2.1. Die Tschechen und Slowakenbr /
Die Zahl der Wiener Tschechen ist wissenschaftlich nicht präzise zu ermitteln, weil sie infolge nationaler Interessen und Auseinandersetzungen zu keinem Zeitpunkt exakt festgestellt wurde. In der ersten Hälfte des 19. Jhdts., speziell ab den zwanziger Jahren, stieg der Anteil tschechischer Lehrlinge im Wiener Handwerk enorm an. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jhdts. dominierten die Böhmen und Mähren in einigen Handwerkssparten, wie zB in der Schneiderei oder der Schusterei.
Es gab auch viele tschechische Saisonarbeiter, die während der Winterzeit daheim bei ihrer Familie und während der Sommermonate in Wien als "Ziegelböhm" in Ziegeleien tätig waren.
Die weiblichen Einwanderer, die Migrantinnen, bevorzugten den Beruf als Dienstmädchen. Dieser Job löste ein gewaltiges Problem; das Versorgungs- und Wohnungsproblem. Das Dienstbotenzimmer war zwar nur klein, finster und ungemütlich, allerdings hatte man eine Unterkunft. Da Arbeiterinnen einen moralisch schlechten Ruf hatten, war die Arbeit in Fabriken für Frauen nicht sehr verlockend. Hingegen der Dienstmädchenberuf galt als Übergangsberuf zur Verehelichung.
Die Slowaken wurden in den Statistiken der Monarchie, wie alle in den ungarischen Ländern Heimatberechtigten, gesondert gehoben, desshalb sind ihre Berufssparten nicht eruierbar. Aus Überlieferungen kennt man sie als Hausiere. Da gab es zB die slowakischen Frauen, die Spielzeug anpriesen, den Kochlöffelkrawat und den Zwiefelkrawat.
Weiters gab es den Rast'lbinder, welcher es verstand löchriges Blechgeschirr zusammenzuflicken, sowie zerbrochene Ton- und Porzellangefäße durch Draht wieder "ganz" zu machen. Der Rast'lbinder verschwand allerdings nach dem Ersten Welkrieg von den Straßen Wiens.
Der Kolöffelkrawat war auch ein Straßenhändler. Er spielte auf einer kleinen Holzflöte und lud dann alle Leute zum kauf seiner Waren ein. Er verkaufte Kochlöffel, Nudelbretter, hölzerne Tiegel, usw.
Als Zwieflkrawat verkaufte so mancher Slowake an Märkten Zwiebeln aus einem großen Korb. Er ging nicht, so wie die anderen durch die Straßen, sondern stellte sich neben den anderen zu Marktständen, wo er große Konkurrenz hatte, und nur durch Preis unterbieten sein Geschäft machen konnte.
Berufe mit hohen Anteilen von in Böhmen und Mähren geborenen Erwerbstätigen Wien 1880
Erwerbs- davon geboren in
Beruf tätige Böhmen Mähren zusamm.
insgesamt absolut % absolut % %
Tischler S 1.560 524 33,6 240 15,4 49,0
G 6.590 2.603 39,5 1.238 18,8 58,3
Schuster S 2.888 1.069 38,0 620 21,5 59,4
G 7.061 3.185 45,1 1.671 23,7 68,8
Schneider S 3.750 1.695 45,2 710 18,9 64,1
G 8.238 4.235 51,4 1.678 20,4 71,8
Schlosser S 630 197 31,3 112 17,8 49,0
G 5.676 2.064 36,4 1.001 17,6 54,0
Taglöhner 10.802 3.070 28,4 1.486 13,8 42,2
Lehrlinge 20.845 4.224 20,8 3.215 15,4 35,7
Dienstpersonal 11.389 1.228 10,8 1.512 13,3 24,1
Hausgesinde 69.150 18.335 26,5 12.942 18,7 45,2
Berufsposition der Erwerbstätigen nach der Umgangssprache, Wien 1910
Berufe deutsch tschechisch
absolut % absolut %
Selbständige 299.522 29,9 10.554 16,9
Pächter und Kolonen 1.183 0,1 21 0,0
Angestellte 122.036 12,2 2.276 3,7
Arbeiter 436.641 43,6 37.303 59,9
Lehrlinge 42.840 4,3 4.846 7,8
Taglöhner 6.055 0,6 1.046 1,7
mithelfende Familienmitglieder 10.802 1,1 188 0,3
Dienstboten und Hausdienerschaft 82.128 8,2 6.023 9,7
insgesamt 1.001.207 100,0 62.257 100,0
2.2. Die Italiener
Nach der Türkenbelagerung wurden die Häuser aufgestockt, und so wurde es notwendig die Kamine fachgerecht zu kehren. So kam es, daß italienische Rauchfangkehrer, die bis zu dem Zeitpunkt umherwanderten, in Wien seßhaft wurden. Bis zur Mitte des 19. Jhdts konzentrierte sich die Herkunft der Rauchfangkehrer auf Mailand und Piemont.
Die Italiener achteten darauf, daß das Handwerk des Rauchfangkehrers in der "Familie" blieb. Dies hatte zu folge, daß sich die Meister die Lehrlinge aus ihrer Heimat holten und daß die Töchter einen italienischen Rauchfangkehrer heirateten. Wenn sie das Gewerbe verkaufen mußten,
dann taten sie dies nur an einen Italiener. So läßt sich erklären, daß sich die Rauchfangkehererei bis ins 19. Jhdt. in italienischer Hand befand.
Allerdings gab es nicht nur italienische Rauchfangkeher in Wien, sondern auch italienische Bau- und Erdarbeiter. Die Bauarbeiter hatten einen guten Ruf, den sie durch den Eisenbahnbau erlangten. Sie wurden aber auch auf Großbaustellen in Wien eingesetzt. Auf einer Baustelle waren sie unter der Führung eines Capo Lavoro. Sie blieben so lange es Arbeit gab, dann fuhren sie entweder in die Heimat oder zur nächsten Baustelle. Die italienischen Bauarbeiter hatten auch, neben Engländern, Franzosen, Schweizer und einigen anderen, einen großen Teil zur Donauregulierung beigetragen.
Diejenigen Italiener, die im Rendenatal lebten arbeiteten als Scheren- und Messerschleifer in Wien um Geld zu verdienen, da die Frauen die Landwirtschaft in den Dolomitentälern besorgen konnten. Mancher junge Italiener blieb in Wien, besuchte eine Schule und heiratete eine Wienerin.
Auch Speiseeiserzeuger aus Trentino und Belluno hat es nach Wien verschlagen. Damals mußten diese Leute von Haus zu Haus mit Butten am Rücken umhergehen, um Speiseeis zu verkaufen. Heute hat jeder seinen eigenen Eissalon in Wien. (ca. 50 Prozent aller Eissalons in Wien sind italienischer Herkunft)
2.3. Die bulgarischen Gärtner
Die Bulgaren war zahlenmäßig zwar nur schach vertreten, allerdings hatten sie sich auf Gartenbau spezialisiert und somit waren sie sehr wichtig für die Gemüseversorgung in Wien. Gegen Ende des 19. Jhdts. wurden sie als Saisonarbeiter für den Landbau in Kaiserebersdorf und in Simmering angestellt. Da die Bulgaren von den Türken besetzt waren konnten sie auf deren Anbaumethoden zurückgreifen. Sie schaften es auch mit einem eigenen Bewässerungssystem scheinbar unfruchtbaren Boden ertragreich zu machen.
Auf den Wiener Märkten waren nun einige neue Gemüsesorten, wie zB der Paprika oder die Frühjarszwiebel zu finden. Wegen der starken Konkurrenz der Bulgaren zu den Wiener Kollegen wurden diese für die schlechte wirtschaftliche Lage in der Zwischenkriegszeit verantworlich gemacht und später auch an den Märkten nicht mehr zugelassen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben die meisten Bulgaren in Österreich, weil sie in ihrer Heimat der Kollaboration mit den Nationalsozialisten verdächtigt wurden.
2.4. Die Schweizer Uhrmacherkolonie
Als sich infolge politischer Unruhen in ihrer Heimat die Genfer Uhrmacherfamilien in Konstanz ansiedeln wollten, wurden sie allerdings von den Konstanzern nicht akzeptiert und so wanderten einige von ihnen (80-100 Familien) nach Wien aus.
So kamen 1789 die ersten Kolonisten nach Wien, wo ihnen Werkstätten und Wohnungen im Piaristenkloster zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch sanken die Preise der Sackuhren um 25-30 Prozent, allerdings konnte nur ein sehr geringer Bedarf an Sackuhren mit der Produktion gedeckt werden. Während der Französischen Revolution wurden die Uhrmacher verdächtigt mit den
Revolutionären in Verbindung zu stehen und so wurden auch einige von ihnen wegen Freundschaft zu französischen Kriegsgefangenen verhaftet.
Das Ende der Schweizer Uhrmacherkolonien kam als Kaiser Franz II. die Industrieförderung und Subventionen abschaffen ließ, wodurch die Schweizer ihre Unterkunft verloren. Einige von ihnen kehrten daraufhin wieder in die Heimat zurück.
2.5. Die "türkischen" Kaufleute
Als "türkische Kaufleute" bezeichnete man Armenier, Griechen, Spanolische Juden und Aromunen, die Staatsbürger des Osmanischen Reiches waren. Die Armenier lebten in Diaspora und handelten hauptsächlich mit orientalischer Ware, sie wurden aber auch für Spionage und Kurierdienste eingesetzt. Sie verlegten ihr Lager allerdings nach Wien, das zu einer Brücke zwischen den armenischen Handelsvorposten in London, Amsterdamm und der Levante wurde, als das Osmanische Reich bis zum Balkan vorstieß. Durch Kriege ging der Handel fast gänzlich unter und so kam es, daß einige Armenier als Hausiere Kaffee und Süßwaren auf Jahrmärkten anboten.
In der ersten Hälfte des 19. Jhdts. betrieben griechische Kaufleute regen Handel in Wien, welches nun Hauptumschlagplatz zwischen dem Balkan dem Osmanischen Reich und Mitteleuropa war. Wien entwickelte sich zu einem wichtigen Geld-, Bank- und Wechselplatz. Der Handel wirkte sich belebend für Gewerbe, Transport, Geldwesen und für die Industrie aus.
In der Mitte des 19. Jhdts. verlor Wien seine Bedeutung als Hauptumschlagplatz, da es zu politischen Veränderungen und Änderungen im Transportwesen kam.
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