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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Die terroristische strategie - raf



Nachdem Ausschluß des Verfechters der Guerillastrategie, Horts Mahler, und des Widerspruchs der Sabotagestrategie mit der Ideologie des revolutionären Subjekts, ging die Gruppierung gegen Ende der 70er Jahre zur terroristischen Strategie über. Diese Form des bewaffneten Kampfes sah vor, daß durch gezielte Attentate auf staatliche Einrichtungen und Personen, das System zu Maßnahmen gezwungen wird, die in der Bevölkerung Empörung und
Solidarisierung mit den Terroristen hervorrufen sollten. So sollte ein revolutionärer Proteststurm gegen die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung geschürt werden, welcher in letzter Konsequenz einen Bürgerkrieg lostreten sollte. Vorteil dieser Demaskierung des Staates war es, daß Strategie und Ideologie dieselben Ziele hatten, nämlich die Mobilisierung breiter Massen hin zum Volkskrieg gegen den Staat.
Interessant ist die Tatsache, daß die führenden Köpfe der RAF erst zu dem Zeitpunkt, als sie bereits inhaftiert waren, ihr strategisches Konzept für den antiimperialistischen Kampf fertiggestellt hatten. Zuvor war die Gruppe noch vom sogenannten Primat der Praxis ausgegangen, welches besagt, daß erst
durch den praktischen Kampf die Theorie erkannt werden kann. Einige Kritiker meinen, daß die Terrorgruppe hiermit versuchte, ihr theoretisches Defizit zu überspielen. Diese Kritik läßt sich auch mit der Tatsache begründen, daß erst zum Zeitpunkt ihrer Gefangenschaft Baader, Ensslin, Meinhoff und andere
Führungskräfte die ideologischen und strategischen Theorien für den bewaffneten Kampf entwickelten. In dieser Zeit wurden durch die Führungskader in den Haftanstalten mannigfaltig theoretische
und praktische Literatur zum revolutionären Kampf gelesen.
Ulrike Meinhof sieht dies in der Grundsatzschrift \"Das Konzept Stadtguerilla\" jedoch anders oder gibt dies zumindest so vor: \"In der Papierproduktion der Organisationen erkennen wir ihre Praxis wieder als den Konkurrenzkampf von Intellektuellen, die sich vor einer imaginären Jury, die die Arbeiterklasse
nicht sein kann, weil ihre Sprache schon deren Mitsprache ausschließt, den Rang um die bessere Marx-Rezeption ablaufen. Es ist ihnen peinlicher, bei einem falschen Marx-Zitat ertappt zu werden als bei einer Lüge, wenn von der Praxis die Rede ist. Die Seitenzahlen, die sie in ihren Anmerkungen angeben, stimmen fast immer, die Mitgliederzahlen, die sie für ihre Organisation angeben, stimmen fast nie.\"
Man könnte durch ihre Argumentation auch auf Frustration und Desillusionierung in Richtung Studentenrevolte schließen, die es ihrer Ansicht nach nicht geschafft hatte, den theoretischen Hintergrund tatsächlich in die Praxis umzusetzen, und den entscheidenden Schritt hin zum bewaffneten
Kampf nicht vollzogen hatte. Es darf jedoch hier nicht unerwähnt bleiben, dass die Studentenunruhen eine im Kern "urdemokratische Bewegung" (Genscher) gewesen ist, deren Mehrzahl mit politischer Gewalt nichts im Sinn hatte und ihr revolutionäres Gebaren mehr als Protest gegen das "Establishment" verstand als die Anstiftung zu Gewalt und Terror.
Abschließend zu der terroristischen Strategie läßt sich anmerken, daß auch diese nicht die gewünschten Ziele zu erreichen vermochte. Je brutaler die Gruppe versuchte, den faschistischen Staat zu demaskieren und in Mißkredit zu bringen, desto mehr wandte sich die Bevölkerung von ihr ab und forderte zum Teil sogar die Todesstrafe für Terroristen.



Die zweite und insbesondere dritte Generation der RAF hatte eine neue Konzeption des Kampfes gegen den Weltimperialismus entwickelt. Eine sogenannte \"westeuropäische antiimperialistische Front\" wurde aus der Taufe gahoben, die aus zwei Ebenen bestehen sollte: Zum einen auf einer auf
internationaler Zusammenarbeit basierende \"Auslandsfront\", zum anderen auf den Zusammenschluß der bundesdeutschen radikalen Linke in einer \"Inlandsfront\". Ziel der Verbindungen zu anderen europäischen Terrorgruppen war es, den Kampf gegen das imperialistische System nicht nur auf deutschem Territorium zu führen, sondern die linksterroristischen Aktionen auf den gesamten europäischen Kontinent auszudehnen. Ein Grund war möglicherweise die zunehmende Ernüchterung der Terrorgruppe, da es ihr offensichtlich nicht gelang ein revolutionäres Bewusstsein auf breiter gesellschaftlicher Ebene zu stiften. Die RAF mußte allmählich erkennen, daß ihr auserkorenes revolutionäres Subjekt, das Industrieproletariat sowie die Linke in Deutschland, nicht bereit war, mit ihr gegen den Staat zu Felde zu ziehen. Um dieser Niederlage in ideologischer und
strategischer Hinsicht zu begegnen, versuchte man, auf dem europäischen Kontinent, durch gemeinsame Anschläge, Einfluss, Einigkeit und Größe zu demonstrieren. Aus diesem Grund verband sich die RAF mit den Brigate Rosse in Italien, der Action directe in Frankreich und den Cellules Communistes Combattantes in Belgien ein. Dieser Versuch einer \"Auslandsfront\" scheiterte jedoch bald, da sowohl ein Großteil der Brigate Rosse als auch der Action directe Mitte der 80er Jahre verhaftet wurde.

 
 

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