Die Philosophie Platons stellt die Grundlage für eine Vielzahl der später erarbeiteten Theorien vor allem in der Beschreibung des Erkenntnisprozesses dar. Das Problem des Apriorismus beschäftigt die Philosophie ebenso wie die Naturwissenschaft noch heute, und das Höhlengleichnis ist dabei ein oft zitiertes Beispiel.
Man braucht nur in einer mondlosen Nacht den Kopf zu heben, um das Unmögliche vor Augen zu haben: einen Raum der Raum der ¯Welt®, dessen Unendlichkeit ebensowenig vorstellbar ist wie seine endliche Abgeschlossenheit. ¯Wir ahnen die Unermeßlichkeit unserer Unwissenheit, wenn wir die Unermeßlichkeit des Sternenhimmels betrachten!® hat Karl R. Popper dies einmal treffend formuliert. In demselben Augenblick, in dem wir in einen Raum hineinsehen, dessen Natur uns ein Geheimnis bleibt, sind wir der Meinung, daß es für jedes Problem eine mit der menschlichen Vernunft erreichbare Lösung gebe. Doch wir sind das Opfer der Illusion, die Wirklichkeit, in der wir leben, sei unserer Vernunft uneingeschränkt zugänglich, wie es bereits in dem Höhlengleichnis zum Ausdruck gekommen ist.
Wie begründet die erkenntnistheoretische Skepsis ist, die aus Platons Gleichnis spricht, dafür steht die jahrhundertelange Geschichte des naturwissenschaftlichen Erkenntnisfortschrittes. Man kann das eigentliche Wesen aller naturwissenschaftlichen Forschung sogar am treffendsten charakterisieren, indem man sie als die Anstrengung beschreibt, mit deren Hilfe der Mensch versucht, den Augenschein, in dem sich die Dinge darbieten, zu überwinden. Erst dieser Vorstoß kann wenigstens ein Stück der wahren, eigentlichen Natur freilegen, die der Augenschein, der sich uns als ¯real® aufdrängt, in Wahrheit verbirgt. ¯Wären überhaupt die Dinge das, was man ihnen oft ansieht, so müßten jede Untersuchung und Wissenschaft sich erübrigen!® (Peter Sloterdijk; ¯Kritik der zynischen Vernunft®). Sie sind es eben in keinem Falle, und das ist eine große Erkenntnis Platons, die er bereits im vierten Jahrhundert v.u.Z. machte.
Damit begründete Platon eine spezielle philosophische Disziplin, die ¯Erkenntnislehre® (bzw. ¯Erkenntnistheorie®), die sich einzig und allein damit beschäftigt, herauszufinden, wie es sich mit unserer Erkenntnis und Erfahrung über die Welt im einzelnen verhält. Diese Frage hat bis heute, fast zweieinhalb Jahrtausende nach Platon, noch immer keine endgültige Antwort gefunden. Allerdings scheint man sich in letzter Zeit als Ergebnis eines Zusammenschlusses philosophischerkenntnistheoretischer und naturwissenschaftlicher sberlegungen der Lösung erheblich genähert zu haben. Basierend auf den Problemen, die Platon aufgeworfen hat, und den weitreichenden Ausführungen Immanuel Kants zu diesem Thema findet die seit einigen Jahrzehnten hauptsächlich von Konrad Lorenz und Karl Popper entwickelte sogenannte ¯evolutionäre® Erkenntnistheorie immer breitere Zustimmung.
|