"Frau erwache: Die Stimme der Vernunft erschallt über unserem Erdball; erkenne deine Rechte! Die Fackel der Wahrheit hat das dunkle Gewölk der Dummheit und Gewalt zerrissen.."
Heiliger Zorn erfüllte die Feder der Revolutionärin Olympe de Gouges (1748-1793), als sie im September 1791 ihre "Erklärung der Frauen- und Bürgerinnenrechte" verfaßte. "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" - warum sollten diese Slogans nur für den männlichen Teil der Gesellschaft gelten? Die Französische Revolution warf erstmals in der Geschichte Europas die "Frauenfrage" in ihrer politischen Dimension auf. Da die Demokratisierung der Gesellschaft angestrebt wurde, hatten die männlichen Revolutionäre es nicht leicht, den Ausschluß der Frauen zu rechtfertigen, zumal auch die Frauen wesentlich an der Revolution beteiligt waren: Frauen beteiligten sich am Sturm auf die Bastille, zogen nach Versailles um den König nach Paris "heimzuholen" und waren auch so ein stimmkräftiges Publikum. Doch je mehr sich die Revolution etablierte, um so mehr wurden die Frauen aus dem Geschehen gedrängt, denn so manchem männlichen Revolutionär erschienen Frauenbataillone als "wildgewordener Hyänenhaufen" und es sei entsetzlich und es widerspreche den Gesetzen der Natur, wenn eine Frau sich die Stellung des Mannes anmaße. Frauenrechtlerinnen gründeten nun eigene revolutionäre Vereine, doch keine von ihnen war so radikal wie Olympe de Gouges, die regelrecht zum Kampf gegen die Männer aufrief: "Ihr Frauen, wann wird eure Verblendung ein Ende haben? Sagt zu, welche Vorteile sind euch aus der Revolution erwachsen? Man bringt euch eine noch tiefere Verachtung, eine noch unverhohlenere Geringschätzung entgegen!". Gouges forderte die Möglichkeit einer Ehescheidung wie auch Schulbildung und absolute juristische und politische Gleichstellung. Nun kann man sich vorstellen, dass Gouges vielen ein Dorn im Auge war, der beseitigt werden mußte. So wurde sie im Juni 1793 aufgrund ihrer Schrift "Die drei Urnen oder das Wohl des Vaterlandes" verhaftet und im November hingerichtet.
Doch wer war nun die Person Olympe de Gouges? Olympe de Gouges wurde am 7. Mai 1748 mit dem Namen Marie Gouze geboren. Sie wurde als Kind von Pierre Gouze und Ann-Olympe Mouisset erzogen, doch entsprang sie einer Verbindung ihrer Mutter mit deren Paten, dem späteren Marquis de Pompignan, einem erfolgreichen Literaten. Die Grundkenntnisse des Schreibens erlernte Marie von den Ursulinen. Sie hatte literarische Ambitionen und galt, nachdem sie einen Sekretär zum Verfassen ihrer Werke einstellt, als \"femme de lettre\". Mit 17 Jahren mußte Marie Gouze den reichen, von ihr jedoch ungeliebten Louis-Yves Aubry heiraten. Sie bekam einen Jungen und zog nach den frühen Tod ihres Mannes zu ihrer Schwester und deren Mann nach Paris. Sie legte sich in Anlehnung an den Namen ihrer Mutter den Namen Olympe de Gouges an. Trotz ihrer Sprachschwierigkeiten konnte Marie Gouze schnell in den Pariser Salons und im Theatermilieu Fuß fassen, da sie als Witwe auf keinerlei eheliche Verpflichtungen und dem damit verbundenem Rollenbild Rücksicht nehmen mußte. Olympe de Gouges hat zweifellos Lücken in ihrer Erziehung, aber sie verfügt über ein hohes Maß an Selbstbewußtsein. Um sich ins Licht zu rücken identifizierte sie sich öffentlich mit ihrem leiblichen Vater Le Franc, der sie jedoch zu seinen Lebzeiten nie anerkannte. Ihre Bemühungen gingen sogar so weit, dass sie 1785 einem Verhaftungsbefehl und der Überweisung in die Bastille nur durch Beziehungen entging. Sie verfaßte Werke, in denen sie sich gegen Sklaverei aussprach, doch ihre Schriften wurden immer politischer und sprach fast alle höheren sozialen Schichten an. Viele Französinnen wurden von ihren Schriften beeinflußt und es folgte eine vermehrte Bildung von Frauenvereinigungen.
Sie verkehrte in Paris in den zu dieser Zeit zahlreich entstehenden revolutionären Frauenclubs und setzte sich durch Flugblätter, Aufrufe und Protestschreiben aktiv mit der aktuellen Politik auseinander. Aus der Erkenntnis heraus, daß die kurz zuvor durch die Französische Revolution proklamierten \"droits de l\'homme\" (Menschenrechte) lediglich Männerrechte waren (nur der citoyen, der Bürger, durfte wählen, nicht die citoyenne, die Bürgerin), stellte Olympe de Gouges 1791 ein eigenes Manifest auf, die \"Droits de la femme\", in dem sie analog zu den von der Nationalversammlung erklärten \"Rechte des Mannes und Bürgers\" die \"Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin\" verkündete. Damit forderte sie zum ersten Mal in der westlichen Geschichte die völlige Gleichberechtigung der Geschlechter. In Artikel 17 fordert sie konsequent die Neuverteilung des Eigentums unter den Geschlechtern. Olympe de Gouges war übrigens die erste Frau, die sich gegen die Todesstrafe aussprach, und zwar anläßlich der Hinrichtung des Bürgers Carpet, ehemals König Ludwig XVI. Sie war der Ansicht, daß unmenschliches Verhalten nicht mit unmenschlichem Verhalten vergolten werden könne. Daß sie ihre revolutionären Ideen nicht nur leise dachte, sondern lauthals verkündete, kostete sie schließlich ihren Hals.
Als sie den Transportunternehmer Jacques Biétrix kennenlernte, zog mit ihm nach Paris. Sie weigerte sich, eine zweite Ehe einzugehen, Biétrix aber unterstützte sie weiter. Augenzeugen berichten, daß sie von strahlenden Schönheit war und in Paris bald als \"femme galante\" bekannt wurde.
Mit dem Ausbruch der Revolution 1789 engagierte sie sich in den entstehenden Frauenclubs und besuchte häufig die Sitzungen der Jakobiner. Sie wagte es, sich öffentlich zu äußern, als es um die Rechte der Frauen, die Verteidigung der Republik und die ungerechtfertigten Hinrichtungen, z. B. die des Königs und der Königin ging. Sie stellte 1791 mit ihrer \"Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin\" der \"Erklärung der Menschen und Bürgerrechte von 1789\" ein Dokument entgegen, das den für natürlich angesehenen Ausschluß der Frauen aufdeckte. Als sie sich dafür einsetzte, die Bürger wählen zu lassen, welche Regierungsform sie wünschen, eine Republikanische Regierung, eine Föderative Regierung oder eine Monarchie - für jede Form sollte eine bestimmte Urne aufgestellt werden - wurde sie im Mai 1793 verhaftet und am 30. Oktober 1793 öffentlich hingerichtet. Dies wurde von Robespierre, den sie wegen Blutherrschaft öffentlich einen Mörder nannte, veranlaßt. In ihrem Vermächtnis ist zu lesen: \"Mein Herz vermache ich dem Vaterland, meine Ehrbarkeit den Männern, meine Seele den Frauen". Daß sie ihre revolutionären Ideen nicht nur leise dachte, sondern lauthals verkündete, kostete sie schließlich ihren Hals.
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