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philosophie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Seneca

Logik

Kreativität

John dewey (1859-1952)



Dewey lehrte an Universitäten in Chicago und New York. Durch seine zahlreichen philosophischen, psychologischen, pädagogischen und sozialphilosophischen Schriften verschaffte er den pragmatistischen Ideen in breiteren Kreisen Resonanz - "was den Einfluss und die Breite seines Werks betrifft, der Riese unter den Pragmatisten."
Dewey nennt seinen Pragmatismus instrumentalistisch. Große Einflüsse sind für Dewey der prozessuale Charakter (gegen Fixierung und Abstraktion gerichtet) bei Hegel, in Darwins Evolutionstheorie ("weil er das Phänomen des Lebens durch das Prinzip des Übergangs aufgeschlüsselt hat") und in Peirce´ semiotischen Pragmatizismus. Deweys tiefster philosophischer Impuls ist der Widerstand gegen jedes abstrakte Denken.


Kontinuität

Besonders regte ihn der Dualismus "zwischen etwas, was einerseits, und etwas hieß andererseits, involviert zu sein schien" auf. Diesen Skandal, so Dewey, gilt es zu beenden durch die Konstruktion einer Logik, die ohne abrupten Bruch der Kontinuität auf die beiden Gebiete angewendet werden kann. Die kritisierte, auch als "fact/value dichotomy" bekannte These, besagt folgendes:
. Faktenwissen und Werturteile sind strikt voneinander getrennt. (Wissenschaft ist wertfrei)
. Wissenschaftliche Rationalität könne allein zur Erkundung dienen, welche Mittel zur Erreichung eines Zweckes notwendig sind. Zur Erkundung der obersten, handlungsmotivierenden Zwecke selbst ist sie unbrauchbar. (Thematisierung der Leitwerte der Mittelwahl unmöglich)
Sie wird im analytischen "mainstream" oft als schlüssig ausgegeben. Für Dewey ist, ganz im Gegenteil, sowohl die Wissenschaft, als auch der ethische Diskurs einem Argumentationskontinuum zugeordnet. Beide Formen haben es nicht bloß mit Mitteln sondern immer auch mit (End)Zwecken zu tun. Diese Zwecke - die im Forschen und Handeln angestrebt werden - sind freilich nicht von überzeitlich stabiler Struktur, sondern - in Deweys Terminologie - "ends in view" (also situationsabhängige Leitzwecke). Diese werden neuerlich hinterfragbar im Weiterforschen und Weiterhandeln. Zwecke werden somit wieder zu Ausgangslagen oder "Mitteln", die sich auf ein abgeändertes "end in view" beziehen lassen. Vor dem Hintergrund dieses - auf verbesserbare Mittel-Zweck Verknüpfungen bezogenen - Kontinuums, ist Wissenschaft nicht "wertfrei". Seine "Kontinuitätsthese" richtet sich - da sie unser Experimentieren auf das Feld der Ethik ausdehnt - auch gegen jede Wertmetaphysik, die ein unhinterfragbares, keinem Lernprozess zugängliches System ewiger Werte behauptet. Der ethische Lernprozess ist pragmatisch betrachtet, zur Gänze hypothetisch (wie die Wissenschaft). Ethische Handlungszwecke bleiben "ends in view", und zwar als idealiter, die besten, die in einem gegebenen historischen Zeitpunkt "in Sicht" sind.
Neben Deweys Versuch, die Dichotomie zwischen Wissenschaft und Moral zu unterlaufen, ist sein Angriff auf die Dichotomie zwischen Kultur und Natur (durch eine "kontinuierliche Theorie von Intelligenz") von besonderer Bedeutung:
Der offene Prozess eines Wachstums der "Intelligenz" (unsere Theorien werden immer besser) steht für Dewey in kontinuierlicher Verbindung mit den evolutionären Adaptierungsprozessen vormenschlicher Organismen an ihre Umwelt. Dewey postuliert somit "Kontinuität zwischen Kultur und Natur".

Demokratie und Erziehung

Deweys Forschungslogik, die das offene Wachstum von Intelligenz und Wissenschaft mit ethischen Maßstäben in Verbindung bringt, hängt in jedem ihrer Aspekte zuletzt mit Gesellschaft zusammen. Nicht jede Gesellschaft ist freilich gleich gut geeignet, ihr "intelligentes Wachstumspotential" zu entfalten. Dewey unterscheidet zwei Typen:
. Traditionale Gesellschaften, die, sofern sie sich überhaupt verändern, diese Veränderung nicht explizit beabsichtigen.
. Posttraditionale Gesellschaften, die die Verbesserung ihrer Organisationsform ausdrücklich wünschen und befördern.
Demokratien exemplifizieren den zweiten Typus. Dewey weiß, das Demokratie kein Besitz ist, sondern eine Aufgabe: Diese offene Struktur bietet die Bedingung, dass sich das kommunale Lernen (potentiell amelioristisch) auf veränderte Situationen einstellen kann. Sie ist eine Art gewaltloser "permanenter Revolution", wie Habermas ganz im Sinne Deweys schreibt. Dewey sieht in der Demokratie jenes "social ideal", das die umfänglichsten Lern- und Interaktionschancen eröffnet, die es evolutionsgeschichtlich bisher gibt. In der demokratischen Lebensform hat das pragmatisch-experimentelle Handeln seinen gesellschaftlichen Ort gefunden (Redefreiheit als wissenschaftliche Methode entspricht etwa der Freiheit Hypothesen aufzustellen und zu kritisieren). Demokratie als "social ideal" ist in den bestehenden Demokratien freilich nur unzulänglich realisiert: "Demokratie ist eine weitere und reichere Idee, als dass sie selbst im besten Staat exemplifiziert werden kann." Er sieht klar, dass politische Kontrolle oft in Hände von Berufspolitikern fällt, "die nicht an Probleme oder Prinzipien interessiert sind, sondern allein daran, Macht zu behalten oder zu erlangen, indem sie Wahlen gewinnen, und die Vorteile ihres Amts nicht für öffentliche Zwecke nutzen, sondern dazu, ihren eigenen Einfluss zu verstärken." Dagegen gilt es die partizipatorischen Elemente innerhalb der Parteien auszubauen, bestehende (freiwillige) Assoziationen zu stärken und neue zu gründen, v.a. aber einen Erziehungsprozess zu fördern, der, in Schule und Universitäten, die Idee der Demokratie (nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch im Stil der zwischenmenschlichen Interaktionen) fördert.
In der Demokratie ist die intelligente Verbesserung der Institutionen ans kritische öffentliche Argument gebunden (somit potentiell an alle). Jedoch sollen Fragen weder bloß von Experten delegiert werden, noch in einem weitgehend argumentationslosen, formaldemokratischen Abstimmungsprozess, in dem die Mehrheit die Minderheit majorisiert, zu einem schnellen Ende gebracht werden. Gegen beide Fehlformen spricht sich Dewey aus. Expertenwissen ist zwar unverzichtbar, doch sind Fachwissenschaftler ja gar nicht in der Lage, die soziale Bedeutung ihrer Forschungsergebnisse mit Umsicht abzuwägen. Z.B. können die Erfinder der "in-vitro Fertilisation" die rechtlich instrumentellen Folgeprobleme die ihre Erfindung aufwirft, nicht befriedigend abklären. Sie tun gut daran, Fragen dieser Art an den öffentlich-politischen Beratungsprozess weiterzuleiten. Zweitens können demokratische Entscheidungen nicht bloßem "Köpfezählen" überantwortet werden. Der Differenzierungs-, Lernprozess den Demokratie in Aussicht stellt, kann nur durch einen öffentlichen Diskurs aus dem Ideal "intelligenter" Zustimmung verwirklicht werden (nicht als argumentationslose Abstimmungsmaschinerie). Wie kenn der Antifundamentalist Dewey ein solches Ideal verteidigen?
Sein Ideal ist kein (apriorisch anzusetzendes) Leitbild (ein rein gedankliches), vielmehr ist die Aufgabe, aus den vorhandenen Formen des Gemeinschaftslebens die positiven (wünschenswerten) Züge herauszuheben, die negativen (unerwünschten) zu kritisieren und auf Verbesserungen hinzuweisen (das Ideal muss praktisch brauchbar sein). "Demokratie ist ein Ideal im einzig verständlichen Sinn eines Ideals: nämlich, die bis zu ihrer äußersten Grenze getriebene, als vollendet und vollkommen betrachtete Tendenz und Bewegung einer bestehenden Sache." (Demokratie ist hingespannt auf die Ameliorisierbarkeit öffentlicher Institutionen)
Nur durch Erziehung - so Dewey - kann sich die Menschheit in Richtung der Maximierung der sozialen Interaktionen bewegen: "Die Sache der Demokratie ist untrennbar verknüpft mit der Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten eines jeden Mitglieds der Gesellschaft." Sein Erziehungsziel ist das wohlerwogene, eigenständige Urteils, die Fähigkeit Lebensprobleme eigenständig zu beurteilen. "Erziehung soll die Gewohnheit des aufgeschobenen Urteils, des Skeptizismus und des Wunsches nach Beweisstücken kultivieren, den Appell an die Beobachtung statt an das Gefühl, an die Diskussion statt an das Vorurteil, an die Forschung statt an die herkömmlichen Idealisierungen." Kurz alle Aspekte pragmatischen Denkens, v.a. dessen anti-dogmatischen, erfahrungsoffenen Grundimpuls. Auch gilt es das Verständnis für soziale Interessen anderer zu fördern: "In einer komplexen Gesellschaft, ist die Fähigkeit, die Handlungen und das Los anderer zu verstehen, eine Voraussetzung bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele, die nur durch Erziehung hervorgebracht werden kann."

Pragmatische Ästhetik

Auch in der Theorie der Kunst will Dewey falsche Dichotomisierungen überwinden, v.a. die Trennlinie zwischen der Hochkultur ("fine Arts") und der Populärkultur ("popular culture"): "Vorstellungen die die Kunst auf einen entrückten Sockel stellen, sind derart verbreitet und setzten sich so unbemerkt durch, dass gar mancher eher befremdet wäre, wenn man ihm sagte, er genösse seine Freizeitbeschäftigung zumindest teilweise ihres ästhetischen Wertes wegen. Die Zweige der Kunst, denen der Durchschnittsmensch unserer Tage vitalstes Interesse entgegenbringt, werden von ihm nicht zur Kunst gezählt: Zum Beispiel Filme, moderne Tanzmusik, Comics usw." Diese elitistische Abtrennung der "fine arts" von der "alltäglichen" ästhetischen Erfahrung hält Dewey für verhängnisvoll. Er geht zum Elitismus auf Distanz, der den "guten Geschmack" der Oberschicht vom "vulgären Vergnügen" der Unterschicht zu scheiden vorgibt. Kunst wird, nach Dewey, abgedrängt in Opernhäuser, Galerien und Museen usw., wo sie, als ein Produkt aufbewahrt, administriert und zur Schau gestellt wird. Dieser Prozess zieht eine bedauernswerte Austrocknung der ästhetischen Erfahrung nach sich: In den Museen, Galerien usw., nimmt das Kunstwerk den perversen Status an, nicht einfach Kunst, sondern Repräsentant der Kunst zu sein und sonst nichts. Für die "Oberschicht" werden die Kunstgegenstände zu Prestigeobjekten des "Klassenexhibitionismus" ("Nebensächliches, wie die Lust am Sammeln und Zeigen, am Besitzen und Vorführen, gibt sich als ästhetischer Wert aus"). Deweys Ästhetik zielt - ganz auf der Linie der radikalen Moderne, die den induzierten Isolations- und "Musealisierungsprozess" der Kunst zurückweist - darauf ab, "zwischen den Kunstwerken als verfeinerten und vertieften Formen der Erfahrung und den alltäglichen Geschehnissen, Betätigungen und Leiden, die bekanntlich die menschliche Erfahrung ausmachen, eine erneute Kontinuität herzustellen." (für Dewey hat alles Erfahren ästhetischen Gehalt).
"To the aesthetic experience the philosopher must go to understand what experience is." Aufgrund dieser Prädominanz des ästhetischen Akzents steht Deweys pragmatischer Empirismus im Gegensatz zu den meisten Philosophien der Erfahrung, die damit anheben, dass sie sich auf rigid eingeengte Gesichtspunkte konzentrieren (seien dies Impressionen, Sinnesdaten oder intuitiv erfasste Wesenheiten).
Die Möglichkeit, ästhetische Erfahrungen zu machen, ist, so Dewey, viel breiter gestreut, als die Ideologien der Hochkultur suggerieren. "Kunst" tritt in einer Pluralität künstlerischer Handlungen auf. Zu der einen oder anderen dieser Handlungen ist jeder Mensch fähig: D.h. die Kunst ist keineswegs auf die Subklasse "der Künstler" eingeschränkt. Künstlerische Erfahrung hat für Dewey, wie Richard Shusterman zeigt, in vielen ihrer Manifestationen jenen körperbezogenen Charakter, der z.B. den Tanzenden (etwa beim ) die befreiende Qualität der Bewegung nicht bloß als beobachtbares Bewegungsmuster distanziert anschauen, sondern im des Vollzugs fühlen lässt. Wenn Kunst in glückenden künstlerischen Handlungen praktisch "verkörpert" wird, hat sie eine Form, in der die dichotomische Gegenüberstellung vom ästhetischen Akteur und Kunstwerk aufgehoben ist.
Dewey will die Kunst aus den Gefängnissen der "Hochkultur" befreien (und damit zugleich die weitgehend unausgeschöpften Potentiale der "fine art" - postkonventional - freisetzen). Der kontinuierliche Prozess jener ästhetischen Erfahrungen, die im Alltag beginnen und sich in den spezifischeren Formen avancierter Kunstexperimente fortsetzen, lässt die Hoffnung aufkeimen, dass Kunst - gerade "nach dem Ende der institutionalisierten Kunst" - in der offenen Pluralität demokratisierter ästhetischer weiterhin florieren wird können.

 
 

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