Wie wir alle eigentlich wissen, ist der Reichstag nicht im 20. Jahrhundert gebaut worden, sondern im ausgehenden 19. Jahrhundert. Doch wie kam es zum Bau des Reichstages?
Nach dem Zusammenbruch der napoleonischen Herrschaft ging in Deutschland eine Epoche der Reformen zu Ende. Die konservativen Mächte gewannen die Oberhand und schufen sich im Deutschen Bund ein Instrument zur Verteidigung der bestehenden und gesellschaftlichen Ordnung. Es gab noch keinen einheitlichen deutschen Staat, sondern eine große Anzahl von vielen einzelnen Fürstentümern und freien Städten.
Die Geschichte von 1815- 1848:
In einigen süd- deutschen Staaten sind Verfassungen (Konstitutionen) erlassen worden und somit gab es einige Parlamente in Deutschland. Diese hatten zwar nur wenig Macht, aber diese Parlamente vergrößerten die Basis für eine bürgerlich- politische Öffentlichkeit und bildeten eine parlamentarisch- politische Führungsschicht heraus. Im Jahr 1815 ist die deutsche Burschenschaft gegründet worden, welche als Antwort auf die Restaurationspolitik Metternichs (Bekämpfer der liberalen Bestrebungen) die Losung "Ehre, Freiheit, Vaterland" hatte und die Farben schwarz, rot, gold besaß. Metternich erlässt 1819 die "Karlsbader Beschlüsse", nachdem der Dichter Kotzbue von einem radikalen Liberalen umgebracht wurde. Hauptpunkte der "Karlsbader Beschlüsse" sind die Verfolgung der Demagogen, Verbot der Burschenschaften, die Überwachung der Universitäten und Pressezensur zur Unterdrückung der nationalen und liberalen Bewegungen. Durch die französische Julirevolution erlangen 1830/31 Sachsen, Hannover, Braunschweig und Kurhessen eine Verfassung.
Die meisten deutschen Staaten schließen sich 1834 zum Zollverein unter der Führung Preußens zusammen. Die Auflösung der Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien führt 1837 zur Amtsenthebung der "Göttinger Sieben" und der König von Hannover hebt die Verfassung auf. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen amnestiert 1840-1861 die Demagogen. Durch die französische Forderung der Rheingrenze 1840 führt zum erneuten Aufleben des deutschen Nationalbewusstseins.
1847 Berufung des "Vereinigten Landtages" von Preußen (beratende ständige Versammlung aus Vertretern aller preußischen Provinzen), der bald wieder aufgelöst wird. Durch das Übergreifen der französischen Februarunruhen im Februar/ März auf Deutschland kommt es zu Demonstrationen für Vereins- und Pressefreiheit, Schwurgerichte und Volksbewaffnung. Man fordert ein deutsches Parlament und nationale Einheit. Die Fürsten berufen nationale Märzminister.
31.03- 04.04.1848 Das Frankfurter Vorparlament beschließt die Berufung einer Nationalversammlung zur Erschaffung einer Verfassung. Der Bundestag, das Organ des Deutschen Bundes, stimmt zu. Am 18.08.1848 wird nach der Eröffnung der Nationalversammlung in der Frankfurter Pauls- Kirche der hessische "Märzminister" Heinrich von Gagern zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt. Vom Juli bis Oktober 1848 beginnt das Parlament seine Arbeit mit der Beratung der Grundrechte, die im Dezember verkündet werden. Diese Grundrechte werden das Vorbild für alle späteren deutschen Verfassungen. Anschließend wird über die Ausgestaltung einer Verfassung zur konstitutionellen Monarchie bis März 1849 beraten. Doch im Oktober 1848 kommt es in Wien zu Barrikadenkämpfen durch meuternde Truppen. Fürst zu Windischgrätz bricht den Widerstand der Revolutionäre durch Waffengewalt. Die gegenrevolutionären Kräfte erstärken. Die gegenrevolutionären Kräfte, gestützt auf das Militär, gewinnen immer stärker die Oberhand
Am 05.12.1848 wird die preußische Nationalversammlung aufgelöst. Der König oktroyiert eine preußische Verfassung. Die "kleindeutsche" Richtung setzt sich im März 1848 in der Verabschiedung der deutschen Reichsverfassung durch. Doch der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV: lehnt seine Wahl zum Erbkaiser ab, da er nicht König bzw. Kaiser auf Gottes Gnaden ist.
Die nationalen Bewegungen zur Annahme der Reichsverfassung führen im April und Mai 1849 in zahlreichen deutschen Staaten zur Mairevolution. Nach der Auflösung der "Pauls- Kirche" und des Stuttgarter "Rumpfparlaments" schlagen preußische und andere deutsche Bundestruppen die Aufstände in der Pfalz und in Baden nieder.
Die Revolution und die Demokratie haben verloren und die Gegenrevolution hat gesiegt. Es wird versucht die alte Feudalordnung wiederherzustellen. Doch die Arbeit der "Pauls- Kirche" blieb nicht ohne geschichtliche Wirkung. Die Hoffnung auf einen deutschen Staat bleibt in der Bevölkerung erhalten, auch die Verwirklichung der Idee des liberalen Rechts- und Verfassungsstaates.
Mit der von Otto von Bismarck inszenierten Proklamation des preußischen Königs zum "Kaiser der Deutschen" am 18.01.1871 im Spiegelsaal des Versailler Schlosses wird die Reichsgründung besiegelt.
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