Nachdem nach anderthalb Jahren im Vaterhaus Goethes Gesundheit wieder hergestellt war, ging er auf Wunsch seines Vaters nach Straßburg, um seine juristischen Studien zu vervollständigen und den Doktortitel zu erwerben.
Am 2. April traf Goethe in Straßburg ein. Wie in Leipzig fand Goethe auch in Straßburg bald nahe Freunde. So wurde er in Sesenheim, einem nur wenige Stunden von Straßburg entfernten Ort, mit der Familie des Pfarrers Johann Jakob Brion bekannt. Goethe verliebte sich in Friederike, die jüngste Tochter des Pfarrers. Goethes Besuche in Sesenheim wurden immer häufiger und das Verhältnis der beiden immer inniger, und zwischen seinen Besuchen entwickelte sich ein reger Briefwechsel. Sein leidenschaftliches Verhältnis begann ihn zu ängstigen; er erschrak vor der Verpflichtung, welche er sich auferlegt hatte. Vergebens versuchte er in immer leidenschaftlicheren Gedichten die innere Stimme des nüchternen Verstandes zu übertäuben, welche ihm sagte, er habe an seinem Genie und an seiner Zukunft schwer gesündigt, indem er sich so früh gebunden habe. Der Hauptzweck seines Straßburger Aufenthaltes war erreicht, indem er am 6. August 1771 zum Doktor der Rechte promoviert worden war. Sein Vater rief ihn durch dringende Briefe nach Frankfurt zurück. Goethe mußte Abschied nehmen. Er fühlte die Bedenken, welche einer so frühen Ehe entgegenstanden, welche vielleicht teilweise begründet waren, an welche aber früher zu denken seine Pflicht gewesen wäre.
Goethe hatte nicht den Mut, Friederike zu gestehen, daß es ein Abschied für immer sei. Von Frankfurt aus schrieb er ihr dann den Brief, welcher das Verhältnis endgültig löste. Die Antwort Friederikens auf einen schriftlichen Abschied zerriß ihm das Herz. Er fühlte nun erst den Verlust, den sie erlitt und fand keine Möglichkeit, ihn nur zu lindern.
Gretchen, seine erste Liebe, wurde ihm genommen, Käthchen hatte ihn verlassen, und bei Friederike war er zum ersten Male schuldig. Dieses Schuldbewußtsein blieb lange in seinem Innern.
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