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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Zur person johann nestroy


1. Drama
2. Liebe

Nestroy (eigentlich Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy) wurde am 7. Dezember 1801 als Sohn eines Wiener Hof- und Gerichtsadvokaten, der seinem Sohn später auch eine Ausbildung an einem Gymnasium ermöglichte, geboren.
Zunächst war er als Opernsänger (dieses Können läßt er später auch bei Couplets und diversen Gesangseinlagen, die er in die Schauspiele integrierte, einfließen) tätig, ein wenig später auch in Sprechrollen. Zwischen 1822 und 1831 reiste er als Schauspieler und Opernsänger durch Österreich, Deutschland und die Niederlande. Seine Laufbahn als Schauspieler begann im Jahre 1823 in Amsterdam. Im gleichen Jahr heiratete er auch seine erste Frau Wilhelmine Zwettlinger, die ihn aber schon nach vier Jahren wieder verließ.
Nach etlichen Engagements in Brünn, Graz und Preßburg kehrte er in seine Heimatstadt Wien zurück, wo er sich langsam dem Schreiben zuwandte. Anfangs glaubte Nestroy zum Tragiker berufen zu sein, wendete sich aber nicht viel später dem komischen Fach zu.
Kurz nach seiner Ankunft in Wien schloß er einen Vertrag mit dem Theaterdirektor Carl, von dem aber jeder wußte, daß er seine Angestellten nur ausbeutete, indem er sie schlecht bezahlte und ihnen überdies noch Zahl und Termine der abzuliefernden Stücke vorzuschreiben pflegte. Im Jahre 1827 durfte sich Carl als stolzer Direktor aller drei großen Theater (Theater an der Wien, in der Josephstadt und in der Leopoldstadt) präsentieren. Nestroy war ihm aber sehr zugetan und trat nach dessen Tod 1854 seine Nachfolge an. Auch seine damalige Lebensgefährtin Marie Weiler, die eine " gute" Sängerin, aber reizlose Darstellerin war, wurde von Carl gewürdigt und Nestroy zuliebe in Kauf genommen. Nur sechs Jahre insgesamt hielt Nestroy das schwere Leben eines verantwortungsbeladenen Direktors aus und zog sich deshalb nach dieser Zeit in den Ruhestand zurück. Während dieser Zeit wirkte er hauptsächlich im Theater an der Wien, wo er beispielsweise mit der phantastischen Komödie " Der böse Geist Lumpazivagabundus oder Das liederliche Kleeblatt" seinen ersten großen Erfolg verzeichnen durfte (Uraufführung - 1833).
Über 80 Werke (um genau zu sein: 83 !!)schrieb Nestroy, von denen selbst heute noch einige auf den Spielplänen der (guten) Theater zu finden sind. Diese 83 Stücke entstanden unmittelbar aus den Bedürfnissen des Wiener Volkstheaters, aber sie wurden auch aus einer Vielzahl von Quellen abgeleitet, wie zum Beispiel aus zeitgenössischen französischen oder englischen Romanen. Er änderte die Originale so wie er sie gerade brauchte: Hier fügt er Couplets und Quodlibets ein, dort werden Handlungslinien und Motive ausgebaut. Seine eigentliche Leistung aber lag in der Umsetzung von Milieu, Charakteren und Sprache ins Wienerische und in der Ausgestaltung der komischen Rollen. Beim " Talisman" etwa handelt es sich um solch eine geschickte Bearbeitung einer rasch vergessenen französischen Komödie. Nestroy ist in seinem Werk der Vorlage weit überlegen. In den meisten Fällen konnte man die Vorlagen zu seinen Stücken problemlos bestimmen.
Nestroy erhob sich gewissermaßen auch auf Raimunds Schultern. Der " Lumpazivagabundus" aber geriet im Gegensatz zu Raimunds Werken ein wenig blaß und nüchtern, weil er zu diesem metaphysischen Schreibstil keine wirkliche Beziehung hatte und ihm dieser überhaupt nicht zusagte. Seine frühen Stücke standen aber noch deutlich in dessen Tradition. Er tendierte aber dann doch mehr zur realistsich-sozialkritisch gefärbten Werken, was sich mit Raimunds Stil überhaupt nicht mehr vertragen hatte.

Wahrscheinlich ist es auch seinem zweiten Beruf als Schauspieler zu verdanken, daß in seine Stücken wieder die SPRACHE selbst zum Thema wird. Häufig findet dies auf der Ebene des witzig- pointierten Wortspieles statt, er läßt zum Beispiel andere Sprachen in seine eigene einfließen:

" Er trug ein schwarzes Halsband" - " Portate un nero cravatel" oder
" Ein ganz kleines Hunderl" - " Piccolo Viech mit quattro Haxn" (Auszug aus " Lumpazivagabundus").
Nestroy ist der geborene Sprachkünstler, der es auch versteht sein Publikum zu erheitern und hellauf zu begeistern. Dieses Können verträgt sich natürlich auch vorzüglich mit seinem überlegenem Verstand. Seine Wortspiele sind meist von gedanklicher Schärfe und wuchernder Bildlichkeit geprägt.
Überdies ist er ein Meister der SPRACHKOMIK, die - wie so oft - vortrefflich mit der Situationskomik in seinen Stücken harmoniert.
Um wieder ein Beispiel aus dem " Lumpazivagabundus" anzugeben: Die Gestalten tragen das Handwerk, das sie ausüben, bereits in ihren Namen, etwa heißt der Tischler ganz einfach " Leim" und der Schneider " Zwirn". Natürlich kommen hierbei auch gesellschaftskritische Züge zum Vorschein - mittels dieser scheinbar harmlosen Kritik will er dem Publikum seinen Standpunkt nahebringen. " Harmlos" bedeutet bei Nestroy Humor "pur", der aber auch etwas wahres unter seinem witzigen Mantel versteckt hält.

Berühmt und gerade deswegen von der Obrigkeit gefürchtet war der Dichter und gleichzeitige Schauspieler aber aufgrund seines Talentes zu extemporieren (= zum spontanen oder planvollen Einsprechen nicht zum Stück gehöriger Texte; Improvisation oder einfach aus dem Stegreif). Auf diese Art und Weise gelangen ihm des öfteren Seitenhiebe auf aktuelle politische oder gesellschaftliche Ereignisse und Verhältnisse. Aber es kam auch öfters zu Schwierigkeiten aufgrund des Extemporierens (Extemporierverbot seit 1752 - unter Sonnenfels), zum Beispiel mit Zensoren: In dieser Zeit improvisierten die Schauspieler vielfach, um ihre gewollten Aussagen noch zynischer ans Volk zu bringen. Mit diesen Improvisationen konnte man die ZENSUR bewußt umgehen. Natürlich wurden immer wieder neue Bestimmungen erlassen, die etwa besagten, daß man verfaßte Werke immer doppelt auflegen lassen mußte, damit ein Exemplar für die Bühne verwendet werden konnte, während das andere der Zensor bearbeitete und von Kritiken und Beleidigungen dem Metternich'schen Systems gegenüber säuberte. Das Theater sollte ein Mittel zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung und eine Institution der reinen Unterhaltung sein. Die genaue Rekonstruktion der sozialkritischen und politische Situation mancher Stücke aufgrund dieser Säuberungen war somit erschwert.
Etliche Textpartien wurde aus diesem Grund aufgespart, z.B. Couplets und Monologe. Sie wurden aber logischerweise zur selben Zeit verfaßt und in die dafür vorgesehenen Stellen kurz vorher wieder eingefügt. Ausdrücke aus dem kirchliche, militärischen wie sexuellen Bereich mußten ebenso gemieden werden, wie die aus dem politischen. Diese Vorschriften galten ebenso für die non-verbale Darstellung, z.B. Kostüme, Requisiten, Bühnenbild,.. Oft aber kam es, daß Nestroy diese Texte, die weit über den zensurierten Text hinaus gingen, Schwierigkeiten mit der Polizei einbrachten. Arrest - sowie Geldstrafen, die er deswegen einbüßen mußte, waren also keine Seltenheit mehr.

Das Theater wurde zwischen 1815 und 1848 als Ersatz für die politischen und öffentlichen Interessen des Bürgers gesehen. Außer dem Theater waren abendliche Treffen gänzlich verboten. Die Polizei versuchte sich somit die Bevölkerung nicht ganz zum Feind zu machen, hatte aber auch ein Auge darauf, was sich auf der Bühne abspielte (Grenzen des politisch Zulässigen durften nicht überschritten werden). Die Bevölkerung besuchte das Theater, um seinen doch stark eingeschränkten Unterhaltungssinn irgendwie ausleben zu können und die politische Situation zu vergessen. Die einzige Aufgabe, die der österreichische Bürger zu erfüllen hatte, war sich um seine eigenen Sachen zu kümmern und darauf zu achten, keinen Fehler zu begehen, der gegen das Regime gerichtet sein konnte. Die " politischen Spitzen", die von den Schauspielern gegen Metternich und seinen Staat gerichtet waren, waren dennoch sehr beliebt.
Das Verbot sich öffentlich politisch zu engagieren, brachte einen Rückzug in häusliche Unterhaltung mit sich.

Metternich Klemens Wenzel, Fürst von: österreichischer Staatsmann. Im Jahre 1809, nach der Niederlage der Österreicher gegen die Franzosen bei Wagram wurde er zum Leiter der österreichischen Außenpolitik ernannt. Dieser versuchte nun mit allen Mitteln die Annäherung Österreichs an Frankreich zu erreichen, indem er u.a. die Heirat der Kaisertochter Marie Louise mit Napoleon arrangierte und der französischen Armee auf ihrem Rußlandfeldzug Hilfstruppen zur Verfügung stellte. Zweck dieser Annäherung war in erster Linie, Österreich eine Ruhepause gegenüber Frankreich zu verschaffen, um neue Kräfte für den Krieg gegen dieses Land sammeln zu können. Parallel dazu verhandelte er mit Rußland über ein Bündnis gegen Napoleon.
Auf dem Wiener Kongreß 1814/15 zur Neuordnung Europas nach Napoleons Niederlage bemühte sich Metternich, der den Kongreß dominierte, um die Wiederherstellung des vorrevolutionären Zustands in Europa, um das europäische Gleichgewicht zu sichern.
Seit Mitte der Zwanziger Jahre ließ Metternichs Einfluß auf die europäische Politik zusehends nach - in der Wiener Märzrevolution im Jahre 1848 wurde er als die Symbolfigur der Reaktion gestürzt.
Das sogenannte Metternich'sche System bedeutet nichts anderes als Restauration und Aufrechterhaltung der alten, vorrevolutionären monarchischen Ordnung in Europa.
Die Ära Metternichs folgt als Reaktion auf die französische Revolution. In Österreich halten der Geist des Mittelalters und ein intolerantes Zensursystem Einzug. Österreich wird ein Polizeistaat - niemand ist unbeachtet. Das Zurückziehen ins eigene Heim ist die Folge davon.
Am Ende der Metternich'schen Ära 1848 wurde die Aufhebung der Zensur bewirkt. Nestroys Stück " Freiheit in Krähwinkel", das im selben Jahr noch seine Uraufführung hat, stellt die Entwicklung in Wien seit der Märzrevolution dar. Das alte Regime (eben das Metternichs !!) wird in aller Öffentlichkeit zur Belustigung.
Theater wie Publikum wurden in eine innere Emigration getrieben, also spiegelt sich die politische Entwicklung auch im Theaterleben wider. Nestroy stellt in seinen Werken alle Mängel und Schwächen der Zeit mit schonungsloser Analyse des Menschlichen dar. Er hält seinen Zeitgenossen einen Spiegel vors Gesicht und läßt sie so (bewußt oder unbewußt) über ihre eigenen Schwächen lachen.
Mit erstaunlichem Tiefsinn und hinter beißender Satire beschreibt er Leben und Zeitgeist der Stadt Wien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Alles, wie z.B. politische Absurditäten, Gemeinheit und Hinterhältigkeit wird mit harmlos klingender Ironie bloßgestellt. Sein Sarkasmus und sein alles vernichtender Hohn waren Ausdruck seines Zorns über die Welt.

Am besten ist dieses Denken wohl an seinen COUPLETS bemerkbar. Sie enthalten Faustschläge aber auch Pointen, die zum größten Teil doch auf das damalige politische System abzielen. Dennoch sind sie sehr zeitlos und auch heute noch oft und gern ein " Mittel zum Zweck": In vielen Nestroy- Stücken werden sie aktualisiert, d.h. die Texte werden einfach an die heutigen Umstände angepaßt umgeschrieben und dem Publikum serviert. Die Gründe dies zu tun haben aber weniger mit Kritikübung - so wie damals - zu tun, sondern eher mit Spaß an der Sache berühmte Personen oder neueste Entwicklungen auf die Schaufel nehmen zu können.
Immer wieder hört man überarbeitete Nestroy-Couplets in den diversen Theateraufführungen, die von den Zuschauern zumeist mit rasendem Applaus aufgenommen und mit großer Begeisterung weitergegeben werden. Das Publikum dürfte sich im Vergleich zum damaligen nur wenig verändert haben.

 
 

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