3.1 Die Hauptmerkmale der Bankingtheorie
Durch die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in England entstandene Streitfrage, wie die englische Notenbank die Geldmenge am zweck-mäßigsten reguliere, bildete sich die Bankingtheorie, deren Hauptvertreter Thomas Tooke und John Fullarton waren. "Die Anhänger der Bankingtheorie waren der Meinung, daß eine enge Bindung der Emission von Papiergeld, also der Ausgabe von Papiergeld, an die Goldvorräte der Notenbank unnötig sei, da es auch ohne diese Regel zu einer stabilen Ausweitung der Papiergeldmenge kommen würde." Die Bankingtheorie forderte, "daß nur ein bestimmter prozentualer Anteil der umlaufenden Banknoten durch Gold gedeckt werde, während der restliche Teil des umlaufenden Geldes durch Handelswechsel zu decken sei. Diese Auffassung beruht auf dem
Fullarton'schen Rückströmungsprinzip. Dieses Prinzip besagt, daß Bank-noten, die durch Ankauf von Handelswechseln seitens der Notenbank in den Umlauf gelangt sind, bei Fälligkeit der Wechsel nach spätestens drei
Monaten wieder an die Notenbank zurückfließen und die Geldmenge entsprechend verringern."
Die Bankingtheorie sorgt also dafür, daß die Notenbank keinen Einfluß auf
die Papiergeldmenge hat, da diese abhängig von dem Kreditbedarf der Wirtschaft ist. Dadurch ist auch eine stabile Ausweitung der Papiergeldmenge gewährleistet, da nur so viel Geld in Umlauf kommt, wie die Wirtschaft benötigt. In Zeiten, in denen eine gute wirtschaftliche Lage herrscht, erhöht sich die Papiergeldmenge, da die Wirtschaft einen hohen Kreditbedarf hat, z.B. zum Kauf von neuen Maschinen um mehr Güter zu produzieren. Es werden mehr Handelswechsel in Umlauf gebracht und an die Notenbank verkauft, die dafür Papiergeld ausgibt, was zu einer Erhöhung der Papiergeldmenge führt. Bei Fälligkeit, der von der Notenbank angekauften Wechsel, fließt das für die Wechsel ausgegebene Papiergeld wieder zurück an die Notenbank und die Papiergeldmenge verringert sich. In Zeiten, in denen eine schlechte wirtschaftliche Lage herrscht, hat die Wirtschaft einen sehr geringen Kreditbedarf und es kommt zu keiner bzw. nur zu einer sehr geringen Geldmengenerhöhung, da nur sehr wenige Handelswechsel an die Notenbank verkauft werden. Die Wirtschaft regelt also die Geldmenge auto-matisch, "da sie nur eine solche Geldmenge nachfragt, die sie zur
Finanzierung des Warenwertes tatsächlich benötigt." "Die Bankingtheorie nannte man auch eine moderne Theorie, da sie eine elastische Handhabung der Notenausgabe ermöglichte, da sich die Notenausgabe den jeweiligen Bedürfnissen der Wirtschaft anpaßte."
3.2 Positive Aspekte der Bankingtheorie
Positiv zu sehen an der Bankingtheorie ist die Forderung, die die Banking-
theoretiker vertraten, "daß sich die Geldmenge nach den Bedürfnissen der Wirtschaft richtet und damit eine elastische Handhabung der Notenausgabe ermöglicht wird." Hat die Wirtschaft einen sehr hohen Kreditbedarf, so steigt automatisch die Geldmenge, hat sie jedoch einen eher niedrigen Kreditbedarf, so sinkt die Geldmenge. Das sorgt dafür, daß nie zuviel Geld im Umlauf ist und die Gefahr einer Inflation sehr gering gehalten wird. Zu einer Inflation kommt es immer dann, "wenn die Geldmenge in einer Volkswirtschaft schneller zunimmt als die Gütermenge, die verkauft werden kann." Dies kann bei der Bankingtheorie nicht passieren, da die Geldmenge nur steigt,
wenn Handelswechsel von der Wirtschaft an die Notenbank verkauft wer-
den, da ein Kapitalbedarf, z.B. zum Kauf von neuen Produktionsanlagen zur
Steigerung der Produktionsmenge, besteht. Weiterhin ist bei der
Bankingtheorie positiv zu sehen, "daß der Umfang der Wechseldiskon-tierung, das heißt die Anzahl der Wechsel, die die Notenbank ankauft und dafür Papiergeld in Umlauf bringt, ein Merkmal für die wirtschaftliche Lage ist. Eine Notenausgabe aufgrund angekaufter Handelswechsel ist weniger bedenklich für die Aufrechterhaltung des Preisniveaus, als andere Arten der Banknotenausgabe." Als Aufrechterhaltung des Preisniveaus bezeichnet man "die Konstanthaltung des gemessenen Durchschnittstandes aller wichtigen Preise in der Volkswirtschaft. Steigen einzelne Preise an, so müssen diese Preissteigerungen durch Preissenkungen an anderer Stelle ausgeglichen werden, um das Preisniveau konstant zu halten."
3.3 Negative Aspekte der Bankingtheorie
Negativ zu sehen an der Bankingtheorie ist der Aspekt, daß nicht beachtet wird, "daß ein erhöhter oder verminderter Kreditbedarf der Wirtschaft bereits die Folge einer Inflation oder einer Deflation sein kann. Selbst bei gleichbleibendem Handelsvolumen wird sich bei steigenden oder sinkenden Preisen der Kreditbedarf ändern." Das bedeutet, daß es bereits bei einer leichten Inflation zu einem erhöhten Kreditbedarf der Wirtschaft kommen kann, da bei einer Inflation die Preise, aus Gründen von z.B. einer Güterknappheit, steigen und die Wirtschaft immer mehr Geld benötigt. Umgekehrt kann ein verminderter Kreditbedarf bereits ein Anzeichen für eine leichte Deflation sein, da bei einer Deflation die Preise, aus Gründen von z.B. einem Güterüberangebot, sinken und die Wirtschaft deshalb relativ wenig Geld benötigt. Ein weiterer negativer Aspekt der Bankingtheorie ist die Nichtbeachtung der Kreditbedingungen, "die einen entscheidenden Einfluß auf die Nachfrage nach Kredit und damit auf die Geldmenge haben." Eine große Rolle bei den Kreditbedingungen spielt der Zinssatz (Diskont), den die Notenbank festsetzt. "Der Diskontsatz ist der Zinsabzug beim Ankauf von Wechseln für die Zeit vom Verkaufstag des Wechsels bis zum Fälligkeitstag. Der Verkäufer des Wechsels erhält die um die Zinsen verkürzte Wechselsumme ausgezahlt." Das bedeutet, daß bei einem sehr niedrigen Diskontsatz die Kreditnachfrage sehr hoch ist, da sich durch den niedrigen Zinsabzug die ausgezahlte Wechselsumme nur wenig verringert. Die hohe Kreditnachfrage sorgt dann für eine starke Erhöhung der sich im Umlauf befindenden Geldmenge. Als dritter negativer Aspekt der Bankingtheorie ist zu erwähnen, daß nicht beachtet wird, "daß nicht jeder von der Wirtschaft an die Notenbank verkaufte Handelswechsel zur Steigerung der Produktivität verkauft wurde." Wichtig zu beachten wäre hierbei gewesen, daß die Banknoten, die von der Notenbank für den Ankauf von Wechseln, ausgegeben werden, bis zur Tilgung des Wechsels im Umlauf sind. "Bei einer hohen Anzahl von Wechseln, die die Notenbank ankauft, kann eine inflatorische Erscheinung auftreten, da sich die Umlauf befindende Geldmenge stark erhöht."
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