollege Matze. Freundlich winkte er dem Bus zu und freute sich, das Matze ihn auch gesehen hatte und zurück winkte.
"Prima" dachte er, "wenn die Jungs heute weiter am Erdgeschoß und der Tiefgarage arbeiten, kann ich ja gleich nach oben fahren, hier unten sind ja genug Leute, die aufpassen". So ging er gleich um das große Gebäude herum, stieg in den Transportaufzug und drückte den Knopf für die oberste Etage.
Seine Kollegen dagegen hatten ganz andere Sorgen: Eigentlich wollten sie heute als Erstes alle Maschinen und Zugänge neu absichern, weil der Gewittersturm letzte Nacht so manches Sperrband einfach aus dem Gängen und Fluren gefegt hatte, aber auf der anderen Baustelle im Rosenhof hatte der Regen den Erdwall des Kelleraushubs unterspült und die ganze Matsche war in die frischen Kellerschächte gelaufen und drohte nun, die Rohranschlüsse endgültig zu verstopfen. Also griffen sich die Kollegen nur die große Schlickpumpe, hängten sie hinten an den Transporter und sahen zu, am Rosenhof zu retten, was noch zu retten war.
Als der Transporter mit quietschen Reifen und scheppernder Schlickpumpe auf die Hauptstraße zurückflog, dachte Matze noch darüber nach, eigentlich das Tor wieder zuzumachen, aber er dachte auch, das Karl ja eigentlich gleich wieder um die Ecke kommen müßte, nicht ahnend, der der schon längst mit dem Aufzug nach oben verschwunden war.
Eine Stunde war vergangen, als der Wagen von Gas- Krause auf die Baustelle gebogen kam. Alex, der Fahrer, wollte nur eben die neuen Gasflaschen abladen lassen und dann gleich weiter in Elli\'s Futterkrippe zum Frühstück. Also machte er nur den Motor aus, sprang aus der offenen Tür und lief Richtung Keller, wo er den Bautrupp vermutete. Leider wußte er nicht, daß die Kellertreppe alles andere als fertig war und die Absperrbänder in der Nacht davon geweht waren. Kaum setzte er einen Fuß auf die Treppe, rutsche durch sein Gewicht der noch frische Beton mitsamt der ganzen Verschalung und Alex als eine Riesenmatschlawine in den Kellerschacht, wo Alex dreckig und fluchend ohne Treppe gefangen war.
Wenig später entdeckten die Jungen Kalle, Fritz und Moritz erst das offene Tor und dann den offenen Lieferwagen. Übermütig setzen sie sich ans Steuer und spielten Autofahren, bis Kalle dann auch mal am Zündschlüssel drehte....
Sofort sprang der noch warme Diesel an - der Wagen machte einen Satz nach vorne, und die drei Jungen sprangen voller Angst aus dem fahrenden Auto.
Der Wagen jedoch knallte erst gegen die Schienenlager des Baukrans, verschob die Spuren und riss dann den Stromkasten aus der Verankerung. Die Funken reichten aus, um das Gas der aufgeschrammten Gasflaschen zur Explosion zu bringen, während der Kurzschluß im Schaltkasten den Baukran loslaufen ließ. Als der Kran dann aus den verbogenen Schienen rutschte und im Fall erst die rechte Seite des Neubaus und dann die Sporthalle der Grundschule in ein Trümmerfeld verwandelte, schaute der Fliesenleger Karl Müller aus dem Fenster des obersten Stockwerks, aufgeschreckt durch den Exposionsknall, den Krach der einstürzenden Trümmer und den vielen Rauch, und fragte sich, was heute schiefgegangen ist....
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