Carlos Marighella führt hierzu in seinem Mini-Handbuch aus: \"Der SG (Stadtguerilla) ist jemand, der die Militärdiktatur mit Waffen bekämpft und dabei mit unkonventionellen Methoden vorgeht. Als politischer Revolutionär und glühender Patriot ist er ein Kämpfer für die Befreiung seines Landes, ein Freund des Volkes und der Freiheit. [...] Der SG unterscheidet sich jedoch radikal vom Gesetzlosen.
Der Gesetzlose will sich mit seinen Aktionen persönlich bereichern, greift wahllos an und macht keinen Unterschied zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern. Deshalb sind so viele einfache Menschen Unter seinen Opfern. Der SG hingegen folgt einem politischen Ziel und führt seine Angriffe nur gegen die Regierung, die großen Kapitalisten und ausländische Imperialisten, insbesondere die US-Imperialisten.\"
Weiter führt Marighella dann noch die persönlichen Eigenschaften des Stadtguerilla aus, wie zum Beispiel Mut, Entschlossenheit, Schlauheit, Beweglichkeit, Anpassungsfähigkeit und so weiter.
Ziele
Marighella nennt zwei grundlegende Ziele des bewaffneten Kampfes
"a) die Ermordung der Chefs und Ausführenden der Streitkräfte und der Polizei
b) die Enteignung von Vermögen und Produktionsmitteln, die der Regierung, den Monopolisten, Großgrundbesitzern und Imperialisten gehören; mit kleineren Enteignungen für den individuellen Bedarf der SG und größeren für die notwendigen Mittel der Revolution selbst.\"
Der bewaffnete Kampf sollte also zum einen zur Vernichtung der herrschenden Klasse und der Exekutive führen und zum anderen der Enteignung selbiger Personen dienen, um die notwendigen Mittel für die Revolution zu beschaffen. Hierin steckt bereits eine grundlegende Aussage, auf welche sich die Mitglieder der Gruppe und ihre Verteidiger während der Terroristenprozesse beriefen: Der gewöhnliche Straftäter verübt seine Straftat zumeist in der Absicht sich zu bereichern, der Revolutionär hingegen ist an einer persönlichen Bereicherung gar nicht interessiert, sondern will den usurpierten Besitz der Revolution, also dem Volk, zur Verfügung stellen. Der Revolutionär könne deshalb nicht wie ein \"normaler\" Straftäter abgeurteilt werden. Und fällten Richter und Politiker diesbezüglich widersprüchliche Urteile. Zum einen wurde den Angeklagten der politische Aspekt der Tat aberkannt, zum anderen wurde die Terrorgruppe wieder von diesen Personen als größte politische Herausforderung der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Jedoch gelang es der RAF nicht, die widersprüchlichen Urteile aus Politik und Rechtswesen gegeneinander auszuspielen und somit einen Keil in die einheitliche Front ihrer Gegner zu treiben. Nachdem die Gruppe aus dem Trainingslager zurückgekehrt war, begann sie sogleich mit dem den Aufbau der Logistik im Sinne Marighellas. Meist große und starke Fahrzeuge wurden gestohlen oder unterschlagen, restliche Mitglieder der RAF wurden im Umgang mit den aus
Jordanien eingeführten Schußwaffen geschult, man übte sich in Sprengstofftechnik und Brandbomben und schließlich wurden auch Banküberfälle durchgeführt. Hier wurde die selbstentwickelte Taktik des Dreierschlags angewandt, das hieß konkret, daß immer mehrere Mitglieder zur selben Zeit drei unterschiedliche Banken der selben Stadt überfielen, um somit die Fahndung der Polizei zu erschweren. Weitere Maßnahmen zum Aufbau der Logistik waren das Fälschen von Ausweisen, Pässen, Führerscheinen, Kraftfahrzeugscheinen und Kraftfahrzeugkennzeichen. Hierzu hatte die Gruppe ebenfalls ein neues System entwickelt, das der sogenannten \"Doublettenfahrzeuge\". Fahrzeuge wurden gestohlen und anschließend die amtlichen Kennzeichen typen- und farbgleicher existierender Fahrzeuge nachgeprägt, so daß bei einer polizeilichen Abfrage der Kennzeichen kein Verdacht auf das betreffende Fahrzeug fallen konnte.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Logistik waren ausreichend Unterschlupfmöglichkeiten im gesamten Bundesgebiet. Hierzu wurden sogenannte konspirative Wohnungen durch Strohmänner angemietet, welche sich aus dem legalen Umfeld der Gruppierung rekrutierten. Diese Strohmänner hatten lediglich den Auftrag, die Mietverträge zu unterzeichnen und ihre Namen für Wohnung und Klingel zu leihen. Anfang der 70er Jahre bestand das legale Umfeld der RAF hauptsächlich aus Linken und liberalorientierten Bürgern. Diese Personengruppen waren bis zu diesem Zeitpunkt bereit, den gesuchten RAF-Mitgliedern Unterschlupf zu gewähren.
Insgesamt war der Aufbau der Logistik der Terrorgruppe niemals abgeschlossen. Ständig mußten neue Fahrzeuge entwendet, andere Wohnungen gemietet, neue Ausweisdokumente, Waffen und Munition beschafft werden. Im Rahmen der zweiten Generation wurde es üblich, daß man sogenannte Erddepots anlegte,
welche sich ebenfalls über die ganze Bundesrepublik verteilten. Neben Waffen und Munition befanden sich auch Ausweispapiere in diesen Erddepots. Sie erfüllten hauptsächlich den Zweck, die auf der Flucht befindlichen Genossinnen und Genossen zu unterstützen. Teilweise waren diese Depots so raffiniert versteckt, dass bis heute nicht alle dieser Erddepots entdeckt worden sind.
Betrachtet man die Tatsache, daß die RAF, aus dem Untergrund und der Illegalität heraus agierte, unter ständigem Fahndungsdruck, und dazu unter dem selbst auferlegten Zwang, ständig \"Aktionen\" durchzuführen, muß klar werden, daß dieses Unterfangen zum Scheitern verurteilt war. Ein ehemaliger Terrorist bezeichnete in einem Fernsehinterview den Versuch des Aufbaus der Terrorgruppe aus der Illegalität heraus als \"absoluten Schwachsinn\". Da ihnen auch die Möglichkeit genommen war legale Tätigkeiten in der Öffentlichkeit auszuführen, mussten sie zwangsläufig den Bezug zum Alltag, also der Realität, verlieren.
|