Quellen:
Definition: Ein vor allem im Bereich der altorientalischen Hochkultur verbreitetes Wirtschaftssystem, bei dem das kapitalistische Erwerbsstreben nicht auf die Produktion von Gütern ausgerichtet ist, sondern sich auf das Abschöpfen von Ertragsanteilen, den Renten, aus den abhängig gemachten Betrieben der meist hoch verschuldeten Bauern konzentriert. Investitionen zur Erhaltung oder gar zur Steigerung der Produktivität werden nicht geleistet.
Eingeführt wurde der Name dieses Wirtschaftssystems von Hans Bobek.
Hans Bobek: Der, am 17.5.1903 in Klagenfurt geborene, österreichische Geograph studierte 1949 bis 1951 an der Hochschule für Welthandel in Wien, nachdem er zuerst kurze Zeit als Professor in Freiburg im Breisgau tätig war. Schon kurze Zeit nach seinem Studiumsende wurde er an der dortigen Universität tätig. Hans Bobek ist unter anderem auch Begründer der modernen funktionalen Betrachtungsweise in der Stadtgeographie, sowie auch Mitbegründer der modernen Sozialgeographie.
Allgemeingeschichtliches: Die Länder des Orients sind heute rentenkapitalistisch geprägte Entwicklungsländer alter Kulturtradition. Die vieltausendjährige, für die Entfaltung unserer Kulten so entscheidend wichtige Geschichte des Orients ist keineswegs zurückliegende Vergangenheit oder nur eine zu unserem Bildungsgut gehörende historische Reminiszenz. Sie reicht viel mehr bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Im Laufe der vergangenen Jahrtausende haben sich nämlich im Orient sehr spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme herangebildet. Diese erscheinen heute in festen Formen geprägt und erweisen sich gegenüber jeder moderneren, wirtschaftlichen und technischen Erschließung als ein hartnäckig resistenter Faktor. Gerade die alte und hochentwickelte Zivilisation des Orients verleiht damit der Problematik der dortigen Entwicklungsländer eine eingerastete Note.
Der Rentenkapitalismus in der Landwirtschaft: Insbesondere die traditionellen Handelsstrategien des Rentenkapitalismus reichen als schwere Hypothek einer vieltausendjährigen Geschichte bis in die unmittelbare Gegenwart des Vorderen Orients hinein. Am klarsten und eindeutigsten prägte sich das System des orientalischen Rentenkapitalismus im Bereich der Landwirtschaft aus. Bis zum sozialen Umbruch, der mit der ägyptischen Revolution im Jahre 1952 begann, konnte sich die Masse der bäuerlichen Bevölkerung im Orient nur einen kleinen Teil des Ertrags ihrer Bemühungen für sich behalten. Die in der Stadt ansässigen Großgrundbesitzer, Notabeln, Geldleiher oder Kaufleute stellten dem Fellachen zwar Boden, Bewässerungsanlagen, Saatgut, nicht selten auch Geräte sowie Zugtiere zur Verfügung, hatten aber auch das Privileg des Rententitels, das ihnen als Gegenleistung für die zur Verfügung gestellten "Produktionsfaktoren" die Hälfte, oftmals auch 3/4 und gelegentlich auch 9/10 der Ernte des Fellachen zusprach. Zusätzlich zur Abgabe solcher Ernteanteile wurde vielfach noch die Zahlung außerordentlich hoher Zinsen für Darlehen, Vorschüsse usw. gefordert.
Das Leben der Fellachen im Alltag: Aufgrund solcher rentenkapitalistischer Verstrickungen war der Bauer im Orient noch vor vierzig, fünfzig Jahren vielerorts eine eigenartige Mischung zwischen Pächter, Landarbeiter und bodengebundenem Leibeigenen. Er erschien in jeder Hinsicht von außenstehenden Mächten abhängig und hatte allein das Risiko von Dürrejahren, Überschwemmungen, Heuschreckenschwärmen usw. zu tragen. Elend, Krankheit, sklavenähnliche Abhängigkeit und die damit verbundene wirtschaftliche Unsicherheit waren die entscheidenden Faktoren im Leben des orientalischen Fellachen.
Ein tiefer Fatalismus beherrschte das Leben der Menschen; irgendein Plan für die Zukunft, ein Sparen oder Vorsorgen erschien gänzlich zwecklos.
Da die Arbeit nicht lohnte, wurde sie als Fluch empfunden und möglichst umgangen.
Rentenkapitalismus in der Gegenwart: Trotz vieler Reformen der letzten Jahrzehnten trifft man auch heute noch oft auf solche rentenkapitalistischen Bindungen: Kleinbauern sind zwar heute frei und nicht mehr "privat" verschuldet, dafür aber sehr hoch bei staatlichen Geldgebern. An Zurückzahlung ist auch heute fast nicht zu denken, da allein die Zinszahlung einen zu großen Teil der Ernte vertilgt.
Dieses altüberlieferte Wirtschafts- und Sozialsystem hat sich bis heute noch als starr, konservativ und sehr stabil erwiesen, allerdings werden Fortschritte der westlichen Welt gerne aufgenommen und in das System eingebaut.
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