Der Weg in den I. Weltkrieg
18. Juni 1914: Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinands und seiner Frau in Sarajevo durch den serbischen Nationalisten Princip, wahrscheinlich mit Unterstützung der serbischen Regierung
"Das Attentat von Sarajevo war die dramatische Zuspitzung des seit langem schwelenden Konfliktes zwischen der Donau - Monarchie und der südslawischen Nationalbevölkerung."
29. Juni - 1. Juli 1914: heftige Diskussionen in der politischen und militärischen Führung Österreich - Ungarns über die Art der Reaktion
- Kriegspartei plädiert für militärische Strafaktion, zunächst Unklarheiten über die Reaktion Rußlands und die Haltung des Deutschen Reiches
4. - 6. Juli 1914: nach intensiven Beratungen entschließt sich die deutsche Regierung Österreich gegenüber Serbien bedingungslos zu unterstützen, das Ergebnis ist die sogenannte Blankovollmacht Wilhelm II. an Österreich, er versichert militärischen Beistand
"... in Einklang mit seinen Bündnispflichten und seiner alten Freundschaft..."
7. Juli 1914: der österreichisch - ungarische Ministerrat entscheidet sich für ein scharfes Ultimatum an Serbien mit dem Ziel, eine militärische Auseinandersetzung zu beginnen
10. - 19. Juli 1914: österreichisch - ungarische Regierung erarbeitet ein Ultimatum an Serbien, Befürchtung in der deutschen Regierung wächst, daß Österreich vor einem Krieg mit Serbien zurückschrecken würde
21. Juli 1914: anläßlich eines Staatsbesuches in Petersburg richtet der französische Präsident Poncaré heftige Warnungen an Österreich, Rußland und Frankreich sichern sich militärischen Beistand zu.
22. Juli 1914: der englische Außenminister Greg rät Serbien zur Annahme eines österreichisch - ungarischen Ultimatums "falls dies gemäßigt sei"
23. Juli 1914: das auf 48 Stunden festgelegte Ultimatum Österreichs an Serbien stößt dort auf Widerstand, auch die Ententestaaten lehnen Ultimatum ab - Verschärfung der Julikrise
25. Juli 1914: Serbien akzeptiert die meisten Forderungen Österreichs, Österreich betrachtet jedoch die serbische Antwort als unbefriedigend, in Österreich wird die Teilmobilmachung angeordnet, Rußland beschließt, Serbien im Falle eines österreichisch - ungarischen Angriffs (militärisch) zu unterstützen
28. Juli 1914: Österreich - Ungarn erklärt Serbien den Krieg
29. Juli 1914: Rußland führt Teilmobilmachung durch
Der Chef des deutschen Generalstabs Helmuth von Moltke fordert Österreich zur Generalmobilmachung auf und sichert eigenmächtig die "unbedingte Unterstützung" des Deutschen Reiches zu
- der österreichisch - serbische Konflikt weitet sich aus zum Konflikt zwischen Rußland und Deutschland
31. Juli 1914: Generalmobilmachung in Österreich - Ungarn
- Deutschland richtet ein mit 12 Stunden befristetes Ultimatum an Rußland die Mobilmachung aufzuheben
- Forderung Deutschlands an Frankreich (Ultimatum von 18 Stunden), im Falle eines deutsch - russischen Konfliktes Neutralität zu üben
1. August 1914: Deutschland verkündet Mobilmachung und erklärt Rußland den Krieg
3. August 1914: Frankreichs Ablehnung des deutschen Ultimatums wird mit der deutschen Kriegserklärung beantwortet
4. August 1914: nachdem deutsche Truppen die Neutralität Belgiens gebrochen haben, erklärt auch Großbritannien Deutschland den Krieg
- widersprüchliche Position der SPD: - Zustimmung zur Bewilligung der Kriegskredite - Hugo Haase dazu: "Wir haben alles getan diesen Krieg zu verhindern!" - will aber zum Vaterland stehen aus Angst vor dem russischen Zarrismus und Despotismus - Aufbau der Legende vom Verteidigungskrieg für das deutsche Vaterland
Die deutsche Militärstrategie im I. Weltkrieg
"Alles war bewußt auf eine Karte gesetzt worden. Diese Karte war der Sieg des Deutschen Reiches über Frankreich. Auf diese Aufgabe waren Rüstungspolitik, Ausbildung und Bewaffnung des deutschen Heeres ausgerichtet!" (Schulte)
"Deutschlands Feldzugsplan, Deutschlands Siegeschancen beruhten auf der Voraussetzung, daß Rußland nach Kriegsausbruch nicht gleich in voller Stärke werde antreten können" (Graf Kielmansegg)
Der Schlieffenplan
1905 - vom damaligen Chef des deutschen Generalstabes Graf Alfred von Schlieffen entworfenes Konzept der Kriegführung
Ziel: Vermeidung eines Zweifrontenkrieges durch einen konzentrierten, schnellen Angriff auf Frankreich, bevor Rußland angriffsbereit ist
Planung der ersten Phase
Eindringen starker deutscher Truppen über Belgien und Luxemburg unter Umgehung der nördlichen Grenzbefestigungen Frankreichs
- rasche Umschließung der Hauptstadt Paris
- Abdrängen der französischen Hauptstreitkräfte ins Moselgebiet, an die Schweizer Grenze
- Abschneiden von der Versorgung vom Hinterland
- Suchen nach einer militärischen Entscheidungsschlacht
- nach dem erwarteten militärischen Sieg in Frankreich konzentrierter militärischer Einsatz deutscher Armeen im Osten
- bis zu diesem Zeitpunkt sollen 40 deutsche und österreichische Divisionen die Grenzen gegen 90 russische Divisionen verteidigen
Mängel des Schlieffenplans
- Berechnungen nach dem Stand von 1905:
- falsche Einschätzung der russischen Truppentransportfähigkeiten und des Zeitfaktors bei der Generalmobilmachung Rußlands
- in der Entwicklungsrate 1905 - 1914 bleibt Rußland unbeachtet
- politische Entwicklungen 1905 - 1914 bleiben ebenfalls unberücksichtigt
- der Schlieffenplan rechnete fest mit der Neutralität Großbritanniens, da 1905 der Interessenausgleich mit Rußland noch nicht erfolgt war
- das Ablaufschema des Schlieffenplans erforderte die deutsche Initiative beim Beginn der Kriegshandlungen
- das deutsche Reich befand sich in der Rolle des Angreifers (Kriegsschuldfrage)
- die deutsche Flotte hatte im Schlieffenplan keinerlei Funktion, eine mögliche Blockade der deutschen Nordseehäfen durch Großbritannien war nicht einkalkuliert, weder 1905 noch 1914 verfügte die deutsche Armee über die im Schlieffenplan vorgesehene Heeresstärke
- zu der im Schlieffenplan vorgesehenen Strategie gab es keine Alternative für den Fall eines gescheiterten Durchmarschs durch Belgien und Frankreich - es waren keine Vorkehrungen getroffen
- keine konkrete zeitliche und inhaltliche Planung des Ostfeldzuges
Die gefährlichen Konsequenzen des Schlieffenplans wurden in der Julikrise deutlich. Militärstrategische Überlegungen zwangen die deutschen Politiker zu überstürzten Ultimaten und Kriegserklärungen
"So kam es zu der ungeheuren politischen Torheit ... daß Deutschland an Rußland und Frankreich den Krieg erklärte. Denn der Kanzler (Bethmann Hollweg) war den Generälen unterlegen, die klare Verhältnisse schaffen wollten."
Der Verlauf des 1. Weltkrieges
1. Phase: Vom Bewegungskrieg zum Stellungskrieg 1914 - 1915
2 .Phase: Stellungskrieg, Erschöpfungsstrategien, Suche nach Bundesgenossen 1915 - 1917
3. Phase: uneingeschränkter U - Boot - Krieg und Kriegseintritt der USA 1917
4. Phase: Friedensbemühungen, Entscheidungskampf im Westen, Waffenstillstand 1918
Der Krieg im Westen
8. - 12. September 1914: Schlacht an der Marne
- erster Rückzug des deutschen Heeres (bis Sept. hatte der rechte Flügel der deutschen Heeresordnung 50% seines Bestandes verloren)
- Schlieffenplan gescheitert
Februar - Juli 1916: Schlacht um die Festung Verdun
- größte Materialschlacht des I. Weltkriegs
Juni - November 1916: Schlacht an der Somme
- mißlungener Durchbruchsversuch englischer und französischer Verbände
1918: fünf Großoffensiven der deutschen Verbände scheitern
8. August 1918: "Schwarzer Freitag des deutschen Heeres" - Durchbruch britischer Tanks bei Amiens
- in den folgenden Wochen drohender Zusammenbruch der deutschen Stellungen an der Westfront
- Oberste Heeresleitung (Hindenburg, Ludendorff) fordern Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen (29.9.1918)
Erklärung der Obersten Heeresleitung am 3. Oktober 1918:
"infolge der Unmöglichkeit die in den Schlachten der letzten Tage eingetretenen sehr erheblichen Verluste zu ergänzen, besteht nach menschlichem ermessen keine Aussicht mehr, dem Feinde den Frieden aufzuzwingen ... "
Im I. Weltkrieg war die Westfront der entscheidende Hauptkriegsabschnitt. Hier entschied sich das Schicksal der deutschen Militärstrategie (Schlieffenplan). Obwohl die deutschen Armeen bis in die Endphase des I. Weltkriegs die territorialen Stellungen vom Herbst 1914 hielten, war spätestens mit dem Kriegseintritt der USA die geringe Chance auf einen militärischen Erfolg nicht mehr gegeben. Im Spätsommer 1918 drohte der völlige Zusammenbruch der demoralisierten deutschen Armeen an der Westfront, die materielle und zahlenmäßige Überlegenheit der Entente wurde erdrückend.
Der Krieg im Osten
"Die Ostfront war für Deutschland zunächst Nebenkriegsschauplatz" (Graf Kielmansegg)
1914: im August rasches Eindringen russischer Armeen in Ostpreußen, sie werden jedoch durch Hindenburg und Ludendorff in 2 Schlachten (August bei Tanneberg und September an den Masurischen Seen) geschlagen und zur Räumung Ostpreußens gezwungen
1915: zunächst erfolgreiche Offensiven an der Ostfront
- deutsche Truppen besetzen große Teile Polens, Galiziens und Estlands, Bewegungskrieg erstarrte bald zum Stellungskrieg
1916/1917: erfolglose russische Großoffensiven (Brussilow- und Kerenski - Offensiven) - wachsende Demoralisierung der russischen Truppen
"Eine Versorgung des industriell und rüstungstechnisch unterlegenen Kaiserreichs mit Waffen und Munition aus dem Westen konnte wegen der fehlenden Verbindung im Unterschied zum II. Weltkrieg nicht stattfinden!" (Schieder)
- seit der Februarrevolution 1917 zunehmende Auflösungserscheinungen im russischen Heer als Folge der revolutionären Entwicklung im Lande
8./9. November 1917: unmittelbar nach der Machtübernahme des "Rats der Volkskommissare" in Petrograd - Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen
- Dekret über den Frieden: Forderung eines gerechten annexionslosen Friedens
3. März 1918: Friedensvertrag zwischen Sowjetrußland und den Mittelmächten (Diktatfrieden)
Das Ausscheiden Sowjetrußlands aus dem Entente - Bündnis gab dem Kriegsgeschehen keine Wende
- Der Kriegseintritt der USA hatte die militärische Überlegenheit der Entente gefestigt, ein Ausscheiden Rußlands war kompensierbar
- etwa eine Million deutsche Soldaten waren weiter im Osten in den besetzten Gebieten gebunden
Der Seekrieg und der uneingeschränkte U-Boot - Krieg
- englische Fernblockade der deutschen Nordseehäfen
- deutsche Schlachtflotte zu schwach, um englische Blockade aufzubrechen - Wilhelminisches Flottenrüstungsprogramm erwies sich als Fehlschlag
- kriegsentscheidende Einschnürung des deutschen Wirtschaftslebens
- kein Warenverkehr mit deutschen Kolonien und neutralen Staaten mehr möglich
Lösungsversuch: Blockade der englischen Gewässer durch U-Boote
Februar 1915: Eröffnung des uneingeschränkten U-Boot - Kriegs
"Die Öffentlichkeit klammerte sich nur zu bereitwillig an die Hoffnung, daß Deutschland mit dem U-Boot eine kriegsentscheidende Wunderwaffe besäße ..."
- warnende Gegner des U-Boot - Kriegs haben nur geringen Einfluß auf Wilhelm II.
Reichskanzler Bethmann - Hollweg:
"Es bleibt ein Würfelspiel, dessen Einsatz die Existenz Deutschlands ist"
1915/1916: auf Druck der USA zweimal abgebrochen
Anlaß: Versenkung des Passagierschiffes "Lusitania" durch ein U-Boot (1300 Opfer)
Januar 1917: Wiederaufnahme des U-Boot - Krieges | Kriegserklärung der USA am 6.4.1917
Wertung:
Das militärpolitische Ziel, mit Hilfe eines uneingeschränkten U-Boot - Krieges Großbritannien wirtschaftlich und politisch niederzuwerfen, mißlang.
Zwar geriet die britische Kriegswirtschaft vorübergehend in Schwierigkeiten, traten in der Versorgung der Bevölkerung und der Fronttruppen Engpässe auf, aber bereits 1917 hatte sich die militärische Führung Großbritanniens erfolgreich auf die Abwehr der U-Boote eingestellt (u.a. Einführung eines Konvoisystems, Bau von U-Boot - Jägern, Bewaffnung der Handelsschiffe).
Die U-Boot - Rüstung Deutschlands war bereits 1918 aufgrund der wirtschaftlichen Probleme rückläufig. Die politischen Folgen des uneingeschränkten U-Boot - Krieges waren jedoch für das Deutsche Kaiserreich verheerend.
1) Die politische Führung der USA hatte jetzt die moralische Begründung von einer Politik der "wohlwollenden Neutralität" zu einer aktiven Kriegführung überzugehen, veränderte radikal das militärische Kräfteverhältnis
2) Der mit dem Bruch elementarer Völkerrechtsnormen verbundene U-Boot - Krieg machte einen noch 1916 realisierbaren "Verständigungsfrieden" unmöglich. Er führte zu einem Ansteigen des Hasses auf das Deutsche Reich, führte letztendlich zu dem Verlangen, Deutschland als Alleinschuldigen des Krieges zu bestrafen, was im Versailler Vertrag seinen Ausdruck fand.
3) Auch bei den neutralen Staaten geriet das Deutsche Reich in zunehmende Isolation (z.B. Spanien, Schweden brechen Beziehungen ab).
Die innere Entwicklung Deutschlands während des I. Weltkriegs
"In fast allen europäischen Ländern hatte der Kriegsausbruch zunächst einmal zu einem Abbau der Spannungen im Inneren geführt. Spätestens 1916 ist jedoch in den meisten Ländern ein Wiederaufleben der inneren Spannungen zu registrieren." (Schöllgen)
- August 1914: Herstellen eines inneren "Burgfriedens" durch die einstimmige Annahme der Kriegskredite am 4. August 1914
- die inneren Belastungen des Krieges (Kriegswirtschaft, Lebensmittelrationierung) wurden vom Reichstag mit getragen und von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert
- mit Fortdauer des Krieges und nach den militärischen Mißerfolgen zerbrach die Einheit von Regierung, Parteien, Oberster Heeresleitung und Bevölkerung
Hauptkonfliktpunkte:
- Kriegszieldiskussionen
- Forderung nach Reform der Reichsverfassung
- die Lasten des Krieges verschärften den inneren Konflikt
"Es war die unvermeidliche Folge der Lage Deutschlands und der Begrenztheit seiner Mittel, daß der Riesenbau der Kriegswirtschaft Druck ausübte, wie dies in keinem der gegnerischen Länder der Fall gewesen ist."
1916: Spaltung der Sozialdemokratie in der Auseinandersetzung über die Haltung zu den Kriegskrediten - Gründung der USPD
- versuch des Reichskanzlers Bethmann - Hollweg einen innenpolitischen Ausgleich zu finden
Osterbotschaft 1917
Wilhelm II. verkündet die Aufgabe des reaktionären 3 - Klassenwahlrechts in Preußen
- heftiger Widerstand der OHL und der konservativen Parteien
Julikrise 1917
Oberste Heeresleitung, Konservative und Nationalliberale drängen Wilhelm II. zur Entlassung des Reichskanzlers Bethmann - Hollweg
Juli 1917 - Oktober 1918:
Zeit der "Diktatur der OHL"
Die politische Führung des Reiches ging praktisch an ein Bündnis der annexionslüsternen Kreise der Generalität um Hindenburg und Ludendorff mit Kreisen der Großindustrie, des Altdeutschen Verbandes und der preußischen Großgrundbesitzer über.
"Diktatur Ludendorffs"
- militärischer Kriegsabsolutismus
"Das Ziel Hindenburgs und Ludendorffs war es, die Kriegsanstrengungen Deutschlands auf das denkbare Maximum zu steigern."
Ende 1917/1918: zunehmende innenpolitische Instabilisierung des deutschen Kaiserreiches trotz der verkappten Militärdiktatur der OHL
- in der deutschen Öffentlichkeit schwindet der Glauben an die Möglichkeit den Krieg zu gewinnen
- wachsende Distanz der auf einen Verständigungsfrieden fixierten Parteien im Reichstag (Zentrum, SPD, Fortschrittspartei) zum Kriegskurs der Annexionspartei
- militärische Erfolge des Neuen Kurses der Militärdiktatur bleiben aus
- Vorbildwirkung der russischen Revolution aktiviert radikalsozialistische Kräfte
1917: erste Unruhen in der deutschen Kriegsflotte in Kiel (Reichpietsch/Köbis)
1918: zunehmende Streikbereitschaft trotz Kriegsrechts
770 Streiks, davon 240 politisch motiviert
Höhepunkt: Munitionsarbeiterstreik im Januar 1918
- unter der Führung von USPD - Funktionären und revolutionären Obleuten (etwa 1 Million Streikteilnehmer)
1918: in zahlreichen betrieben und in Einheiten der Kriegsflotte Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten
- nach dem Eingeständnis der Kriegsniederlage durch die OHL am 3. Oktober 1918 bricht die Militärdiktatur Hindenburgs und Ludendorffs zusammen
- Versuch durch eine Verfassungsreform die Monarchie zu retten
28. Oktober 1918: Gesetz über Verfassungsänderungen
- Bildung der ersten parlamentarischen Regierung seit 1871 unter Reichskanzler Max von Baden (Einbeziehung von SPD, Zentrum, Deutsche Fortschrittspartei)
- Übergang vom monarchischen Obrigkeitsstaat zum parlamentarischen Regierungssystem (noch in Regierung: Scheidemann, Erzberger, Bauer, Stresemann)
- wichtige Repräsentanten der Liberalisierung
Warum konnte die Oktoberreform die Monarchie in Deutschland nicht retten?
- Oktoberreform zu spät: Volk hatte bereits begonnen, eine Revolution anzuzetteln (Lawine schon im Rollen) - war nun revolutionsbereit
- auch eine Reform kann die Deutschen nicht mehr besänftigen
- auch eine reformierte Monarchie war immer noch die gleiche, die 1914 auch den Krieg angezettelt hatte
- Rettungsabsicht der Monarchie leicht durchschaubar für Siegermächte - die lassen sich nicht täuschen
- das Volk hatte das vertrauen in den deutschen Kaiser verloren - wollten endlich Frieden
- Reformen genügten nicht mehr, um die brodelnde Masse zu besänftigen
Revolution - Führer der Revolution wurden die Arbeiter- und Soldatenräte, die sie vorantrieben und nicht von der Regierung zu bremsen waren
Die Bilanz des I. Weltkrieges
I. Opfer und materielle Verluste
- etwa 10 Millionen Kriegstote, ca. 20 Millionen Schwerverwundete (Krüppel)
- viele Blinde durch Giftgasangriffe
Tote:
Deutschland: 1,8 Mio.
Rußland: 1,7 Mio.
Frankreich: 1,4 Mio. (viele Ziviltote)
England: 0,9 Mio.
- hohes Maß an Zerstörungen und Verwüstungen (Frankreich, Belgien, Ostpreußen, Westrußland, Polen)
z.B. Zerstörungsgrad in Frankreich:
- 700.000 Häuser
- 20.000 Fabriken
- 50.000 km Straßen und transportwege
- 3 Mio. Hektar Land verwüstet und für Landwirtschaft unbrauchbar
Staatsverschuldung und inflationäre Tendenzen in fast allen Kriegsteilnehmerstaaten
Bsp: Haushaltsdefizit 1918 (im Durchschnitt zw. 5 und 10 Milliarden im Frieden)
- Deutschland: 140 Mrd. Goldmark
- Frankreich: 144 Mrd. Franc
- England: 6,8 Mrd. Pfund
"Der Krieg hat Deutschland zu Beginn täglich 36 Mio. Mark gekostet, der Preis ging so in die Höhe, daß am Schluß täglich 146 Mrd. aufzubringen waren."
Gesamtkriegsschulden Deutschlands: 154 Mrd. Goldmark
II. politische Folgen
"In der bitteren schweren Erbschaft des Krieges lauerte schon ungleich furchtbar, das Verhängnis der nächsten Generation" (Graf Kielmansegg)
- Der Versailler Vertrag (Diktatfrieden) belastete nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches die Weimarer Republik schwer (Gebietsabtretungen, Reparationszahlungen, Kriegsschuldartikel 231), ermutigte die nationalsozialistischen und demokratiefeindlichen Kräfte in Deutschland
"Der Versailler Vertrag trug den Keim eines neuen Weltkrieges in sich."
- das Europa der 5 Großmächte war nach dem I. Weltkrieg radikal verändert:
- Ende des Habsburger Reiches
- Entstehung zahlreicher Nationalstaaten
- Formierung eines kommunistischen Gesellschaftssystems in Rußland
- keiner der europäischen Staaten konnte sich als wirklicher Sieger des I. Weltkrieges betrachten
- Hauptprofiteure des I. WK waren in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht Japan und die USA
"Europa begann schrittweise zur relativen Bedeutungslosigkeit abzusinken, ein Prozeß der dann nach 1945 mit der endgültigen Dekolonialisierung und der Etablierung der USA sowie der Sowjetunion als den neuen Weltmächten abgeschlossen wurde." (Schöllgen)
"In ganz Mittel- und Osteuropa waren die überkommenen Herrschaftssysteme zusammengebrochen ... lieferten sich die demokratischen, die sozialistischen, die kommunistischen und die konservativen Kräfte ein erbittertes Gefecht."
Artikel 231 des Versailler Vertrages (Kriegsschuldartikel):
"Die alliierten und assoziierten Regierungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber aller Verluste und aller Schäden verantwortlich sind, welche die assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten, infolge des durch Deutschland aufgezwungenen Krieges erlitten haben!"
Kriegsschulddiskussion
Thesen zur:
-> Kriegs(mit-)schuld Deutschlands:
- Konflikt zwischen konservativen und demokratischen Staatsprinzipien
-> die Rolle des Attentats und Ö/U - Donaumonarchie
Geiss:
- Spannungsherd Ö/U - Serbien sekundär
- Ö/U - Unfähigkeit dem legitimen streben nach Freiheit, Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit folge zu leisten
- kein Raum für junge, südslawische Intelligenz mit ihren modernen, revolutionären Ideen - Angst vor Auflösung der Donaumonarchie - Verlust des letzten Verbündeten
- Gefahr, daß zusammen mit der seit 1912 im Reichstag stärksten Partei SPD einer Demokratisierung und damit dem Ende der Monarchie in Deutschland nichts mehr entgegenzusetzen wäre.
- Verhinderung auch mit dem Mittel Krieg zur Sicherung der konservativen, feudal - bürgerlichen Gesellschaft
- eventuelle drückende Expansionsgedanken der deutschen Wirtschaft sieht Geiss nicht als ausschlaggebend, die Wirtschaft in Deutschland und England wäre seiner Meinung nach gegen einen Krieg gewesen
Fischer:
- Er sieht in der Kollision der politisch - militärischen und wirtschaftlichen Interessen die Gründe für eine Mitschuld der europäischen Mächte am Ausbruch des I. WK
- durch die Anspannung der Weltlage war allgemein Krieg unvermeidbar
- Deutschland hat österreichisch - serbischen Krieg gedeckt
- Er sieht einen großen Fehler der Deutschen in der Selbstüberschätzung der eigenen militärischen Stärke
- aus diesem Trugschluß heraus wurde der deutsch - russische und der deutsch - französische Konflikt herbeigeführt, was die erhebliche Schuld Deutschlands belegt
- Gefahr einer englischen Intervention
- die deutschen Politiker haben die These des aufgezwungenen Krieges vertreten. "Wir sind alle in den Krieg hinein gerutscht"
grundsätzliche Schuldbeweise:
- deutsches Streben nach der Weltmacht
- planmäßiger Kriegsbeginn
- bewußtes herbeiführen des Krieges über das Attentat in Serbien
- Druck auf österreichische Bergpolitik
- Ö/U zwar etwas hörig auf Deutschland, aber generell mit gleichen Sichten
- Kriegsausbruch durch scharfes Druckmittel wie Ultimatum
- Rußland zu nachgiebig, Streben zum Modernen
Zusammenfassend trägt die deutsche Nation die Hauptschuld.
Doch sollte man die gemeinsame Mitverantwortung aller beteiligten Regierungen nicht vernachlässigen, denn bei allen fehlte aufgrund des nationalen Prestigedenkens die Bereitschaft den frieden zu erhalten. Außerdem erhofften sie sich wirtschaftliche Probleme durch einen erfolgreichen Krieg (von dem alle europäischen Großmächte ausgingen) zu beseitigen.
Dazu kommt noch die unbedingte Erfüllung von Bündnissen, die diesen Krieg zu einem WK ausarten ließen. Die interkontinentale Rivalität wurde durch außereuropäischen Druck (z.B. USA) noch verstärkt. In allen Ländern führte das Streben nach einem sicheren, stabilen Staat zu innenpolitischen Spannungen, da die Politik vernachlässigt wurde und militärisch - strategische Intentionen eine Hauptrolle einnahmen, die eine gewisse Blindheit aller Regierungen zur Folge hatte und somit die Mitschuld aller Beteiligten unterstreicht.
Ein weiters deutliches Zeichen der Mitschuld ist, daß im Gegensatz zum II. WK alle Staaten aufgerüstet und kriegsbereit waren und das auf den Tag genau, sodaß man davon ausgehen kann, daß der Krieg erwartet und erwünscht war.
2. In Betrachtung dieser Tatsachen und meiner erworbenen Kenntnisse zum Verlauf und dem politischen Umfeld in der zeit von 1912 - 1918 (inklusive der Kriegsplanungszeit) würde ich sagen, daß Deutschland als eindeutiger Hauptschuldträger infrage kommt, aber die gesamten Beteiligten von Anfang an nichts unternommen haben, die deutschen Kriegsbestrebungen zu unterbinden, sondern die Rüstungs- und Wirtschaftspolitik bereits frühzeitig aktiviert und auf Krieg eingestellt haben. Somit wird deutlich, daß aufgrund der festen Überzeugung aller aus einem Krieg siegreich und gestärkt hervorzugehen, das Interesse und auch die Förderung der Kriegsentwicklung die Alleinschuld des Deutschen Reiches ausschließt und auch den europäischen Mächten somit eine (vielleicht anteilig geringere) Mitschuld zukommt, auch wenn dies in der zeit nach dem Krieg und in den Versailler Verträgen anders dargestellt wurde. Dieses Vertragswerk war letztendlich gleich neuer Diskussionsstoff und gute Grundlage zur Weiterentwicklung nationalistischen Gedankenguts. Deshalb ist die Entwicklung der politischen Interessen Deutschlands nach dem I. WK bereits absehbar.
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