Startseite   |  Site map   |  A-Z artikel   |  Artikel einreichen   |   Kontakt   |  
  


geographie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Vorgeschichte und umfeld des projektes china



1.1. Das Denkmal am Yangtse
Im Vergleich zum Drei-Schluchten-Projekt wäre die Stauung jedes Flusses in Österreich eine Fingerübung. Der Staudamm gilt in China als ein Prestigeobjekt der Diktatoren. Wie häufig bei Grossprojekten werden die Vorzüge herausgestrichen, die Probleme verdrängt.
Mit 6300 Kilometern Länge ist der Yangtse der drittlängste Fluss der Welt. Er gilt als \"Herz und Arterie Chinas\". Sein Einzugsgebiet ist mehr als 20-mal so groß wie Österreich. In der fruchtbaren Flussebene des Yangtse leben 400 Millionen Menschen ein Dreizehntel der Weltbevölkerung. Sie produzieren zwei Drittel des chinesischen Reises. Zwischen den Grossstädten Chongqing und Wuhan zwängt sich der mächtige Fluss auf einer Strecke von 200 Kilometern zwischen steilen Gebirgsklippen vom Hochland Sezuans hinunter in die zentralchinesische Tiefebene. 1898 bezwang erstmals ein Schiff die berüchtigten Stromschnellen der \"Drei Schluchten\". Am Ausgang der Schluchten steht die Kleinstadt Sandouping. Hier legte Premierminister Li Peng Mitte Dezember 1994 den Grundstein für ein Bauwerk, das zum größten Kraftwerk der Menschheitsgeschichte werden soll das Drei-Schluchten-Projekt.

1.2Alter Traum der Führer
Der Yangtse bringt der chinesischen Bevölkerung nicht nur Fruchtbarkeit, sondern auch immer wieder Tod und Zerstörung. Periodische katastrophale Überschwemmungen kosteten seit 1870 mindestens 700\'000 Menschenleben. Den unberechenbaren Fluss unterhalb der Drei Schluchten mit einem Staudamm zu zähmen, war seit dem Ersten Weltkrieg der Traum jedes großen chinesischen Herrschers von Sun Yat-sen bis Tschiang Kai-schek, von Mao Tse-tung bis zu Li Peng. Nach jahrzehntelangen Abklärungen und Kontroversen bewilligte das chinesische Parlament, der Nationale Volkskongress, im April 1992 das aktuelle Projekt.
Gemäss den offiziellen Plänen wird der Drei-Schluchten-Damm verschiedene Zwecke erfüllen: Ein Kraftwerk soll jährlich 85 Milliarden kWh Strom erzeugen, einen Neuntel der heutigen Jahresproduktion Chinas. Seine 26 Generatoren sollen mit einer Leistungsfähigkeit von 17\'700 Megawatt die Kapazität von Itaipù in Brasilien, dem bisher größten Kraftwerk der Welt, um die Hälfte übertreffen. Der Damm soll die periodischen Hochwasser auffangen und damit zukünftige Überschwemmungskatastrophen verhindern. Der Yangtse ist auch die wichtigste Verkehrsader in die bevölkerungsreiche Provinz Sezuan. Indem er die Stromschnellen der Drei Schluchten unter Wasser setzt, soll der Stausee den bisherigen Schifftransport verfünffachen. Schiffe bis 10\'000 Tonnen sollen zukünftig den wichtigen Hafen von Chongqing anfahren können. Zu guter Letzt soll der Staudamm die trockeneren nördlichen Provinzen mit Wasser versorgen. Die letzten Generatoren sollen im Jahr 2009 ans Stromnetz gehen und der Stausee um 2013 sein normales Niveau erreichen.
1.3. Das außenpolitische Umfeld des Entscheids
Die Regierung der USA entschied im Mai 1996, aufgrund der ökologischen und sozialen Probleme keine Kredite der Export-Import-Bank für das Drei-Schluchten-Projekt in seiner aktuellen Form zu erteilen. Der Gouverneur der japanischen Exim-Bank versicherte im Juli 1996, ebenfalls keine Garantien für das Projekt zu bewilligen, . Auch die Weltbank wird sich nicht am Drei-Schluchten-Vorhaben beteiligen. Damit stehen sämtliche Finanzierungsinstitutionen, die bei ihrer Tätigkeit minimale soziale und ökologische Bedingungen beachten, abseits. Zwar hat die deutsche Regierung im August 1996 eine Hermes-Bürgschaft für das Projekt bewilligt. Letzteres wird jedoch nur finanziert werden können, wenn die umfangreichen Exportkredite auf mehrere Länder verteilt werden können.
Das Drei-Schluchten-Projekt ist weltweit zum Symbol einer menschenverachtenden Entwicklungspolitik geworden. Das internationale Netzwerk von Entwicklungs- und Umweltorganisationen wird in Zukunft jede Regierung oder Firma nachhaltig brandmarken, die sich an diesem Vorhaben beteiligt.

1.4. Außenpolitische Kohärenz
Das Drei-Schluchten-Projekt war seit den 20er Jahren ein Prestigeprojekt der starken Männer und Diktatoren Chinas. Die Opposition von zuständigen Ministerien, Provinzregierungen, wissenschaftlichen Kommissionen und Parlamentsabgeordneten verhinderten seine Durchführung bis Ende der 80er Jahre. Der Bauentscheid von 1992 wurde nur dank der Repressionswelle seit dem Tiananmen-Massaker vom Juni 1989 möglich. Seit diesem Zeitpunkt kann in China das Projekt am Yangtze nicht mehr öffentlich diskutiert werden. Kritische Stimmen wie die prominente Journalistin Dai Qing wurden mundtot gemacht.
Jahrzehntelange negative Erfahrungen haben gezeigt, dass Großprojekte höchstens im Klima einer freien Meinungsäußerung, einer öffentlichen Diskussion der Vor- und Nachteile sinnvoll durchgeführt werden können. Dies bedeutet nicht, Spielregeln westlicher Demokratien auf Länder wie China zu übertragen. Ein Mindestmass an im Sinn von Pressefreiheit, Konsultation und Partizipation der Betroffenen ist jedoch die unabdingbare Voraussetzung für die verantwortungsvolle Durchführung jedes Entwicklungs- oder Infrastrukturprojekts. Gerade die berüchtigtsten Entwicklungsruinen des internationalen Kraftwerkbaus weisen die selben undemokratischen Rahmenbedingungen auf wie das Drei-Schluchten-Projekt.
Führende Vertreter des Bundesamts für Außenwirtschaft haben wiederholt darauf hingewiesen, dass die wirtschaftliche Verflechtung den Austausch von Ideen und damit längerfristig die Demokratisierung fördert. Dabei darf allerdings nicht vergessen werden, dass die Demokratisierung historisch von der wirtschaftlichen Entwicklung nie automatisch gefördert, sondern stets in konkreten Auseinandersetzungen erkämpft wurde. Gerade der Widerstand gegen Staudammprojekte hat für die Demokratisierung in Zentral- und Osteuropa eine entscheidende Rolle gespielt. (Beispiele sind die bahnbrechenden Kampagnen gegen Nagymaros und Gabcikovo in Ungarn sowie gegen weitere Projekte in Bulgarien, Litauen oder Georgien.) Aufgrund dieser Erfahrungen wäre es äußerst zynisch, das diktatorische Drei-Schluchten-Projekt, das die Repression gegen dissidente Stimmen weiter verschärfen wird, durch seine Auswirkungen auf die Menschenrechtssituation zu rechtfertigen.

1.5. Finanzielle und politische Risiken
Das Drei-Schluchten-Projekt ist innerhalb des chinesischen Machtapparats seit Jahrzehnten umstritten. Zur Opposition werden u.a. die Provinzregierung von Sichuan, das frühere Elektrizitätsministerium, große Teile des Nationalen Volkskongresses und zahlreiche wissenschaftliche Gremien gezählt. Auch der Zhu Rongji und KP-Generalsekretär Jiang Zemin gelten als Gegner des Projekts. Zu den Ablehnungsgründen gehören offenbar die Unwirtschaftlichkeit des Projekts, die angesichts der zunehmenden staatlichen Budgetdefizite besonders ins Gewicht fällt, sowie die Furcht vor Unruhen der Umsiedlungsopfer. Die finanziellen Probleme des Projekts dürften sich 1996 verschärft haben. Aufgrund der Skepsis der privaten Banken gelang es den zuständigen Behörden bisher nicht, Obligationen auf dem privaten Kapitalmarkt aufzulegen. Die wachsende finanzielle Autonomie der Provinzregierungen erschwert es der Zentralregierung, letztere zur Finanzierung des Projekts beizuziehen. Die Behörden von Guangdong beteiligen sich beispielsweise an dezentralen, rentablen Wasserkraftwerken statt am Prestigeprojekt am Yangtze. Als Folge der wachsenden Budgetdefizite sieht sich die Zentralregierung gezwungen, verschiedene Kraftwerkprojekte zu annullieren. Es gibt Indizien, dass die finanzielle Privilegierung des unwirtschaftlichen Drei-Schluchten-Damms innerhalb des Machtapparats zunehmenden Unmut schafft.
Innerhalb der chinesischen Regierung zählen Wasserbauprojekte zur Domäne von Premierminister Li Peng. Die Amtszeit dieses Hauptbefürworters des Drei-Schluchten-Damms läuft 1997 ab. Gemäss verschiedenen Spekulationen könnte sie nicht erneuert werden - insbesondere wenn Deng Xiao Ping in der Zwischenzeit stirbt. Falls Li Peng tatsächlich aus dem Machtzentrum verdrängt wird, ist nicht ausgeschlossen, dass Projektgegner wie Zhu Rongji und Jiang Zemin die Privilegierung des Damms am Yangtze beenden und den Zufluss weiterer Finanzmittel unterbinden könnten. Japanische Firmen halten größere Investitionen in das Projekt bewusst zurück, bis sich die politische Zukunft Li Pengs geklärt hat. Das Projektrisiko des umstrittenen Vorhabens muss jedenfalls als erheblich höher eingeschätzt werden als das Länderrisiko der Volksrepublik China.

 
 

Datenschutz
Top Themen / Analyse
Arrow Chinas Demographie
Arrow Desertifikation (Handout)
Arrow Die Atmosphäre
Arrow Sights Australia
Arrow Der Tourismus in Basel und die Volkswirtschaft
Arrow Kolumbien - Endogene Ursachen der Entwicklungsdefizite
Arrow Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
Arrow Die Südinsel
Arrow Ziele und Nutzen des Workflow-Managements
Arrow Reklamation im Gasthaus


Datenschutz
Zum selben thema
icon Niederschlag
icon Treibhauseffekt
icon Industrie
icon Atmosphäre
icon Flora
icon Klima
icon Erdbeben
icon Berge
icon Länd
icon Verstädterung
icon Vulkan
icon Geologie
icon Gewitter
icon Staudämme
icon Kultur
icon Steppen
icon Religionen
icon Höhle
icon Vegetation
icon Jahreszeiten
icon Bevölkerung
icon Handel
icon Planeten
icon Deutschland
icon Tourismus
icon Ozon
icon Tornados
icon Erwärmung
icon Fauna
icon Energie
icon Wüste
icon Städt
icon Umwelt
icon Fossilien
icon Ökologie
icon Ernährung
icon Lawinen
icon Wicklung
icon Verkehr
icon Region
icon Regen
icon Böden
icon Bodenschätze
icon Erdöl
icon Erforschung
icon Wälder
icon Globalisierung
icon Wasser
A-Z geographie artikel:
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #

Copyright © 2008 - : ARTIKEL32 | Alle rechte vorbehalten.
Vervielfältigung im Ganzen oder teilweise das Material auf dieser Website gegen das Urheberrecht und wird bestraft, nach dem Gesetz.
dsolution