Ein Vergleich des Wirtschaftswachstums in Ost und West stellt sich schwierig dar, weil sich die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der DDR an einem vom RGW herausgegebenen System orientiert, während die BRD einem Vorschlag der Vereinten Nationen folgt. In der Konsequenz heißt dies, dass die wesentlichen volkswirtschaftlichen Größen unterschiedlich definiert sind. Weiterhin trifft man in Teilen der Literatur auf den Hinweis, dass den Statistiken der DDR nicht zu trauen sei, da sie nicht widerspruchfrei seien.
Der Begriff "Bruttosozialprodukt" findet in der RGW-Gesamtrechnung kein Äquivalent.
Herwig E. Haase nennt dennoch bezugnehmend auf Thad. P. Alton et al. die Steigerung des Bruttosozialproduktes der europäischen RGW-Staaten von 1966 bis 1985. Leider werden keine Angaben darüber gemacht, ob es sich um das BSP zu jeweiligen oder zu vergleichbaren Preisen handelt.11
1966-70 1971-75 1976-80 1981-85
Bulgarien 4,7 4,5 1,2 0,9
DDR 3,2 3,5 2,4 1,7
Polen 3,8 6,6 0,9 1,2
Rumänien 4,6 6,2 3,9 2,0
CSSR 3,5 3,4 2,2 1,4
Ungarn 3,1 3,4 2,3 0,9
UdSSR 5,3 3,8 3,0 2,0
Tabelle 1, Jährliche durchschnittliche Wachstumsraten osteuropäischer Länder, Quellen: Alton, Thad P. et al. (1987), Economic Growth in Eastern Europe 1970-1986 (Occasional Paper No.95), New York, p.24, sowie: United Nations/Economic Commission for Europe [Hrsg] (1987), Economic Survey of Europe in 1986-1987 (Vol.40), New York, pp.116,213, beide in: Haase, H. (1990), Das Wirtschaftssystem der DDR: Eine Einführung, 2. Auflage, Berlin, S.150.
In dieser Aufstellung wurde kein Vergleich mit der BRD vorgenommen. Als Orientierung für einen Vergleich sollen folgende Daten dienen:
BSP zu jeweiligen Preisen: 1960 bis 1970: jährlich 8,3% Wachstum
1970 bis 1980: jährlich 8,2% Wachstum
1980 bis 1985: jährlich 4,4% Wachstum
1985 bis 1989: jährlich 5,2% Wachstum
BSP zu Preisen von 1980: 1960 bis 1970: jährlich 4,4% Wachstum
1970 bis 1980: jährlich 2,7% Wachstum
1980 bis 1985: jährlich 1,2% Wachstum
1985 bis 1989: jährlich 2,8% Wachstum.
Tabelle 2, Jährliche durchschnittliche Wachstumsraten der Bundesrepublik, Quelle: Eigenberechnungen, fußend auf: Statistisches Bundesamt [Hrsg] (1990), Statistisches Jahrbuch 1990 für die Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart, S.30.
Das die Gesamtheit der Güter und Dienstleistungen angebende Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik ist nominell deutlich höher als das der östlichen Länder. Die große Differenz des BSP zu jeweiligen Preisen zu dem BSP zu Preisen von 1980 macht deutlich, dass in der Bundesrepublik ein Teil des Wirtschaftswachstums wieder durch Preissteigerungen "aufgefressen" wurde. So gesehen sieht die Bilanz der DDR gar nicht so schlecht aus, geht man von einem insgesamt moderateren Preisanstieg aus.
Doch sagt das Wachstum der Wirtschaft noch nichts über die Qualität von Waren und Produktionsanlagen aus. Die westdeutschen Waren mussten sich im Wettbewerb gegen in- und ausländische Konkurrenz die Gunst des Verbrauchers erkämpfen, während es in der Planwirtschaft quasi eine Absatzgarantie gab. Dies hatte natürlich Auswirkungen auf die Qualität der Produkte. Bspw. wäre ein Trabant 601 in den achtziger Jahren im Westen nur noch an Liebhaber zu verkaufen gewesen. Die Wachstumszahlen im Osten konnten also nur durch die konsequente Abschottung des Marktes gegen westliche Konkurrenten aufrechterhalten werden.
Durch fehlenden Wettbewerb und mangels privater Produktionsmittel kam es dazu, dass Innovationen Mangelware blieben. Wettbewerb konnte auch nicht aufkommen, schließlich wurden die Marktanteile per Plan verordnet, zweitens fehlte eine Grundvoraussetzung in Form des Preises als Marktregulativ. Der Preis spiegelt in einer Marktwirtschaft die Anbieter- und Nachfragesituation wider. Ist das Angebot knapp und/ oder die Nachfrage groß, so steigt der Preis. Das Festsetzen der Preise in der Planwirtschaft führte nun dazu, dass die Angebots- und Nachfragesituation nicht durch den Preis zusammengeführt werden konnten. Das Ergebnis war dann in Form leerer Regale und fehlender Waren zu begutachten.
Seit Ludwig Erhard weiß man, dass erst der Wettbewerb zu Höchstleistungen anspornt. Das Motiv für besondere Leistungen liegt dabei zumeist in einem zu maximierenden Gewinn. Dieser Faktor war, weil kapitalistisch, unerwünscht in den DDR-Betrieben. Die volkseigenen Betriebe hatten die Gewinne in den Staatshaushalt abzuführen. Um doch die Motivation aufrecht zu erhalten, grassierte in der DDR schließlich das Medaillen- und Auszeichnungswesen für besondere Leistungen.
Die genannten Faktoren führten im Laufe der Jahre zu einem immer deutlicheren Rückstand der DDR-Wirtschaft gegenüber der BRD. Was die Wirtschaft nicht selbst herstellen konnte, musste gegen knappe Devisen importiert werden. Um diese zu erlangen mussten sich die ostdeutschen Waren im Wettbewerb des Weltmarktes behaupten, was aus genannten Gründen schwierig war.
Ein weiteres Merkmal für die Leistungsstärke einer Wirtschaft ist die Arbeitsproduktivität. Hierunter versteht man das Verhältnis von Output zu einer Beschäftigtenstunde. Um das Puddingbeispiel noch einmal zu bemühen: Stellt ein DDR-Arbeiter 500 Tüten Schokoladenpudding pro Stunde her, sein West-Kollege aber aufgrund besserer Technik 1.000 Puddingtüten, so ist die Produktivität, was Schokopuddings betrifft, in der BRD doppelt so hoch wie in der DDR. Diese Darstellung trifft die Realität recht genau. So berichtet Haase, dass die DDR nur 47% der Produktivität der BRD erreicht hätte.12 Haase versäumt es, ein Erhebungsjahr für diese Angabe anzugeben. Die von ihm zitierten Quellen stammen aus der Mitte der Achtziger Jahre, so dass eine Eingrenzung auf Ende der Siebziger / Anfang der Achtziger sich anbieten könnte. Die BRD lag in der Produktivität knapp hinter der Niederlande und Frankreich, aber deutlich hinter den USA, die eine 50% höhere Produktivität erreichten. Auch Haendcke-Hoppe-Arndt kommt für 1983 auf einen Wert der DDR-Arbeitsproduktivität, der 47% der BRD-Produktivität beträgt.13 Sie weist allerdings auf die Fragwürdigkeit der DDR-Statistiken und die unterschiedlichen Methoden bei der Berechnung des Sozialproduktes in Ost und West hin, die einen Vergleich erschweren würden.
Die Ursachen für die geringe Produktivität lagen unter anderem in den veralteten Anlagen. 1989 waren 50% der Industrieausrüstungen in der DDR älter als 10 Jahre, davon fast die Hälfte älter als 20 Jahre. In Westdeutschland waren nur 35% älter als 10 Jahre, darunter nur 6% älter als 20 Jahre.14 "Die ständig steigende Reparaturanfälligkeit und dadurch bedingte Stillstandszeiten, gekoppelt mit branchenfremden Produktionsauflagen wie Konsumgüterproduktionen für Investitionsgüterindustrien und die Abspaltungen für die Rüstungsproduktionen hatten den Rückstand der Arbeitsproduktivität gegenüber der früheren Bundesrepublik ständig vergrößert".15
Ein dunkles Kapitel ist die Umweltverträglichkeit der DDR-Betriebe. Durch den weitgehenden Verzicht auf ökologisch verträgliche Fertigungsmethoden und Filtersysteme, die auch auf gesetzlichem Wege nicht vorgeschrieben wurden (es hätte schließlich die "eigenen", sich im Staatsbesitz befindlichen, Betriebe getroffen), kam es zu beträchtlichen Schadstoffemissionen in die Luft und in die Gewässer. Große ehemalige Braunkohleabbaugebiete wurden weitestgehend nicht rekultiviert und hinterließen große Krater in der Landschaft.
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