Die Frage der Geburtenbeschränkung wurde 1963 anlässlich der beginnenden Bewegung für sozialistische Erziehung wieder aktuell. In der Hauptphase der Grossen Proletarischen Kulturrevolution trat sie in den Hintergrund, schien aber von der späteren Führungsspitze wieder gebilligt zu werden. Trotz der Vielfalt der angewandten Methoden und gesetzgeberischen Mittel lässt sich dennoch eine Entwicklungslinie der chinesischen Bevölkerungspolitik erkennen. Während der ersten Kampagne für die Geburtenbeschränkung, 1956, befürwortete die Regierung sowohl die Anwendung traditioneller Verhütungsmittel als auch die freiwillige Sterilisation von Männern und Frauen. Das wirksamste Mittel bleibt jedoch die Abtreibung, deren gesetzliche Regelung gemildert wurde und die man mit Hilfe indirekter wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber zu grossen Familien unterstützt. Die Abtreibung wird verheirateten Frauen empfohlen, die bereits zwei Kinder haben und deren Einkünfte gering sind: sie wird, bei vorheriger Einwilligung der Eheleute und ggf. auch deren Eltern, kostenfrei in Krankenhäusern durchgeführt. Im Verlauf der folgenden Periode wurde der Akzent stärker auf die regelmässige Anwendung von Präservativen und intrauterinen Verhütungsmitteln gelegt. Gleichzeitig wurde im Rahmen der Bewegung für Sozialistische Erziehung für ein höheres Alter bei der Eheschliessung geworben. Seit der "Kulturrevolution" wurden vor allem die oralen Verhütungsmittel von der Regierung empfohlen. In den 60er Jahren wurde allgemein eine sog. 22-Tage-Pille benutzt. Darüber hinaus bemüht sich die Forschung um die Gewinnung eines Kontrazeptionsmittels, das männliche oder weibliche Unfruchtbarkeit für eine Dauer von mehreren Monaten oder einem Jahr herbeiführen soll. Mangels genauer Untersuchungen sind die Ergebnisse dieser Politik der Geburtenbeschränkung schwer abzuschätzen. Zu Beginn hat der grosse Mangel an Ärzten und Sanitätern, unter dem das Land litt, die Verbreitung des Gebrauchs von Verhütungsmitteln gehemmt und die Inanspruchnahme von Abtreibungsmöglichkeiten begrenzt. Ausserdem muss man Zurückhaltung und Widerstand einer Bevölkerung in Betracht ziehen, für welche die Zahl der Kinder eine Beweis familiären Glücks darstellt. Viele Anzeichen weisen also darauf hin, dass die Bemühungen der Ärzteschaft und des Frauenverbandes vor 1965 nicht über den Rahmen der Stadtbevölkerung hinaus wirksam geworden sind. Unter diesen Umständen ist es besonders schwierig, die leichte Senkung der Bruttozuwachsrate der Bevölkerung von 1966 an zu analysieren. Die von der Regierung mit Nachdruck empfohlene Erhöhung des Heiratsalters für Frauen auf 25 konnte allein schon die Fruchtbarkeitsquote um 20% herabsetzen. Diese Situation änderte sich aber vollkommen, als die Kinder, die nach 1949 geboren wurden, das Erwachsenenalter erreichten. Eine Projektion der Alterspyramide von 1953 zeigt für die Zeit nach 1968 eine schneller steigende Zuwachsrate von Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter.
Die Senkung der natürlichen Zuwachsrate der Bevölkerung auf 1% schien auf lange Sicht das Ziel der chinesischen Regierung zu sein.
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