Auch die zweite Vita Celanos war eine Auftragsarbeit, diesmal vom Generalminister Crescentius von Jesi, der auf dem Generalkapitel zu Genua 1244 den Brüdern des Ordens befahl, "alles zu sammeln, was sie über Leben [...] und Wunder des [...] Franziskus [...] wüßten, und es ihm schriftlich zuzuleiten" . Crescentius gab dann Celano den Auftrag, unter Verwendung des Materials, das ihm zugeschickt wurde, ein zweites Werk über Franziskus zu verfassen. Viele Episoden und Ereignisse, die mündlich tradiert worden waren und weder in Celanos Vita I noch in der um 1230 entstandenen Vita des Julian von Speyer festgehalten waren, sollten dadurch vor dem Vergessen bewahrt werden.
Neben Berichten und Erinnerungen von Brüdern, die in den letzten Lebensjahren um Franziskus waren, aber in der Vita II nicht namentlich genannt werden, diente vor allem die Dreigefährtenlegende, verfasst von den Brüdern Leo, Rufinus und Angelus unter Mithilfe einiger anderer Brüder, als Quelle für Celanos Werk. In dieser "beste[n] Schilderung des Zusammenlebens des heiligen Franziskus mit seinen Brüdern" berichten die Brüder, was sie "mit eigenen Augen gesehen oder [...] von anderen heiligen Brüdern erfahren" haben. Sie vergleichen ihre willkürliche Sammlung von Legenden mit "Blumen, die nach [ihrer] Meinung besonders schön sind" und mit denen sie "sein [Franziskus, Anm.] hervorragendes Ordensleben und seinen Willen, der Gott wohlgefiel" aufzeigen wollen. Aber auch die Schriften des Heiligen wurden in weitaus größerem Maße als in der Vita I herangezogen.
Die Vita II, laut Grau eine "gelungene Synthese des ihm zur Verfügung gestellten Materials" hat zwei Teile. Das erste Buch umfasst nur 17 Kapitel, in denen es hauptsächlich um die Bekehrung von Franziskus und die ersten Anfänge des Ordens geht. Das zweite Buch, erheblich breiter angelegt, besteht aus 167 Kapiteln und behandelt mehr thematisch als chronologisch verschiedenste Aspekte des Lebens des heiligen Franziskus. Es ergänzt von seinem Inhalt her die Vita I und der Autor versucht, bis auf wenige Berührungspunkte, schon in der Vita I Gesagtes nicht noch einmal zu erwähnen.
In der Einleitung des zweiten Buches erläutert der Autor seine Absicht, nämlich den Brüdern der zweiten Generation, die Franziskus nicht mehr persönlich erlebt haben, einen "Spiegel der Vollkommenheit seines beispielhaften Lebens vorzuhalten" , mit dessen Hilfe sie einen gesunden Mittelweg nach der Regel verwirklichen sollten. Diese Absicht lässt schon erahnen, wie wichtig in der Vita II die Beispielhaftigkeit des Lebens von Franziskus ist. Entsprechend zurückhaltend verfuhr der Autor auch mit Wunderberichten, die er nur da und dort äußerst sparsam beifügte.
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