Die Merkmale "deutscher-, oder auch arteigener Kunst" sind recht vage: "Deutsche Kunst" soll Wahrheit, Klarheit und Logik auszeichnen. Sie soll durch Können geprägt sein und ein stolzes, kräftiges, gesundes und anderen Rassen überlegenes Menschenbild propagieren.
"Die Kunst muss Verkünderin des Erhabenen und Schönen und damit Trägerin des natürlichen und gesunden sein." (Hitler)
"Deutsche Kunst" im Nationalsozialismus musste an Traditionslinien vor dem Impressionismus anknüpfen. Sie bediente sich bewährter Stilmerkmale. Es war "Kunst dem Volk", dienender Teil der Volksgemeinschaft. Im Mittelpunkt steht der deutsche Mensch, erbgesund und rasserein. Wichtiges Genre ist dabei die Aktmalerei: "Der deutschen Malerei ist nun der Akt vor allem eine Sache blutvollen Lebens (...) Ihr geht es um Leiber, so wie sie von Natur aus sein sollen, Bestformen, um rein durchgebildeten Gliederbau, um rassige Straffheit, um gut durchblutete Haut..." (Kaufmann, 1975)
Im Gegensatz zu den Impressionisten und Expressionisten, die Wert darauf legten durch ihre Gemälde Gefühle auszudrücken und Erlebnisse zu verarbeiten, hielten sich Vertreter der "arteigenen Kunst" strikte an die naturalistischen Forderungen, wie anatomische Richtigkeit, zeichnerisches Detail und Gegenstandsfarbe.
So hatte die "deutsche Kunst" in den Augen der Nationalsozialisten einen Feind, der besiegt werden musste, die "moderne Kunst". Und das heisst auch: es gab einmal eine "deutsche Kunst", diese ist zerstört worden. Abgrenzen, ausgrenzen, zerstören und vernichten; dies die bekannte Taktik des NS- Regimes, die sowohl im Bereich der Bildenden Künste, als auch in der Musik angewandt wurde. Es galt zu zerstören, was die deutsche Volksgemeinschaft bedrohte, damit gerettet werden konnte, was Deutschland früher einmal gross gemacht hatte. Mit dieser Kunstvorstellung wurden kleinbürgerliche und bildungsbürgerliche Ängste bedient, die schon lange verunsichert waren, seit die Kunst ihren Massstab nicht mehr in traditionellen naturalistischen Qualitätskriterien hatte.
Der italienische Anthropologe Cesare Lombroso (1836-1909), führte den naturwissenschaftlichen Begriff "Entartung" für Normalabweichungen im Sinne einer Verschlechterung ein. Die Nationalsozialisten übernahmen diese Bezeichnung und setzten
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"moderne Kunst" mit "entarteter Kunst" gleich. Für sie war Kulturverfall die Folge von Rassenvermischung, alles rassisch vermischte also "entartet".
Öffentliche Verleumdungskampagnen
Bereits in den 20er Jahren bahnten sich die öffentlichen Verleumdungen von Kunst und Künstlern, sowie Angriffe gegen Ausstellungen und Sammlungen an.
Die 1920 in Weimar gegründete "Deutsche Kunstgesellschaft" kämpfte gegen die "Verrottung der Kunst" und für eine "rein deutsche" Kunst.
Seit 1927 formierte sich eine Vereinigung, die von der NSDAP abhängig war und sich ab 1929 "Kampfbund für deutsche Kultur" nannte.
1933 begann die Gleichschaltung der Kontrolle des Kulturwesens: Es wurden Fachkammern für Schrifttum, Presse, Rundfunk, Theater, Musik und Bildende Künste errichtet. Die Oberste Instanz war die Reichskulturkammer.
Nach der Machtergreifung der NSDAP wurde in die Museumsarbeit eingegriffen, indem Kunstwerke, die nicht den Vorstellungen der "deutschen Kunst" entsprachen, aus den Ausstellungen entfernt wurden. Diese Werke inszenierten NSDAP- Mitglieder nachher in sogenannten "Gräuelausstellungen" und "Schreckenskammern". Parallel zu einer "Schreckenskammer" wurde ein Schauraum, ein "Musterkabinett" mit "positiven Beispielen" installiert.
"Die Ausstellung soll den Abgrund zeigen, an den wir getrieben wurden. Sie soll erzieherisch wirken durch den Schrecken vor der Zerstörung unseres Kunstwesens und durch allmähliche Zurück- und Hinleitung zu den alten deutschen Kunstidealen..." (Neue Mannheimer Zeitung, 1933)
Im Mai 1938 wurde das Gesetz über die "Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst" verabschiedet, welches besagt, dass Werke, die als "entartet" festgestellt worden sind, ohne Entschädigung zu Gunsten des Reichs eingezogen werden können. Die Einziehung ordnet der Führer und Reichskanzler an. Er trifft die Verfügung über die in das Reich übergehenden Gegenstände.
Durch das Gesetz von 1938 "zur Einziehung entarteter Kunst" legitimiert, wurden die Kunstwerke, von denen sich das NS- Regime Geld versprach, 1939 in der neutralen Schweiz, im Luzerner Auktionshaus Fischer, versteigert. Der überwiegende Teil der beschlagnahmten Werke wurde jedoch gegen Devisen oder im Tausch gegen Bilder aus der Zeit vor 1900 deutschen Kunsthändlern überlassen. Der unveräusserbare Rest von über 4000 Werken wurde verbrannt.
Viele der damaligen Künstler, deren Werke als "entartet" diffamiert wurden, flüchteten aus Deutschland. Und dies aus dem einfachen Grund, weil sie eine Kunstrichtung vertraten, die Konflikte aufzeigt und zum kritischen Nachdenken anregt und deshalb ein Feind war, der von den Nationalsozialisten bekämpft werden mussten.
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