Wie die Nachfrage jedes anderen Gutes ist auch die Nachfrage nach Energie wesentlich durch den Preis bestimmt. Zu niedrige Energiepreise führen dazu, daß Energie verschwendet wird. Höhere Preise hingegen schaffen einen Anreiz zu rationellem Verbrauch und lassen es rentabel werden, Energiesparinvestitionen zu tätigen, indem sie deren Amortisationszeiten verkürzen. Die Gültigkeit dieses Mechanismus wurde durch die Energiepreissteigerungen seit Beginn der 70er Jahre hinreichend bestätigt. Die Entwicklung hat auch gezeigt, daß dabei weder die Gefahr eines Versorgungsengpasses noch eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs besteht. Es war im Gegenteil sogar weiteres Wirtschaftswachstum bei sinkendem Energieverbrauch möglich. Eine Primärenergieabgabe stellt daher ein geeignetes Instrument dar, die hohen sozialen und Umweltkosten des verschwenderischen Umgangs mit Energie zu senken und zu einer effizienteren Energieverwendung in allen Phasen der Energieversorgungskette anzuregen.
Erhoben wird die Abgabe dort, wo ein Primärenergieträger erstmals in den österreichischen Wirtschaftsraum eintritt. Damit würden abgabemäßig sowohl die gesamten Energieimporte erfaßt werden als auch die gesamte inländische Primärenergieerzeugung. Die Energieversorgungsunternehmen werden die Abgabelast an die Energieverbraucher weitergeben, welche somit zu den eigentlichen Steuerträgern werden. Exporte bleiben unbesteuert. So soll verhindert werden, daß die auf Energieexporte entfallende Abgabelast auf die inländischen Abnehmer zusätzlich überwälzt wird. Bemessungsgrundlage ist der Heizwert des jeweiligen Energieträgers, gemessen in Joule bzw. Kilowattstunden. Um die Etablierung erneuerbarer Energieträger (Biomasse, Biogas, Sonne- und Solarenergie) voranzutreiben, und damit gleichzeitig auch die hohe Abhängigkeit Österreichs von ausländischen Energieimporten abzubauen, sollten diese vorläufig unbesteuert bleiben. Wasserkraft wird hingegen dennoch besteuert, um den ökologischen Einwänden gegen den weiteren Ausbau von Fluß- und Gebirgslandschaften gerecht zu werden. Die Bemessungsgrundlage für Wasserkraft wird mittels einer durch Kraft-Wärme-Kopplung determinierten Substitutionsrechnung ermittelt. Die Bemessungsgrundlage beträgt somit 90% des Gesamtaufkommens, also rund 950 Petajoule.
Durch die Verbilligung der Energieimporte im Zuge der Ölpreissenkung im Jahre 1986 entstand der österreichischen Volkswirtschaft ein positiver Einkommenseffekt von ungefähr 30 Mrd. Schilling. Versucht man in einer Minimalvariante auf das Energiepreisniveau von 1985 zu kommen zurückzukehren, so müßte man eine Kilowattstunde Primärenergie mit rund 0,12 Schilling, also durchschnittlich 15-20% des Preises, besteuern. In einer Maximalvariante könnte eine doppelt so hohe Energieabgabe mit einem Aufkommen von 60 Mrd. Schilling erhoben werden. Diese beiden Varianten stellen in etwa den sinnvollen Entschedidungsspielraum bei der Festlegung der Tarifhöhe dar.
Je nach Variante ergäbe dies ein neues Steueraufkommen in Höhe von ungefähr 5% bis 10% des gesamten gegenwärtigen Steuervolumens (inkl. Sozialversicherungsbeiträge. Bei gleichzeitiger Abschaffung des 20%igen Mehrwertsteuersatzes auf Energie und unter den Annahmen vollständiger und proportionaler Tarifüberwälzung sowie der aktuellen durchschnittlichen Wirkungsgrade würde die Primärenergieabgabe in der zweiten Variante Preissteigerungen (gegenüber 1986) von etwa 6% bei Superbenzin, 7% bei Elektrizität, 13% bei Dieselkraftstoff, 14% bei Braunkohlebriketts, 29% bei Erdgas und 33% bei Ofenheizöl bewirken. Die stark unterschiedlichen Preissteigerungen sind auf die bestehenden unterschiedlichen Preise je Heizwert zurückzuführen. Aufgrund diese Preisstruktur werden die Vergasertreibstoffe bei einer undifferenzierten Mengensteuer immer eine relative Begünstigung erfahren. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, daß der Verkehrssektor trotz des großen Potentials für Treibstoffeinsparungen (Senkung der Fahrgeschwindigkeit, Bildung von Fahrgemeinschaften, Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrräder usw.) ohnehin sehr unelastisch auf Preissteigerungen reagiert. Spürbare Preisänderungen können zwar eine kurzfristige Stagnation oder Rückgang im Verbrauch bewirken, langfristig werden fahrzeugspezifische Treibstoffeinsparungen durch den wachsenden PKW-Bestand und den wachsenden Anteil größerer Hubraumklassen überkompensiert, Im Verkehrssektor steht die fiskalische Funktion einer Energieabgabe jedenfalls vor ihrer Lenkungswirkung.
Wegen der Abzugsmöglichkeit der Mehrwertsteuer und der viel günstigeren Großabnehmerpreise wäre Industrie mit wesentlich stärkeren Preissteigerungen konfrontiert: 54% bei Strom, 93% bei Erdgas, 115% bei Heizöl schwer, 117% bei Braunkohle, 153% bei Steinkohle. Die Abgabe sollt daher nicht sofort in voller Höhe, sondern schrittweise eingeführt werden. Damit stünde ein längerer Anpassungszeitraum zur Verfügung, in dem die notwendigen strukturverbesserungen Investitionen unter weitgehender Vermeidung wirtschaftlicher Funktionen durchgeführt werden können. Denkbar wäre z.B. eine sechsjährige Einführungsphase, bei der in Zweijahresintervallen der Abgabetarif schrittweise auf seine endgültige Höhe angehoben wird. Die Einführung der Abgabe in mehreren Etappen ermöglicht einen pragmatischen Trail-and-error-Prozeß, während dem die nächste Tariferhöhung in Abhängigkeit von den bereits Rationalisierungserfolgen festgelegt werden kann.
Bei dieser Vorgangsweise würde sogar die konsequente zweite Variante einen schwächeren Preiseffekt als die beiden Ölpreissprünge zu Beginn und zu Ende der 70er Jahre darstellen, denen wegen ihrer Kurzfristigkeit oft gar nicht mehr aktiv ausgewichen werden konnte. Gelingt es hingegen bereits heute, mit einer Energieabgabe den mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden nächsten Ölpreissprung in sanfter Weise vorwegzunehmen, so kann dessen Schockwirkung vorsorglich vermieden werden.
Die Evaluierung der Abgabenhöhe hinsichtlich ihrer erwünschten Anreizwirkung erfolgt in Anlehnung an den von Baumol/Oates entwickelten Standard-Preis-Ansatz. Demnach soll ein Qualitätsstandard in Form eines bestimmten Prozentsatzes angestrebt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Steuersatz hoch genug sein muß, um die erwünschten Verhaltensänderungen auslösen zu können. Ab einer bestimmten Tarifhöhe werden jedoch die induzierten Verbrauchsrückgänge allmählich wieder geringer. Die Reaktionsfähigkeit der Endverbraucher wird zunehmende schwächer, je stärker die wirtschaftlich sinnvollen Rationalisierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Unter Zugrundelegung plausibler Annahmen über sektorale Preis- und Einkommenselastizitäten der Energienachfrage kann bei den vorgeschlagenen Abgabevarianten mit einem Rückgang des Energieverbrauchs in der Größenordnung von 9% bis 16% gerechnet werden, der allerdings erst mit gewissen Verzögerung voll zum Tragen kommt.
Die tatsächlich vorhandenen Einsparungspotentiale sind natürlich wesentlich größer. Diese können jedoch nicht allein durch Abgabelösungen realisiert werden. Eine Energieabgabe erhöht zwar der Anpassungsdruck, den Anpassungsprozeß müßte noch von andere Seite wirksam unterstützt werden. Die Primärenergieabgabe ist daher nur als einer von mehreren Bausteinen eines koordinierten policy-mix zu verstehen, und wird durch auch nur im Verbund mit der gleichzeitigen Forcierung und Investitionsförderung, Auflagenlösungen und Energieberatungsprogrammen ihre beste Wirkung erzielen.
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