"Auflösung der Theologie in Anthropologie"
Feuerbach verfolgte die Absicht, aus jedem Theologen einen Anthropologen, aus jedem Theofilen (Gottesfreund) einen Philanthrop (Menschenfreund), aus jedem Kandidaten des Jenseits einen Studenten des Diesseits und aus den religiösen und politischen Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie freie und selbständige Bürger der Erde zu machen.
Die Verneinung des phantastischen Scheinwesens der Theologie und Religion und Bejahung des wirklichen Wesens des Menschen war sein Hauptanliegen.
Insgesamt wirft Feuerbach der Religion bzw. dem Christentum folgendes vor:
. Die Religion sei ein Hirngespinst, das die Menschen von ihren wahren irdischen Aufgaben ablenke. Er verlangte von ihnen, daß sie ihren Blick auf die Realität dieser Welt und ihre Mitmenschen richten. Die Menschen sollen sich nicht weiter um das "Phantasieprodukt" Jenseits kümmern, sondern zu Menschenfreunden werden. Für Feuerbach befindet sich die wahre Wirklichkeit auf der Erde.
Hiermit widersprach er auch der antiken Ansicht Platons, daß die Welt, die die Menschen wahrnehmen, lediglich das Abbild eines in einer höheren Sphäre vorhandenen Urbildes ist, man also zwischen Sein und Schein unterscheiden muß.
. Der Vorwurf, die Vertreter der Kirche seien Kammerdiener der Monarchie, entspringt der geschichtlichen Tatsache, daß die Kirche nur all zu oft als Hilfsinstrument der staatlichen Politik mißbraucht wurde.
Die Menschen (Christen) sollen endlich freie, selbständige Bürger werden und sich auf ihre Mitmenschen und Fähigkeiten konzentrieren.
. Die Bibel nahm er mit ihren eigenen Worten aufs Korn, indem er ihre Aussage umdrehte. Statt "Und Gott schuf den Mensch nach seinem Bild." (1.Mose 1,26) sagt Feuerbach: "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bild."
. Ebenso kritisierte Feuerbach, daß im Christentum ein Abschieben der Verantwortung und der Hilfeleistung auf Gott leicht möglich sei. Anstatt eines persönlichen Eingreifens würden die Menschen sich im Gebet gerne auf Gott als den "Helfer und Heiler" verlassen. Er forderte die Menschen auf, selber zu Helfern und Wunscherfüllern gegenüber den Mitmenschen zu werden:"Homo homini deus est!" - Der Mensch ist dem Menschen Gott.
Hierbei ist jedoch der Unterschied zwischen "...dem Menschen Gott." und des Menschen Gott zu beachten. Letztere Aussage würde wieder die Möglichkeit zur Projektion der menschlichen Wünsche auf ein höheres oder überhöhtes Wesen beinhalten.
. Religion ist nach Feuerbach ein einziges Schein- und Wunschgebilde, das der in sich zerrissene Mensch aufbaut, indem er seine Wünsche und Sehnsüchte auf ein himmlisches Wesen projiziert, von dem er die Erfüllung erwartet.
Karl Marx greift die Ideen Feuerbachs auf und deutet sie neu für seine Theorie der klassenlosen Gesellschaft. Nach Marx benutzt die reiche Oberschicht Kirche und Religion lediglich, um die benachteiligte Unterschicht auf das Jenseits zu vertrösten, in dem es ein solch irdisches "Jammertal" nicht gebe.
|