In Westafrika entstanden eine Reihe von Königreichen, deren wirtschaftliche Grundlage die Kontrolle der Handelsrouten durch die Sahara war. Gold, Kolanüsse und Sklaven wurden im Austausch gegen Tuch, Gebrauchsgegenstände und Salz nach Norden verkauft.
Gana
Der älteste dieser Staaten war Gana. Er entstand im 5. Jahrhundert n. Chr. im Gebiet des heutigen südöstlichen Mauretanien. Die damalige Hauptstadt Kumbi Saleh wurde in der Neuzeit ausgegraben. Im 11. Jahrhundert machten die ganaischen Armeen, die mit Eisenwaffen ausgerüstet waren, Gana zum Beherrscher der Handelswege, die sich vom Gebiet des heutigen Marokko im Norden nach Süden bis in die Küstenwälder Westafrikas erstreckten. Berbernomaden der Sanhaja-Konföderation (im Inneren des heutigen Mauretanien) bildeten das Hauptbindeglied zwischen Gana und dem Norden. Sobald die Araber die Herrschaft über die Küsten im Nordwesten erlangt hatten, begannen sie diese Handelsrouten zu kontrollieren. Am Hofe Ganas lebten muslimische Berater, die im großen Stil Handel betrieben. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts wurde Gana von den Almoraviden, einer von Sanhaja-Berbern gegründeten, kriegerischen Glaubensbewegung, besiegt. Im selben Jahrhundert entfesselten die Almoraviden einen Heiligen Krieg (Dschihad) und kontrollierten die Karawanenstraßen durch die Sahara. Die Almoraviden teilten sich dann: Eine Gruppe drang nach Norden vor, um Marokko und Spanien zu erobern, während die andere in den Süden marschierte und um das Jahr 1076 die Hauptstadt Ganas völlig zerstörte. Im Verlaufe des folgenden Jahrhunderts erlangten die Soso, ein Volk aus dem Fouta Djalon und frühere Vasallen Ganas, die Macht in diesem Gebiet. Sie wiederum wurden um das Jahr 1240 vom Volk von Mali erobert.
Mali und Songhai
Mali wurde im 11. Jahrhundert von den Malinke gegründet. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde das Staatsgebiet vom damaligen Herrscher Sundiata vergrößert. Bald danach scheinen sich die Herrscher Malis zum Islam bekehrt zu haben. Seinen Höhepunkt erreichte Mali unter König Mansa Musa, der 1324 eine bis ins folgende Jahr dauernde Pilgerreise nach Mekka unternahm, diplomatische Beziehungen mit Tunis und Ägypten aufnahm und eine Reihe von muslimischen Gelehrten und Kunsthandwerkern in das Reich brachte. Seit der Regierungszeit Mansa Musas erscheint Mali auf den Landkarten Europas. Nach 1400 verfiel das Reich, und Songhai wurde zum führenden Staat im westlichen Sudan. Obwohl Songhai schon im 9. Jahrhundert entstand, erreichte es seine größte Ausdehnung unter Sunni Ali und Askia Mohammed. Unter der Regentschaft von Askia Mohammed wurde Timbuktu zum Zentrum islamischer Gelehrsamkeit im Sudan. Von diesem Reichtum angezogen, eroberten die Armeen des Al-Mansur aus Marokko im Jahr 1591 Gao, die Hauptstadt Songhais. Nach dem Zusammenbruch Songhais versuchten eine Reihe kleiner Königreiche - Macina, Gonja, Ségou und Kaarta -, den Westsudan zu beherrschen, doch führte dies nur zu ständigen Konflikten und zum wirtschaftlichen Niedergang der Region.
Hausa-Staaten und Kanem-Bornu
Östlich von Songhai entstanden zwischen dem Niger und dem Tschadsee die Hausa-Stadtstaaten und das Reich Kanem-Bornu. Die Hausa-Staaten (Biram, Daura, Katsina, Zaria, Kano, Rano und Gobir) wurden vor dem 10. Jahrhundert gebildet. Nach dem Fall Songhais wurde der Handel durch die Sahara ostwärts verlagert, wo er von Katsina und Kano kontrolliert wurde. Diese beiden wurden zu Zentren blühenden Handels und städtischen Lebens. Der Islam scheint im 14. Jahrhundert von Kanem-Bornu aus in den Hausa-Stadtstaaten Einzug gehalten zu haben.
Das Reich Kanem-Bornu bestand im 8. Jahrhundert aus lose zusammengefügten Staaten nördlich und östlich des Tschadsees. Zunächst herrschten dort die Zaghawa, Angehörige eines Nomadenvolkes, die im folgenden von den Saifawa abgelöst wurden. Sie regierten von etwa 800 bis 1846. Die neuen Herrscher bekannten sich etwa ab dem 11. Jahrhundert zum Islam. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts zogen sie in die Bornu-Region, das ältere Kanem-Gebiet fiel an das Volk der Bulala aus dem Süden. Der bekannteste Bornuherrscher war Mai Idris Alooma, der von etwa 1580 bis 1617 regierte. Er führte den Gebrauch von Feuerwaffen ein, die er von osmanischen Türken gekauft hatte. Auf dem Gipfel seiner Macht kontrollierte Kanem-Bornu die östlichen Sahararouten nach Ägypten. Sein langsamer Untergang begann ab Mitte des 17. Jahrhunderts.
Ausbreitung des Islam
Während der Zeit des großen Sudan-Reiches änderte sich das Leben der meisten Bauern und Fischer praktisch nicht. Importierte Güter oder Luxusartikel konnten sich nur die herrschenden Schichten leisten. Die Bauern, die regelmäßig Steuern zahlen mussten, betrieben Landwirtschaft für den Eigenbedarf (Subsistenzwirtschaft). Islamische Einflüsse konzentrierten sich auf die städtischen Zentren, wo die Religion von einem Teil der herrschenden Klasse und der ausländischen Einwohner ausgeübt wurde. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts begannen dann zunächst die nomadischen Kunta-Araber, die Lehre des Islam zu predigen. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begann die Qadiriyya-Bruderschaft, zu der auch die Kunta-Araber gehörten, den Islam im gesamten westlichen Sudan zu verbreiten. Etwa zur gleichen Zeit wanderten die Fulbe, ein nomadisches Hirtenvolk, langsam aus der Futa-Toro-Region im Senegal nach Osten und bekehrten dort viele Menschen zum Islam. Während dieser Zeit wandelte sich der Islam von der bloßen Staatsreligion zur Religion des Einzelnen. Tatsächlich aber scheint die Hinwendung zum Islam bei den herrschenden Klassen abgenommen zu haben, da nichtislamische Herrscherhäuser in alten Moslemhochburgen bis ins 18. Jahrhundert hinein regierten. Dann begann eine Reform des Islam bei den Fulbe, Mandingo, Soso und Tukolor.
Alte Herrscherhäuser wurden gestürzt und theokratische Staaten gegründet. Dadurch wurde der Islam auch in neuen Gebieten eingeführt. In den Hausa-Staaten führte Usman dan Fodio, ein muslimischer Gelehrter, einen Aufstand der Fulbe an, die zwischen 1804 und 1810 die Hausa-Staaten besiegten und neue Herrscherhäuser bildeten. Der Versuch, in Bornu einzudringen, scheiterte am Widerstand des religiösen Führers Al-Kanemi. Das neue Fulbe-Reich wurde zuerst zwischen dem Bruder des Shehu, Abdullahi, und seinem Sohn Muhammad Bello, aufgeteilt, nach 1817 besaßen schließlich nur noch Muhammad und seine Nachfolger die Macht.
Ein weiterer theokratischer Staat wurde in Macina im Jahr 1818 von Seku Ahmadu, einem Fulbe, gegründet. Während seiner Herrschaft entstand ein Reich, das die gesamte Region am Niger von Djenne bis Timbuktu umfasste. Nach seinem Tod im Jahr 1844 übernahm sein Sohn die Macht, die 1862 an einen anderen muslimischen Reformer, Al-Hajj Umar, fiel. Er gründete vor seinem Tod im Jahr 1864 das riesige Reich Tukolor in der Region Senegambien.
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