Anaximander lebte wie Thales fast zeitgleich in Milet und machte sich ebenfalls Gedanken über das Arche, allerdings mit weniger hylozoistischem Gedankengut und anderen Erkenntnissen. Als Ursprung allen Seins sah er nämlich das Apeiron. Das Apeiron ist eigentlich nur eine logische Fortführung von Thales Theorien und im Grunde nur eine Verallgemeinerung seines Wasserprinzips bis zur Unkenntlichkeit, die im wahrsten Sinne des Wortes das Unbestimmte darstellt. Anaximander erkannte nämlich schon frühzeitig, daß der Urstoff alles Seienden unmöglich ein Prinzip von etwas Seiendem oder gar etwas Seiendes sein kann, da das Sein immer wieder mit Eigenschaften einhergeht und alles, was Eigenschaften hat, muß selbst entstehen müssen. Insofern kann man das Arche auch nicht weiter konkretisieren als etwas, das nicht mehr ist als das "Unbestimmte".
Mit all seinem Abstraktionsvermögen verliert Anaximander schnell den Bezug zur Realität, mag man meinen. Was soll das sein, das Apeiron? Etwas, das nicht mehr ist als das "Unbestimmte", das auf der einen Seite nichts Seiendes sein kann, da Seiendes mit Materie, Materie mit Eigenschaften und Eigenschaften mit Ursprung selbst wieder zusammenhängen, und auf der anderen Seite nichts Nicht-Seiendes sein kann, da "Immaterie" wohl kaum die Materie begründen kann. Eine Komponente zwischen Sein und Nichtsein also. Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich?
Interessant sind allerdings auch Anaximanders Weltentstehungstheorien. Aus dem Apeiron entwickelten sich nämlich seiner Meinung nach einst gegensätzliche Welten, die sich untereinander in ihrer Gegensätzlichkeit aufhoben und so nebenher existieren konnten. In ihrer Gesamtheit prägten sie so das Individuum. Anaximander sah dabei die Entstehung des Lebens im Wasser, aus dem sich die Vorfahren aller heutigen uns bekannten Lebewesen bildeten. Gleichermaßen verweist er auch schon deutlich auf unsere heutige Deszendenztheorie, wenn er die Anpassung der Urlebewesen an ihre Umweltbedingungen und die Übersiedlung an Land beschreibt.
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