1) Freiheit - Eigentum - Sozialstaat:br />
- Der Ordnungsrahmen des Grundgesetzes -
Im Grundgesetz haben die Mitglieder des parlamentarischen Rats keine Wirtschaftsordnung für die Bundesrepublik Deutschland vorgeschrieben. Jedoch garantiert das Grundgesetz Rechte, aus denen sich die legitime Existenz der sozialen Marktwirtschaft ableiten läßt. Der Begriff der "sozialen Marktwirtschaft" ist erst Jahre nach dem Grundgesetz ins Leben gerufen worden.
Für nähere Informationen über die Wirtschaftsfreiheit des Einzelnen und dem Gebot der Sozialstaatlichkeit vergleiche Kopie Nr.: 4VL-F2 vom 15.11.1994.
2) Wettbewerbspolitik
2.1. Wettbewerbstheoretische Grundpositionen:
2.1.1. Antifeudaler Kampfbegriff: Wettbewerbsfreiheit
Wettbewerbsfreiheit als feudaler Kampfbegriff enthielt die Forderung die Handels- und Gewerbebeschränkungen des ausgehenden Mittelalters aufzuheben. Er wurde von dem aufstrebenden Bürgertum entwickelt, die damit nicht nur wirtschaftliche sondern auch politische Freiheit von den feudalen Systemen durchsetzen wollten. Gefordert wurde ein Staat, der sich vollkommen aus dem Wirtschaftsgeschehen heraushält und nur noch die Rahmenbedingungen für ein freies Wirtschaften schaffen soll. Diese Rahmenbedingungen sind: a) Sicherheit nach außen, b) Ordnungsrahmen, c) Infrastruktur.
Diese System der Wirtschaftsfreiheit konnte durchgesetzt werden, aber schon bald zeigten sich auch die Nachteile einer kapitalistischen Gesellschaft ohne soziale Absicherung und garantierter Rechte, für Leute die kein Eigentum an Produktionsmitteln hatten. Die Wirtschaftsfreiheit führte zu sozialen Spannungen und Polarisierungen. Die beiden Pole waren auf der einen Seite die wohlhabenden Unternehmer und Händler und auf der anderen Seite die Arbeiter, die ohne soziale Absicherung auf die Arbeit für die Produktionsmittelbesitzer angewiesen waren. Als weiterer Nachteil zeigte sich die Tatsache, das die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht gleichmäßig verlief, sondern periodischen Krisen unterworfen war.
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Diese sozialen Mißstände führten zu der Gründung der Arbeiterbewegung, die versuchte mit unterschiedlichen Mitteln und unterschiedlichen Zielrichtungen die Lage der Arbeiter zu verbessern.
Das Auseinanderklaffen der Aussagen der klassischen Theorie und der Realität führte dazu, daß in Reaktion auf die Realität die klassische Wirtschaftstheorie weiterentwickelt wurde.
Das klassische Theorie geht davon aus, daß der Markt alleine und ohne Einwirkung von außen in der Lage ist, Wohlstand für alle zu schaffen. Die Klassiker sagen, daß der wirtschaftliche Egoismus des einzelnen letztendlich zum Gemeinwohl aller beiträgt. In diesem Zusammenhang sprach Adam Smith von der "unsichtbaren Hand", die für das Funktionieren der Wirtschaft verantwortlich sein soll.
Die klassische Theorie wurde in zwei Hauptrichtungen weiterentwickelt:
Klassik
Realität
Marxismus Neoklassik
Kritik an Klassik Immunisierung der Klassik
- Menger
- Walras
- Jevens
2.1.2. Das Modell der vollständigen Konkurrenz
Bei der Theorie der "vollständigen Konkurrenz" wird davon ausgegangen, das der Preis und die Menge eines Guts auf einem Markt durch den Markt selber geregelt wird. Weitere Voraussetzungen für vollständige Konkurrenz sind, daß es nur homogene (gleichartige) Güter gibt, der Markt transparent ist, d.h., daß alle Anbieter und Nachfrager alle Preise kennen und so der Preise überall gleich sein muß. Die Bildung von Monopolen ist bei dem Modell der vollständigen Konkurrenz nicht möglich.
Da laut Theorie der Markt alles zur Zufriedenheit aller Beteiligten selber regelt, werden auch keine wettbewerbspolitischen Aussagen getroffen, weil der Wettbewerb wegen der totalen Markttransparenz überall fair ist.
2.1.3. Theorie der unvollständigen Konkurrenz
Im Gegensatz zur Theorie der vollständigen Theorie werden bei der Theorie der unvollständigen Theorie erstmals das Bestehen von Unsicherheiten auf den Märkten und daraus resultierende wettbewerbspolitische Schlußfolgerungen thematisiert.
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2.1.4. Theorie des wirksamen Wettbewerbs
Diese Theorie ist neueren Datums und untersucht stärker als die alten, welche Faktoren den Wettbewerb beeinflussen. Vertreter dieser Theorie ist die sog. "Harvard School". Dabei werden folgende Aussagen getroffen:
- Dynamik der wirtschaftliche Entwicklung wird durch die Unterschiede der einzelnen
Wettbewerber verursacht.
- Wettbewerb als Verlaufsform soll bestimmte Wohlstands- und Zielfunktionen erfüllen.
Nach Katzenbach werden folgende Funktionen unterschieden:
- statische Funktionen
- Faktorallokation
- Konsumentenallokation
- Einkommensallokation
- dynamische Funktionen
- exogene Schocks
- Fähigkeit, den technischen Fortschritt voranzutreiben
Als günstig für den Wettbewerb werden weite Oligopole mit mäßiger Produktdifferenzierung angesehen.
Wettbewerb: als politisches Instrument soll nur die Richtungssteuerung dienen.
2.1.5. Freier und potentieller Wettbewerb
neoliberale Position: keine Beschränkungen
- freie Marktwahl
- Vertragsfreiheit
Chicagoer Schule: "Survival of the fittest"
- auch Monopole sind zugelassen
Monopole unterliegen einem potentiellen Wettbewerb, weil andere Unternehmen versuchen können, das Monopol zu brechen. Das (kurzzeitige) Brechen von Monopolen wird auch "Hit and run" genannt. In diesem Zusammenhang spricht Baumol auch von den "Contestable markets", was "angreifbare Märkte" bedeutet.
Zusammenfassung:
Harvard School
- wirksamer Wettbewerb
Chicago School
- freier Wettbewerb
- potentieller Wettbewerb
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2.2. Operationalisierungen: Wettbewerbstest
Es gibt drei verschieden Gruppen von Wettbewerbstest. Vergleiche dazu Kopie 4VL-F3
- Marktstruktur
- Marktverhalten
- Marktergebnis
2.3. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
2.3.1. GWB: "Das Grundgesetz der Marktwirtschaft"
- Vorgeschichte: alliierte Wettbewerbsverordnungen
- erster Entwurf: 1948 (sehr scharfe Bestimmungen)
- striktes Kartellverbot
- scharfe Wettbewerbskontrolle
- Fusionskontrolle
- Verabschiedung 1957 (abgemilderte Version ohne Fusionskontrolle und Erlaubnis
bestimmter Kartelle)
- ab 1973: erste Änderungen: abgemilderte Fusionskontrolle eingeführt
Bundeskartellamt:
Das Bundeskartellamt ist eine bundesunmittelbare Behörde mit Sitz in Berlin, die zwar in ihrer Arbeit unabhängig ist, aber zum Bundeswirtschaftsministerium gehört. Die Aufgabe des Amts ist, die Bestimmungen des GWB umzusetzen und zu überwachen. Es hat 250 Mitarbeiter, von denen 110 Akademiker sind. Als untergeordnete Stellen gibt es auch Landeskartellbehörden, die aber nur für Kartelle und Fusionen zuständig sind, bei denen nur Firmen aus dem betreffenden Bundesland beteiligt sind.
Eine Übersicht über die vorhandenen wettbewerbsbeeinträchtigenden Strategien ist auf der Kopie Nr. 4VL-F4
2.3.2. Kartellverbote (mit Ausnahmen)
Alle Kartellverträge, die wettbewerbsbeschränkenden Charakter haben, sind unwirksam.
Ausnahmen hiervon:
- Konditionskartelle
- Rabattkartelle
- Strukturkrisenkartelle
- Rationalisierungskartelle
- Ex- und Importkartelle
- Kooperationskartelle für kleine und mittlere Unternehmen
§8 GWB: Kartelle können erlaubt werden, wenn sie der Gesamtwirtschaft und dem Gemeinwohl dienen. Erlaubt werden können sie auf Antrag von Bundeswirtschaftsminister (Ministerkartelle)
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2.3.3. Behinderungsstrategien
Behinderungsstrategien werden eingesetzt, wenn ein Mißbrauch einer marktbeherrschenden Position vorliegt. Die verschiedenen Formen können auf der Kopie Nr. 4VL-F6
2.3.4. Konzentrationsstrategien: Fusionskontrolle
Übersicht auf Kopie Nr. 4VL-F7
Fusionen: Vor jeder Fusion muß geprüft werden, ob diese Fusion zu einer marktbeherrschenden Stellung führt. Es werden zwei Gruppen von Fusionen unterschieden:
1) Gruppe 1: Nur Meldung nötig, dann Prüfung
2) Gruppe 2: Antrag, dann Genehmigung
Bei der Gruppe 2 handelt es sich um Fusionen von Großunternehmen. Man nennt diesen Vorgang auch "präventive Fusionskontrolle"
Ein Bundeskartellamt verhängtes Fusionsverbot kann vom Bundeswirtschaftsminister wieder aufgehoben werden.
Beispiel: 1986 hat das Bundeskartellamt die Fusion von Daimler-Benz und MBB verboten. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Hausmann hat jedoch zugestimmt, so daß diese "Elefantenhochzeit" doch stattfinden konnte. Diese Ministererlaubnis führte zu einer heftigen Diskussion über die Richtigkeit des "Ministervetos".
2.3.5. Wettbewerbspolitische Ausnahmebereiche
Andere Bestimmungen gelten für:
- Bundesbank
- Landwirtschaft
- Banken und Versicherungen
- öffentliche Betriebe (z.B. Stadtwerke)
2.4. Europäische Wettbewerbspolitik
Die europäische Wettbewerbspolitik bezieht öffentliche Unternehmen mit ein. Sie wacht auch über das Subventitionsverbot.
Auch hier sind Kartelle verboten. Ausnahmen gibt es z.B. bei Kartellen, die den technischen Fortschritt vorantreiben.
- Mißbrauchsverbot
- Fusionskontrolle: - nur aktiv wenn zwei oder mehr EU-Staaten betroffen sind:
Fragen: 1) Marktbeherrschung (ja oder nein) ?
2) Marktbeherrschung (gut oder schlecht) ?
Marktbeherrschung ist gut, wenn es gegen Konzerne aus den USA oder Japan geht.
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3) Mitbestimmung
3.1. Begründungsansätze zur Notwendigkeit der Mitbestimmung
3.1.1. systematisch theoretische Begründung
Ursprung dieses Begründungsansatzes:
klassische Marktsicht (der Markt regelt alles so, daß alle zufrieden sind) hatte bei der
zunehmenden Anzahl von Großunternehmen keine Gültigkeit mehr.
klassisches Modell:
Auf dem Markt stehen zwei einzelne Individuen miteinander in Beziehung.
bei Großunternehmen:
Auf dem Markt stehen Unternehmen miteinander in Beziehung. Innerhalb der Unter-
nehmen stehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer untereinander in Beziehung.
- wirtschaftliche Arbeitsteilung nicht nur auf dem Markt, sondern auch
Arbeitsteilung innerhalb der Unternehmen
- dadurch gibt es nicht nur Individuen mit Marktbeziehungen, sondern auch
welche mit "Direktionsbeziehungen"
- unselbständiger Arbeitnehmer muß das Risiko mittragen, obwohl er nichts
zu entscheiden hat
deshalb Forderung nach MITBESTIMMUNG
3.1.2. historische Begründung
- historisch schlechte Erfahrung mit dem Einfluß von Unternehmen auf die Politik.
z.B. Nazis wurden von vielen Unternehmern gestützt.
deshalb Forderung nach MITBESTIMMUNG
wegen dieser schlechten Erfahrung wurde nach dem 2. Weltkrieg die
Sozialisierung der Großindustrie gefordert. In vielen Landesverfassungen
stand u.a., daß alle Betriebe der Montanindustrie verstaatlicht werden
sollten. Dazu kam es aber nicht, weil das Grundgesetz dieses nicht vorsah
und der Grundsatz gilt: "Bundesrecht bricht Landesrecht"
3.2. Mitbestimmung im Unternehmen
1951: Montanmitbestimmung für Eisen-, Kohle- und Stahlindustrie. Betriebe müssen über
1000 Beschäftigte haben.
Regelfall: paritätische Verteilung der Sitze im Aufsichtsrat zwischen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer. Zusätzlich wird von allen zusammen ein "neutraler Mann" gewählt, der
in Pattsituationen den Ausschlag geben soll. Alle zusammen wählen einen Arbeits- direktor.
Derzeit fallen 47 Unternehmen unter die Montanmitbestimmung, davon 18 in den
neuen Bundesländern
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1976: Mitbestimmungsgesetz (für alle Kapitalgesellschaften über 2000 Mitarbeitern)
Mitbestimmung im Aufsichtsrat:
Die Arbeitnehmervertreter werden in drei Gruppen gewählt:
1. Vertreter der Arbeiter
2. Vertreter der Angestellten
3. Vertreter der leitenden Angestellten
- es gibt keinen neutralen Mann, sondern der Vorsitzende gibt bei einem Patt
den Ausschlag
- der Vorsitzende des Aufsichtsrats ist immer ein Arbeitgebervertreter
Anzahl der betroffenen Unternehmen:
1979: 482 Unternehmen
1987: 492 Unternehmen
1992: 709 Unternehmen (davon 102 in den neuen Ländern )
3.3. Mitbestimmung in Betrieben
1952: Betriebsverfassungsgesetz (für alle Betriebe mit mehr als 5 Beschäftigten)
- bei fünf Mitarbeitern: ein Betriebsobmann
- Größe des Betriebsrat richtet sich nach Größe der Belegschaft
Betriebsräte haben:
- Informationsrechte
- Mitwirkungsrechte
- Mitbestimmungsrechte
Basis soll eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" zwischen Betriebsrat und Geschäfts-
führung sein
1972: Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes
Betriebe, die mehr als 1000 Beschäftigte haben und eine Kapitalgesellschaft sind,
müssen 1/3 der Aufsichtsratmitglieder aufgrund von Vorschlägen der Arbeitnehmer-
seite wählen lassen.
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