Ich denke, dass der Mann sehr verbittert aussieht. Er hat womöglich riesigen Stress auf Arbeit. So alt wie er aussieht, würde man meinen, dass er schon Jahrzehnte auf eine Beförderung hofft. Diesmal wäre vielleicht die Chance da gewesen. Doch er hat derzeit viel Krach mit seiner Ehefrau Jaqueline, die einen Geliebten hat. Dieser ist zwar 20 Jahre älter als Hans-Eberhardt-Horst, dennoch wirkt er aktiver, jünger und flexibler.
Ganz schön deprimierend. Seine Gattin will die Scheidung. Das schlimme daran: Dieser 20 Jahre ältere Mann ist ihr Cousin 2.Grades. Kann ja auch sein, dass sie ihren Cousin um Hilfe bat, ihren Mann loszuwerden. Denn sie ist schon seit mehreren Jahren ihrer Ehe sehr frustriert.
Er ruht sich nur zu ihren Lasten aus: Wäscht nicht, kocht nicht, putzt nicht und und und. Außerdem hat er durch den Stress auf Arbeit kaum die Möglichkeit, sich mal zu duschen. Wegen den Schweißflecken ist er sogar auf einen schwarzen Anzug angewiesen. Er stinkt und bemerkt es nicht mal. Das geht schon seit fast 20 Jahren so. Zurück zur Arbeit.
Durch die Strapazen mit seiner Frau, arbeitet er sehr unkonzentriert und kriegt deswegen wieder nicht die schon seit Jahrzehnten gewünschte Beförderung. Erneut 10 Jahre warten. Stattdessen ergattert ihn der 35jährige Enkel des Leiters. 35 Jahre alt. Viel zu jung, laut Hans-Eberhardt-Horst. Das kränkt und erzürnt ihn so sehr, dass der seine Knarre zückt und Amok läuft.
Er knallt um sich. Als er jemanden trifft, aber nur streift, bricht er zusammen und weint. Ich vermute, dass sie sich jetzt womöglich wundern, warum jemand rumballert, nur weil er seit 34 Jahren auf ein angemessenes Einkommen hofft und seine Frau ihn betrügt. Doch das ist noch längst nicht alles. Seine älteste Tochter ist drogensüchtig, sein 30jähriger Sohn ist rausgeflogen, weil er eine Jüdin geheiratet hat, was natürlich fatale Folgen mit sich zieht, denn wir schreiben das Jahr 1944. Seine 25jährige Tochter Walter möchte ein Mann sein und seine Jüngste lebt bei seinen Schwiegereltern, weil das Jugendamt der Meinung ist, dass keine geordneten Verhältnisse in der Familie herrschen.
Das Unerträglichste aber für ihn ist, dass seine leiblichen Eltern vor einem Jahr bei einem Zugunglück ums Leben kamen. Diese lernte er vor gerade mal 2 Jahren kennen. Zurück zum Seniorenheim. Er war soeben zusammengebrochen. Er befahl seinen Kollegen, sich mit den Senioren, die gerade aßen, in einen Raum zu einzuschließen. Als sie alle in einem Raum untergebracht waren, zieht er los, steigt auf seinen Drahtesel und fährt zu seiner kleinen bescheidenen Hütte.
Keiner außer ihm ist da. Seine Hausfrau treibt sich bestimmt wieder bei ihrem geliebten Verwandten rum. Ist jetzt aber auch egal. Er schließt alle Türen und Fenster. Er geht in die Gaststube und beginnt einen Brief - einen Abschiedsbrief. Als dieser fertig geschrieben war, ging er zum Besenschrank und holte ein Seil heraus.
Doch vorher hat er noch eine Idee. Man soll sich an ihn erinnern. Man soll sehen, wie schlecht es ihm geht. Kaum Haare auf dem Kopf, dürr und sein Lächeln hat er schon lange verloren. Er fängt an zu malen.
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