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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Der katholische sozialismus: ketteler und leo xiii.



Der katholische Sozialismus steht trotz vieler Gemeinsamkeiten im prinzipiellen Gegensatz zum evangelischen Sozialismus.
In der katholischen Literatur wird häufig gesagt, dass bei der Auseinandersetzung der Kirchen mit dem Sozialismus der Protestantismus versagt habe, und dass der Katholizismus neben anderen namentlich in Ketteler und Leo XIII. zwei Gestalten hervorgebracht habe, die der sozialen Frage der Zeit gewachsen waren. Man hat Anfang dieses Jahrhunderts nachzuweisen versucht, dass Ketteler in seiner Schrift "Die Arbeiterfrage und das Christentum" nicht so sehr neue Wege gegangen, sondern vielmehr innerhalb der katholischen Voraussetzungen steckengeblieben sei, d.h. sie kommt nicht über die karitativen Hilfsmittel hinaus. Dass den Arbeitern nicht nur mit Almosen und mit Wohlfahrtseinrichtungen geholfen werden kann, wird auf katholischer Seite kaum anerkannt. Das Allheilmittel der Katholiken war und blieb schließlich in den "Gnadenschätzen der katholischen Kirche" gegeben. Ihre Wohlfahrtseinrichtungen sowie die christlichen Vereine waren Mittel, die dem Arbeiter die notwendige Hilfe geben sollte. Der politische Hintergrund der Ausführungen Kettelers ist ein mit den der Sozialdemokratie (Lassalle) entnommenen Schlagworten wie "ehernes Lohngesetz", "Sklavenmarkt unseres liberalen Europas" geführter Kampf gegen den weltanschaulichen und wirtschaftlichen Liberalismus. Kettelers Reden über "Liberalismus, Sozialismus und Christentum" waren ganz auf den Kampf gegen den "unechten Liberalismus und gegen dessen echten Sohn, den Sozialismus" eingestellt. Er verlangte staatliche Hilfe für den Arbeiterstand und soziale Gesetzgebung bezüglich der Frauen- und Kinderarbeit. Als er älter war, war er als Reichstagsabgeordneter an sozialpolitischen Gesetzgebungen beteiligt, mit "großem Ernst der Meinung, aber ohne wirkliche Beherrschung der Fragen." (Fritz Vigener) In seinen letzten Schriften ging der Bischof von der früheren Betonung des alleinigen sozialpolitischen Berufs der Kirche zur Forderung der Mitarbeit des Staates über.
Adolf Kolpings (1813-1865) Ideen hatte Ketteler, wie er selbst sagt, vom kirchlichen auf den katholisch - sozialen Boden geschoben. Nicht religiöse Genossenschaften, wie sie Kolping vorschwebten, sondern wirtschaftlich - soziale Standesvereine auf katholischer Grundlage forderte Ketteler.
Kolping war schon Schumachergeselle, als er sich zum Priesterberuf entschloss. 1847 wurde er Präses eines von einem Lehrer gegründeten Jünglingvereins. 1849 gründete Kolping in Köln einen katholischen Gesellenverein, der Ausgangspunkt einer katholischen Gesellenvereinsbewegung wurde. 1855 hatte man 104 Vereine mit 12.000 Mitgliedern, als Kolping zehn Jahre später starb, gab es 420 Vereine mit 60.000 Mitgliedern.
Kolpings Wahlspruch zu seinen Stammesvereinen gibt am besten die Charakterisierung der Vereine wieder: Religion und Tugend, Arbeitsamkeit und Fleiß, Eintracht und Liebe, Frohsinn und Scherz. Die Schwerpunkte der Vereinsarbeit lagen in den Problemkreisen Religion, Familie und Beruf. Es ging um die Erziehung religiöser Gesellen und Meister, die gewillt waren, Verantwortung in Kirche und Gesellschaft zu übernehmen.

Zitat:
"Was dem jungen Handwerker fehlt, ist ein kräftiger moralischer Halt im Leben, eine freundlich zurechtweisende Hand, eine, wenn auch von weitem um ihn wandelnde, liebende Sorge, die sein Vertrauen verdient. Jeder fühlt sich aber recht behaglich unter seinesgleichen. Den genannten moralischen Halt müsste man ihm eben bei und mit seinen Genossen geben können."



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Die Bedeutung von Papst Leo XIII, in der Geschichte des Christlichen Sozialismus besteht darin, dass er die umwälzende Wirkung der "neuen Dinge" erkannte, auf die er schon im Briefwechsel mit Wilhelm II. 1890 hinwies, und die er in gründlicher Vorarbeit studieren ließ, ehe er sie in der Folge zum Gegenstand eines großen und weltbekannten Lehrschreibens gemacht hat. Die Encyclica Rerum Novarum schlug so wenig wie die Schrift Kettelers (\"Die Arbeiterfrage und das Christentum\") neue Wege ein. Auch sie traf nicht den Kernpunkt, dass den Arbeitern nicht mit Almosen, sondern mit einem neuen Arbeitsrecht und neuen Arbeitsbedingungen zu helfen sei. Der Staat, Gesellschaft und Welt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Arbeiterfürsorge und Arbeiterselbsthilfe sollten unter der Führung der Kirche zusammenwirken, um nicht nur mit sittlichen und religiösen Erneuerungen, sondern auch mit allen natürlichen Kräften die soziale Frage zu lösen. Eine bedeutende Rolle hierbei spielt die sogenannte katholische Harmonie, die Ausgleichung der Gegensätze, die unter der Leitung der Kirche hergestellt werden soll. Der Grund der ruhelosen Neuerungssucht, die sich vom politischen Gebiet auf das soziale Gebiet geworfen hatte, sah Leo XIII. im Aufschwung der Industrie und die Vervollkommnung der technischen Hilfsmittel und die Vereinigung des Reichtums in den Händen weniger, wodurch die Massen unzufrieden werden, und bei einem wachsenden Selbstgefühl sich zusammenschließen, um den Kampf zwischen Kapital und Arbeit (res et opera) zu eröffnen. Die berufene Autorität, diesen Streit zu schlichten, ist die katholische Kirche. Sie belehrt die Sozialisten über die natürliche Ungleichheit der Menschen, denen als Buße für den Sündenfall die Arbeit auferlegt wurde.

 
 

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