Während des gesamten Mittelalters bis zum Anbruch der Aufklärung ächtete die westliche Gesellschaft Juden, Ketzer, Geisteskranke, Schwärmer, Aussätzige, Heiden usw. Dies weist auf eine starke Feindseligkeit gegen alles, was nicht genau dem starren Rahmen des offiziellen Christentum einfügte, hin. Schon bei der Entstehung des Christentums kam es mit dem Judentum, aus dem es hervorgegangen war, in Konflikt. Seit der Christianisierung des Römischen Reiches gab es antijüdische Gesetze. Populäre Vorurteile wie Ritualmorde, Brunnenvergiftung und die Verbreitung der Pest datieren aus dem Mittelalter. Die Juden wurden zu Aussätzigen der christlichen Gesellschaft.
Die Ermordung Christi und die darauffolgende Strafe Gottes, der Fall des Tempels im Jahre 70 und die folgende Diaspora, waren Hauptargumente der Verleumder des Judentums. Es kam zu einem Wettstreit. Die Synagoge wurde als "eine Räuberhölle und die Zuflucht wilder Tiere gesehen". Andererseits waren die Juden mit der Verfolgung der Christen nicht gerade unglücklich. Diese Tatsachen fanden im Volk Widerhall und führten zur Entstehung eines byzantischen Antisemitismus.
Bis zum elften Jahrhundert litten die westeuropäischen Juden mit wenigen Ausnahmen nicht unter juristischer Zurücksetzung. Wegen ihrer Bedeutung im Wirtschaftsleben standen sie unter dem Schutz der Könige und des städtischen Bürgertums. Der eigentliche Höhepunkt war der erste Kreuzzug um 1096. Die Erwartung des Weltendes, die durch das bevorstehende Jahr 1000 erweckt worden war, führte zu einem religiösen Fieber. Die Christenheit entschloß sich, das Heilige Land von den Ungläubigen zurückzuerobern. Das waren die Juden. Im Rheinland fanden Massenvernichtungen statt; die Opfer mußten sich zwischen der Taufe und dem Scheiterhaufen entscheiden.
Die große Pest von 1348, die für ein Drittel der Bevölkerung den Tod brachte, löste in Europa heftige antijüdische Ausschreitungen aus. Die Juden flohen nach Osten, besonders nach Polen. Die wirtschaftliche Rolle und die konfliktgeladenen Beziehungen dadurch schürten den Haß gegen die Juden. Diese Abwertung führte zu einer Verschlechterung ihres juristischen Status. In Deutschland wurden sie zu Kammerknechten degradiert und aus den meisten europäischen Ländern vertrieben. An den Orten wo sie bleiben durften, wurden sie in Ghettos eingeschlossen. Sie waren verurteilt, ein besonderes Quartier zu bewohnen, welches jeden Abend durch ein Tor geschlossen wurde. Bis ins achtzehnte Jahrhundert waren sie der Willkür und Ausbeutung ausgeliefert.
Der mittelalterliche Antijudaismus, ist aber noch kein Antisemitismus oder Rassismus. Er beinhaltet ausschließlich religiöse Kriterien, und richtet sich nur gegen die Juden, die den Glauben ihrer Väter treu geblieben sind. Ein italienischer Theologe beschrieb das folgendermaßen: " Jude zu sein ist ein Verbrechen, das aber nicht von Christen zu bestrafen ist." Dieses Verbrechen konnte jedoch durch das Taufwasser abgewaschen werden. Die Vorstellung, daß die Taufe nicht genügt, um den ursprünglichen Makel zu tilgen, taucht als erstes im 14. und 15. Jahrhundert in Spanien auf. Ein Teil der Neuchristen gingen weiterhin im Geheimen ihren Glauben nach und wurden durch die Inquisition überwacht und ausgesiebt.
Daher wurden die Gesetze zur Reinhaltung des Blutes erlassen. Sie dienten zur Schranke zwischen den alten und neuen Christen. Letztere waren von allen Ehrenämtern ausgeschlossen. Viele wanderten aus. Diese spanischen Gesetze sind ohne Zweifel als Rassismus zu bezeichnen und mit den Nürnberger Gesetzen zu vergleichen. Sie begründen sich aber eher in Richtung kultureller als biologischer Art.
Andere "Ausgestoßene"
Die rechtliche Diskriminierung der Juden war nicht nur Schicksal derer. Verschiedene ketzerische Sekten erlebten noch viel dramatischere Auswüchse, die in regelmäßigen Zeitabständen auftauchten: Bogumilen, Katharer, Waldenser, die Brüder vom gemeinsamen Leben im Rheinland, chiliastische Gruppen. Während die Juden, im Irrtum verstockt, als Zeugen für die Größe und Wahrheit der Kirche galten, stellten die Ketzer sie in Frage. Sie wurden als Aufwiegler zur Unordnung gesehen und man strafte sie mit Scheiterhaufen und Konfiskation ihrer Güter, Tragen des gelben Kreuzes, Gefängnis oder Verbannung. Aus der Gesellschaft ausgeschlossen hatten sie jedoch die Chance zur Bekehrung.
Die ideologische Abweichung wurde als Folge ungezügelter Sexualität oder schwerwiegender psychologischer Störungen gesehen. Wichtig, weil sich dadurch ein schlechter Charakter oder angeborene Verworfenheit ableiten ließen. War der Ketzer auf Grund seines Glaubens ausgeschlossen, so war der Aussätzige, weil sein Körper besudelt war. Die Träger gefährlicher Krankheitserreger wurden aus dem Gemeinschaftsleben verstoßen. Sie mußten Kennzeichen tragen. Nichts konnte sie vom Makel reinwaschen. Die Sünden der Väter erloschen nach zwei Generationen.
Auf ihren Weg konnten die Aussätzigen auf andere Umherirrende stoßen, die Geisteskranken. "Narrenschiffe" trugen sie aus den mittelalterlichen Städten weg. Heiden und Ungläubige hatten, wenn sie nicht konvertierten, nur die Wahl zwischen Tod und Sklaverei. Daher soll auch das Wort Sklave sich ableiten. Die Slawen wurden, weil Heiden, versklavt.
Das Mittelalter kannte offensichtlich keine abwertenden Vorurteile gegen Schwarze und Gelbe. Eine ganze Mythologie bildete sich um den Großen Khan rund um Marco Polos Reisebeschreibungen. Spätmittelalterliche Bilder von der Anbetung der Könige, stellten einen von ihnen, Balthasar, sogar mit den Zügen eines Afrikaners dar. Woher kommt also die, im deutlichen Gegensatz zur mittelalterlichen Darstellung des "Anderen", Meinung des abendländischen Menschen in unserer Zeit? Antworten darauf scheinen die Entdeckungen und Begegnungen mit exotischen Bevölkerungen zu geben. |