Im 19. Jahrhundert ließ der türkische Sultan Abdul Hamid II angeblich sämtliche Hinweise auf die Formel \"H2O\" aus den Chemiebüchern streichen. Der Sultan war fest davon überzeugt, dass das Symbol des Wassers nichts anderes als \"Hamid II ist eine Null\" bedeute. Mag seine Hoheit damals auch ein wenig überreagiert haben - auch heute ist unser Verhältnis zur Null eher zwiespältig. Im Kaufhaus wird sie gemieden, scheint doch DM 0,99 so sehr viel weniger als DM 1,00. Andernorts schönt man mit \"Nullwachstum\" die Bilanzen, und ködert mit \"Nulltarifen\" potenzielle Kunden.
Erfunden, oder besser: \"entdeckt\", wurde sie vor über fünftausend Jahren. Damals entstanden in Mesopotamien die ersten Städte. Rasch wurden deren Handels- und Verwaltungsstrukturen so komplex, dass die Mesopotamier ihre Verträge und Vorschriften schriftlich festhalten mussten. Die Null, zu der Zeit noch einfach als Begriff für \"Nichts\" gebraucht, erwies sich dabei als durchaus nützlich. Ihr Wandel vom Zeichen zur Ziffer sollte allerdings erst viel später vonstatten gehen: um 900 v.Chr. in Indien.
Aus der Bezeichnung für \"Nichts\" wurde eine mathematische Vokabel (Null - lat.: nulla figura, keine Zahl), die es erlaubte, große Zahlen mit wenigen Ziffern darzustellen. Gäbe es sie nicht, so müssten wir - wenn wir über die Zahl Neun hinaus zählen wollten - für jede weitere Zahl ein anderes Symbol haben. Selbst die römische Art des Zählens stellte keine Alternative zum Einsatz der Null dar. Sie war schlichtweg viel zu kompliziert, gibt es doch kein logisches System, mit dem sich durch Addition von XLIII (43) + XXIV (24) = LXVII (67) konstruieren lässt.
Die Null musste also zwangsläufig \"entstehen\". Nur sie ermöglicht das Stellenwertsystem und die Gliederung einer Zahl wie \"340\" in drei Hunderter, vier Zehner und null Einer. Zwar bezeichnet die Null nichts, doch bringt sie eine Zahl, die vor ihr steht, dazu, mehr zu bezeichnen, als wenn sie allein stünde.
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