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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die tokugawa-Ära: politische stabilitÄt und wirtschaftlicher wandel



Nach zwei Jahrhunderten des Bürgerkriegs erlebt Japan unter der Herrschaft der Tokugawa-Shogune von 1603 bis 1867 eine Zeit des Friedens. Lediglich zu Beginn wird sie durch die Christenpogrome im Gefolge der 1639 veranlaßten Abschließung Japans gegenüber dem Ausland getrübt und am Ende durch die innenpolitische Auseinandersetzung um die von den USA und anderen Fremdmächten erzwungene Öffnung des Landes. Freilich sind die sozialen Ungerechtigkeiten innerhalb der streng ständisch gegliederten Gesellschaft (Krieger, Bauern, Handwerker, Kaufleute) unübersehbar. Die Not der kleinen Bauern, mit über 80% Anteil an der Gesamtbevölkerung, schlägt sich die gesamte Epoche hindurch in zahlreichen Aufständen nieder. Auch die von der Isolationspolitik verhinderte kontinuierliche Modernisierung des wissenschaftlich-technischen Sektors ist ein Negativum der Tokugawa-Ära.
Durch Eid sind alle Daimyo, die über Land und Bauern ihrer Territorien regieren, mit dem Shogun als obersten Lehensherrn persönlich verbunden. Eine politisch-strategisch wohldurchdachte Klassifizierung der Daimyo je nach dem Grad ihrer Verbundenheit mit dem Tokugawa-Clan, die Möglichkeit von Neuzuteilung oder Entzug von Ländereien, die Residenzpflicht in Edo und die Verpflichtung zu militärischen und administrativen Dienstleistungen sowie strenge Verordnungen über das Verhalten des Kriegerstandes sorgen für eine wirksame Kontrolle.
An die Daimyo wiederum sind die Samurai als Vasallen durch Eid gebunden. Ihre Funktion reicht vom Daimyo-Stellvertreter, Richter und Truppenbefehlshaber über die militärische und zivile Verwaltung bis hin zu einfachen Soldaten-, Boten- und Hilfsdiensten.
Die Schwäche des Wirtschaftssystems des Tokugawa-Shogunats, welche im Kontrast zu dessen politischer Stabilität steht, resultiert aus der ideologisch begründeten Bevorzugung der Krieger-Bauern-Beziehung. Trotz dreier Reformperioden ändert sich an der miserablen Lage der bäuerlichen Massen wenig: Die durchaus beachtliche Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft durch Vergrößerung der Bewässerungsfläche, Neulandgewinnung, Terrassenbau usw. kommt nicht den Bauern zugute. Periodisch auftretende Teuerungskrisen, die in Münzmetall-Knappheit und agrarischer Unterproduktion ihre Ursachen haben, rufen gesetzgeberische Maßnahmen auf den Plan, die nur die Symptome kurieren. Sie alle haben die soziale Stabilität im Auge und können den tiefgreifenden, langsamen sozialen Wandel unter der starren Oberfläche nicht aufhalten.
In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts wird der krisenhafte Antagonismus (=Gegensatz) von sozialrestaurativer Feudalherrschaft und expandierender, markt- und profitorientierter Geldwirtschaft breiten Bevölkerungsschichten offenbar. Denn die Sparmaßnahmen und Preissenkungen der Kansei- und Tempo-Ära (1789/1800; 1830/44) ändern nur kurzfristig die Not der von der ständigen Inflation hart betroffenen Samurai und Bauern. Immer mehr Samurai suchen sich durch eine bürgerliche Einheirat oder der Ausübung freier Berufe einen unstandesgemäßen Lebensunterhalt zu sichern. Die Landflucht der verarmten Bauern ist enorm. Doch trotz Bauerunruhen, Anwachsen shintoistischer Sekten und nationalistisch-kaisertreuer Gruppierungen sowie einer zunehmenden antikonfuzianischen Kritik an der Ungerechtigkeit des Sozial- und Wirtschaftssystem der Tokugawa kommt es zu keiner wirkungsvollen gemeinsamen Aktion gegen das Regime. Erst durch einen Anstoß von außen, die von einem US-Geschwader 1853/54 erzwungene Beendigung der Abschließung des Landes durch Öffnung von zwei Vertragshäfen (Shimoda und Hakodate), bildet sich in der nun folgenden Zeit einer innen- und außenpolitischen Schwäche der Tokugawa-Regierung eine nationale Front.
Der umstrittene Abschluß weiterer Handelsverträge mit den USA, Rußland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden 1858 sowie Streitigkeiten um die Shogunats-Nachfolge vermehren die Daimyo-Opposition. Fremdenfeindliche Ausschreitungen 1860/63 führen zu kriegerischen und diplomatischen Gegenmaßnahmen der westlichen Mächte. Am 19. November 1867 gibt Yoshinobu, der 15. Tokugawa-Shogun, die Regierungsgewalt an den Kaiser Mutsuhito (1867 bis 1912) zurück.
Mit der nun angenommenen Herausforderung zur Modernisierung, November 1868 in der Namengebung ,,Meiji" das heißt "aufgeklärte Regierung" für die neue Reformpolitik der kaiserlichen Regierung festgehalten, ist für Japan das Zeitalter des Feudalismus zu Ende. Japan begibt sich nun mit raschen Schritten auf den Weg zu einer ständelosen, mobilen Industriegesellschaft und zu einer expansiven, spätimperialistischen Großmacht im ostasiatischen Raum.

 
 

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